Sarah Glicker

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Und dann spüre ich nur noch, wie seine Hand in meinem Gesicht landet.

       Der Schlag ist so fest, dass mein Kopf zur Seite fliegt. Sofort gehe ich ein wenig in die Knie und fasse ich mir an die Stelle, an der er mich getroffen hat. Ich spüre das Brennen, welches von ihr ausgeht. Mir schießen die Tränen in die Augen, doch ich halte mich zurück. Ich will ihm nicht diese Macht über mich geben.

       „Ich habe eigentlich gedacht, dass wir das schon ausführlich geklärt haben“, brummt er. „Du machst, was ich sage und wann ich es sage. In den letzten Jahren hat es doch auch funktioniert. Ich verstehe nicht, wieso du jetzt so ein Drama deswegen machst. Dieser Mann ist ein sehr einflussreicher Geschäftspartner von mir und er würde gerne meine Schwester kennenlernen. Ich rate dir, diesen Job ordentlich zu erledigen. Es geht für mich um eine Menge Geld.“

       „Bitte“, flehe ich ihn an.

       Meine Stimme ist brüchig, da ich versuche, die Tränen für mich zu behalten.

       Sein heiseres Lachen ertönt und zeigt mir, dass es ihn nicht interessiert. In der nächsten Sekunde greift er nach meinem Kinn und hält es fest, sodass ich ihm nicht ausweichen kann.

       Nun läuft mir doch eine einzelne Träne über die Wange bis zu meinem Kinn.

       „Ich habe dir bereits beim letzten Mal gesagt, dass es mir egal ist. Es wird Konsequenzen haben, wenn du dich nicht an meine Anweisungen hältst. Und du kannst mir glauben, dass du das nicht erleben willst.“

       Einige Sekunden starrt er mich finster an, ehe er mich so ruckartig wieder freigibt, dass ich nach hinten stolpere.

       „Und jetzt wirst du nach Hause fahren und dich ins Bett legen. Schließlich will ich mir nicht anhören müssen, dass ich meine Schwester nicht gut behandle. Bei den anderen Mädchen wäre mir das egal. Wenn ich diesen Vorwurf allerdings bezüglich meiner Schwester bekomme, ist das doch etwas anderes.“

       Ich kann nicht verhindern, dass ich ihn mit zusammen gekniffenen Augen ansehe.

       „Das wirst du früher oder später dir aber anhören müssen“, flüstere ich.

       Ich habe keine Ahnung, woher ich den Mut nehme, ihm diese Worte gerade entgegenzuschleudern, doch ich bin froh darüber, dass ich ihn habe.

       „Wenn du nicht willst, dass ich dir noch eine scheuere, was ich sofort machen würde, hältst du jetzt den Mund und fährst nach Hause. Und ich hoffe, dass du wieder etwas Farbe im Gesicht hast, wenn du noch ein paar Stunden im Bett verbracht hast. Nicht, dass du krank wirst. Das könnte ich gerade überhaupt nicht gebrauchen.“

       Nachdenklich betrachtet er mich.

       „Ich muss mich noch von Mom und Dad verabschieden“, erkläre ich ihm.

       „Oh nein, die beiden sollen dich so nicht zu Gesicht bekommen. Das würde nur weitere Fragen aufwerfen. Ich werde ihnen einfach sagen, dass es dir nicht gut ging und du deswegen schon gefahren bist.“

       Mit diesen Worten macht er Platz, sodass ich das Zimmer wieder verlassen kann. Einerseits bin ich froh darüber, dass er mich bei ihnen entschuldigen wird. Andererseits würde ich ihnen gerne endlich die Wahrheit sagen. Doch ich schaffe es nicht, diese Worte in ihrer Gegenwart auszusprechen.

       Als ich endlich in meinem Wagen sitze und mich ein wenig von dem Haus entfernt habe, bleibe ich stehen und lasse meinen Tränen freien Lauf. Meine Wange brennt noch immer und mittlerweile hat sich dort ein roter Fleck gebildet, der nicht zu übersehen ist.

       Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich meinen Bruder hasse. Seit Jahren zwingt er mich schon dazu, dass ich seinen Geschäftspartnern zur Verfügung stehe und sie alles mit mir machen lasse, was sie wollen.

       Würden andere von dieser Geschichte hören, würden sie wahrscheinlich sagen, dass ich einfach zur Polizei gehen soll. Doch ich weiß, was mit den Frauen passiert ist, die genau diesen Schritt gegangen sind.

       Man hat sie tot in irgendeiner Gasse aufgefunden!

      3

      Cody

      „Macht euch fertig“, verkünde ich, als ich die Küche betrete.

      Das Dienstmädchen, welches für meine Eltern arbeitet, sieht zu mir, wendet jedoch sofort wieder den Blick ab, als ihr bewusst wird, dass mir ihr Blick nicht entgangen ist. Mir ist klar, dass sie scharf auf mich ist. Das war sie schon, bevor ich in den Knast gekommen bin.

      Unter normalen Umständen hätte ich sie mir auch in den letzten Jahren einmal vorgenommen und ihren Wunsch erfüllt. Ich hätte sie wissen lassen, dass sie nie mehr als meine Angestellte sein wird. Und sie hätte es genossen.

      Doch erst gab es da diese Frau, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekommen habe, und dann wurde ich weggesperrt. Und jetzt habe ich wichtigere Dinge zu tun, als mich um sie zu kümmern. Ganz davon abgesehen gibt es da noch immer diese Frau in meinem Leben, auch wenn sie es noch nicht weiß.

      „Wo fahren wir hin?“, erkundigt sich Taylor und sieht mich hochgezogenen Augenbrauen an.

      „Wir werden Kane einen Besuch abstatten“, erkläre ich mit angespannten Muskeln. „Ich habe so das Gefühl, als wäre es an der Zeit, dass ich ein Wörtchen mit ihm wechsel. Er wird mir sicherlich helfen können“

      Noch während ich spreche, macht sich ein breites und gleichzeitig auch teuflisches Grinsen auf meinem Gesicht breit.

      Kane ist ein alter Schulfreund von mir. Doch er ist viel mehr als das. Unter anderem führt er ein großes Exportunternehmen und pflegt Kontakte, die sich schon öfter als wertvoll herausgestellt haben. Seine Firma nicht nur dazu, Drogen und Waffen ins Land zu bringen, sondern auch zur Geldwäsche.

      Ich gebe zu, dass ich in den letzten Jahren enttäuscht darüber war, dass er mich nicht ein einziges Mal im Gefängnis besucht hat. Von ihm habe ich definitiv mehr erwartet. Doch ich weiß, wieso er es nicht getan hat.

      Er geht davon aus, dass ich nicht mehr an der Spitze stehe und nichts mehr zu melden habe, nur weil ich die letzten Jahre hinter dicken Mauern verbracht habe. Zu dieser Annahme kann er jedoch nur gekommen sein, wenn es da irgendwo einen anderen Mann gibt, der diesen Posten für sich beansprucht. In der Vergangenheit habe ich ihm nämlich oft genug klargemacht, dass ich es bin, dass es meine Familie ist, die die Macht haben.

      Allerdings haben weder mein Vater, noch meine Brüder etwas in diese Richtung gehört. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie es mir sofort gesagt hätten. Und das kann nur bedeuten, dass derjenige, wer auch immer es ist, sich hinter einer Reihe von Leuten versteckt.

      „Er wird überrascht sein, dass du an deinem ersten Tag ausgerechnet ihn besuchst.“ Brad lässt mich keine Sekunde aus den Augen.

      „Das will ich doch hoffen. Aber wir sind doch Freunde. Wieso sollte ich ihn da nicht besuchen? Außerdem will ich ihm klarmachen, dass ich noch immer an der Spitze stehe und daran sich auch nichts ändern wird. Er hingegen ist austauschbar. Das sind zwei Punkte, die er eindeutig nicht vergessen sollte.“

      Um meine Worte zu unterstreichen, ziehe ich meine Waffe aus dem Hosenbund und entsichere sie. Meine Brüder wissen, dass ich bereit bin, diesen Schritt auch bei Kane zu gehen.

      Es ist mir egal, dass wir gemeinsam zur Schule gegangen sind. Und genauso egal ist es mir auch, dass mein Vater und seiner befreundet waren, bevor seiner gestorben ist. Ich lasse nicht zu, dass jemand meint, er könnte meine Position einnehmen.

      Sollte Kane mir also in den Rücken fallen, wird er es bereuen.

      Kanes Firma befindet sich im Gewerbegebiet in Miami in der Nähe des Hafens. Schon von weitem kann man das riesige Gebäude und den noch viel größeren Platz erkennen, der dazu gehört. Er steht voll mit LKW´s und ein großes Schild auf dem Dach des Hauses weist daraufhin, was sich dort befindet, sodass man es überhaupt nicht übersehen kann, wenn man danach sucht.

      Da ich ihm nicht die Gelegenheit geben wollte, sich irgendwelche Ausreden einfallen zu lassen,