ist ja unmöglich, dass Monica und Johnny unsere Janet von heute auf morgen wegnehmen“, polterten die Katzenomi und der Altbulle, also Grandma und Grandpa, in Kärnten, aber natürlich wissen auch sie, dass der Tag gekommen ist, von dem jeder hoffte, dass er niemals kommen würde, und der doch kommen musste.
So gab es zu meinem Abschied nur ein kleines Fest mit ganz engen Verwandten und Freunden. Der Verrückte zeigte mir zu Ehren „Leoparden küßt man nicht“, den Film, den er auch damals gezeigt hat, als meine Mutter die Stadt für immer verlassen hat, um in Los Angeles ihr Glück zu versuchen, und dort bestens verheiratet wurde.
Was für ein schöner Film! Der ideale Film, um Abschied zu nehmen; ein letztes Mal gibt es gutes Kino-Cola und die feine Kinomarmelade, und dann sitze ich auch schon am nächsten Morgen im Bus nach Venedig – von dort startet das Flugzeug, das mich nach Paris bringen wird.
Rue Jenner, 13, im 13. Arrondissement, 75013 Paris. Es ist eine Megastadt in einem ganz anderen Land. Man wacht auf, und man spricht Französisch.
Ich bin allein in einem kleinen Apartment über den Filmateliers, die für alle möglichen Zwecke vermietet werden. Hier wird alles gedreht, was vor die Kamera gehört: Kurzfilme, Werbung, Szenen für Langfilme, ganze Spielfilme. Es gibt auch eine Requisite und ein Archiv, durch das ich mich am Wochenende wühlen werde.
Duane ist am Wochenende noch da, um mir die wichtigsten Dinge zu zeigen, die ich einfach wissen muss. Es gibt Gästezimmer für die ganz kleinen Crews, die in den Ateliers und in Paris drehen wollen. Alle anderen werden im Hotel Jenner untergebracht, das ganz in der Nähe ist; dort frühstücken sie auch und kommen dann in die Ateliers herüber, wo der allgemeine Treffpunkt ist, es kann aber nicht schaden, wenn ich ab und zu ins Hotel Jenner hinübergehe und den Faulpelzen beim Frühstücksbuffet ordentlich Dampf unter den Hintern mache.
„Lass dich nur ja nicht von den Amis als Köchin einspannen. Die Amis sind die schlimmsten Schnorrer, die du dir vorstellen kannst“, hat Duane mich gewarnt, der schon mit den Gedanken drüben in London ist.
„Wenn du was brauchst, geh einfach zum Bio-Carrefour, das sind gerade mal 200 Meter, das schaffst du locker in der Früh“, sagt Duane.
„Und wo ist hier das nächste Kino?“, frage ich.
„Das Kino. Immer das Kino! Ich wusste doch, dass die Frage kommt“, sagt Duane.
„Na klar, was sonst?“, antworte ich.
„Du bist ganz wie deine Mom und der Verrückte“, sagt Duane.
„Richtig, was sonst?“, antworte ich frech.
„Am besten, du gehst in die MK2 Bibliothèque, das ist nicht weit weg, 1,7 Kilometer, mit denen machen wir auch manchmal was, wenn wir Szenen in einem Kinosaal drehen wollen, die sind total auf Draht, aber die Pressevorführungen unserer eigenen Filme machen wir hier. Unsere beiden Studios sind mit Beamern und 35- und 16-mm-Projektoren ausgestattet, da kannst du wirklich viel sparen, größere Filme machst du am besten auch im MK2, aber so etwas hatten wir bisher noch nicht. Außerdem bist du vom Fach und brauchst keinen Vorführer für unsere kleinen Filme wie Werbung, Kurzfilme und Indies anheuern“, sagt Duane.
„Kann ich mir auch etwas aus dem Fundus nehmen?“, frage ich.
„Klar, nimm, was du willst, ist überhaupt kein Problem. Es gibt keine Inventarlisten“, antwortet Duane.
„Was trägt so eine junge Pariserin in meinem Alter?“, frage ich.
„Auf jeden Fall kurz. Hohe Stiefel. Overknees. Einen langen Mantel und einen Hut“, sagt Duane.
„Wie im Letzten Tango?“
„Wie im Letzten Tango. Mit Hut. Das kommt hier immer perfekt an. Außerdem ist es November“, sagt Duane.
Ich ziehe mich um. Er prüft mein Outfit. Ich schwinge die Hüften wie ein Model. Er ist zufrieden. Er nimmt mich in die Arme und küsst mich. Ich schlinge die Arme um seinen Hals und küsse ihn. Er hebt mich hoch. Ich schlinge die Beine um seine Hüften. Wir treiben es im Stehen. Ich reite genussvoll auf seinem Schwanz. Er legt mich flach. Wir treiben es in einem Atelier auf einer Matratze, die eine Filmcrew hier hat liegen lassen. Wir haben Sex.
Es ist unsere erste und einzige Sexnummer hier in Paris. Am Nachmittag wird er nach London abreisen. Aber diese Sexnummer gehört uns beiden.
Zu Mittag lädt Duane mich noch in die Pizzeria in der Rue Jenner ein, er meint, dass hier die Nudeln besser sind als die Pizza, aber ich bleibe bei der Pizza, weil ich zwei Tage nur Junkfood gegessen habe, und er isst seine Spaghetti, wir genehmigen uns einen Salat zu zweit, die Preise in dieser putain Paris sind atemberaubend.
Während wir essen, suchen seine Füße ihren Weg zwischen meine Beine. Erotik pur. Der Geschmack der Pizza steigt ins unermesslich Feine. Ich verstehe, warum die Pariser Mädchen im Winter kurze Röcke tragen.
Duane bezahlt. Wir verlassen die Pizzeria und küssen uns ein letztes Mal leidenschaftlich auf der Rue Jenner.
Dann kommt der Bus, Duane nimmt seinen Koffer und seine Sporttasche, er winkt mir ein letztes Mal zu, gewürzt mit einer obszönen Geste, und dann ist er weg.
Ich bin allein auf einer Straße in Paris, im 13. Arrondissement, ich bin kaum einen Tag hier in der französischen Hauptstadt, und ich fühle mich wie eine Profinutte, die hier die Gehsteige nach Kunden abklappert.
Ich schlage den Weg zur Pont de Bercy ein, um mein neues Revier etwas kennenzulernen, es ist ein kühler Samstagnachmittag im November, es sind viele Leute auf der Straße, wieso sollte ich nicht ins Kino gehen?
Mir ist es egal, wie ich heute den Tag totschlage, es ist kühl, es ist regnerisch, ich spüre die Kälte zwischen den Beinen, ich hätte Jeans statt des Minirocks anziehen sollen, ich beschließe, mir im Nachmittagsprogramm den erstbesten französischen Film anzusehen und dann ins Atelier zurückzukehren, um in Ruhe das Studio, die Requisite und das Archiv zu durchstöbern.
Die erste US-Crew kommt erst am Mittwoch, bis Mittwoch muss ich gewappnet sein.
Duanes Tipp mit der MK2 Bibliothèque ist perfekt. Ich sehe mir eine Repertoirevorstellung von La vie d’Adèle“ und im Anschluss Les Misérables von Ladj Ly an, die im vergünstigten Doppelprogramm angeboten werden. Ich genehmige mir nach dem fünfstündigen Kinomarathon eine Pause in der Cafeteria und einen Café au lait und ein Törtchen und beschließe, den Samstag mit Poupoupidou abzuschließen, der perfekt zu einem feuchten, kalten Novemberabend passt.
Gegen Mitternacht verlasse ich das Kino, für die Supernachtvorstellung bin ich nach drei Vorstellungen noch nicht bereit, ich bin ja eben erst in Paris angekommen.
Ich nehme eine Seitenstraße zur Seine und komme an den Vorführkabinen vorbei, eine junge Fille, die nicht viel älter ist als ich, genehmigt sich zwischen den Vorführungen einen Joint mit einem Kollegen.
„Salut, wie waren die Filme? War das Bild scharf, oder hast du sonst was an der Vorführung auszusetzen?“, fragt mich die Fille.
„Nein, war alles okay“, antworte ich, „Wieso?“
„Une cinéphile, die sich drei Filme hintereinander gibt, fällt auf, auch in Paris“, antwortet die Fille.
„Bien, das Bild war scharf, der Ton war gut, es war ein echtes Filmerlebnis“, antworte ich.
„Merci, du bist keine Französin, obwohl du gut Französisch sprichst“, sagt ihr Kollege.
„Oui, ich bin eine Amerikanerin aus Österreich“, sage ich.
„Das klingt kompliziert. Da bist du in Paris ganz richtig. Hier ist alles kompliziert“, antwortet ihr Kollege.
„Willst du die Kabinen sehen? Jetzt ist die beste Gelegenheit dazu“, werde ich eingeladen.
Natürlich nehme ich die Einladung an, ich bin ja selbst vom Fach und bin perfekt auf Analog- und Digitalgeräte eingeschult worden.
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