Robin Kaiser

Eine relative Abhandlung über das Absolute


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das Einssein wurde erfahren. Doch bis dieser Friede Einzug hielt, war es ein Ausharren in der gespannten Atmosphäre des Nichts. Dieses Nichts, dieser Raum, in dem alles entstehen kann, öffnet sich über das dialektische Wechselspiel von Gegensätzen, die sich, immer jeweils entgegengesetzt, ihre Existenz schenken und sich ihrer wieder berauben. Wer also auf gegensatzlose, widerspruchsfreie Thesen hofft, bekommt sie nur in der Form, dass widerspruchsfrei alles widersprüchlich ist. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, so wurde das Wesen des Absoluten, wie es aus relativer Perspektive erscheint, verfehlt. Diese Abhandlung wird letztlich alleinig von der Idee des Absoluten getragen und nur deshalb regelmäßig in die Relation fallengelassen, um wieder vom Absoluten aufgefangen und zurückgeholt zu werden, damit durch die daraus entstehende Bewegung sprachlicher Erkenntnisabwurf entsteht. Der Versuch, alles so dicht wie möglich an der Absolutheit zu bauen, drängt in sprachliche Abstraktionen, durch die eine überweltliche Philosophie, eine Weisheitswissenschaft, zum Ausdruck kommt, in der Mystik und Logik Hand in Hand gehen. Die immerselben (dem Text zugrunde liegenden) Gedanken kleiden sich in unterschiedlichste Sprachgewänder, die in einer Komposition von inhaltlichem Reduktionismus und formaler Diversität unwillentlich die hinter dem Sprachgerüst versteckenden Gedanken zum Vorschein treten lassen. In den abstrakteren Kapiteln wird mehr oder weniger das immer gleiche Spiel gespielt, lediglich die Ausdruckformen der Phänomene, die hartnäckig jeden Ausdruck von sich abweisen, wandeln sich. Die Wörter in den Kapitelüberschriften finden sich in den jeweiligen Kapiteln fast in jedem Satz wieder. Dieser inflationäre Sprachgebrauch der immer gleichen Wörter kommt daher, dass ein Wort erst in der Beziehung zu sich selbst, oder in Relation zu seinem Gegenteil, Zugang zur Ebene jenseits der Wörter gewährt. Auch häufen sich auf dem Weg zum Absoluten die sprachlichen Absolutierungen, die als gedankliche Richtungsweisung aufgefasst werden sollten. Viele gedankliche Gebilde werden sprachlich stark komprimiert dargestellt. Wäre das geistige Gedankengeflecht noch dichter, so wäre vielleicht ein Gedicht daraus entstanden, auch wenn das Vokabular eher an ein wissenschaftliches als an ein literarisches erinnert. Mit dem Mut zur Stilfreiheit wird nach den tiefsten, noch erschürfbaren und nach den höchsten, noch erfassbaren Wahrheiten gesucht, und versucht, ihre Seinsart über eine möglichst perspektivlose Perspektive zu rekonstruieren. Dabei geht es weniger darum, was sich als Niedergeschriebenes festgesetzt hat, als um die darin vorhandene Möglichkeit, das Niedergeschriebene gedanklich-analog durch alle möglichen Wirklichkeitsebenen hindurch wachsen zu lassen. Alles Niedergeschriebene spricht von etwas, was nicht ist, weil sich das, worum es geht, im Niederschreiben auflöst. Um vom Auflösen zum Erlösen zu kommen, gilt es, das Prinzip hinter der Wirklichkeitsebene zu erkennen, um sich dann von der bestehenden Wirklichkeitsvorstellung zu lösen, damit man unbedingt relationslos im Prinzip verweilen kann. Eine Abhandlung, die durch und durch auf Dekonstruktion von Relativität abzielt, ist nur in kleinen Portionen gut bekömmlich und erfordert eine für sich eigenständige Lesart, die Berührung und Selbstrückbezug zulässt. Aufgrund der inhaltsscheuen Sprachstruktur betrachtet der verständige Leser durch die Wörter hindurch sein eigenes Spiegelbild und lernt durch die Gedanken im Text, besser in sich hineinzuschauen. Diese Abhandlung setzt sich aus relativ bedeutungslosen Formen zusammen, die erst darüber ihre Wertigkeit erhalten, dass der Leser über diese hinausgeht und sich von ihnen in ein universelles Einheitserleben hinübertragen lässt. Auch wenn die Form des Geschriebenen oft theoretisch philosophisch anmutet, so stammt sie doch nicht aus einer Philosophie, sondern aus einer Erfahrung, einer Lebenspraxis, und in genau eine solche kann sie vom verständigen Leser wieder umgewandelt werden. Wenn ich nicht selbst den Weg gegangen, die innere Reise durchlebt hätte, und das Ich-in-der-Welt-Sein nicht genauso erleben würde, wie im Text geschildert, dann hätte ich nicht darüber schreiben können. Die Erfahrung des Absoluten ist etwas Universelles, der Weg zu ihr, der Weg, der aus dem Reich der Relativität hinausführt, muss selbst ein relativer sein. Oder anders: Der Weg aus den Illusionen ist selbst ein illusionärer Weg, weil er eine Reise einleitet zu einem Ort, der nie verlassen wurde. Die Reise zum Innersten führt von außen nach innen, von der Form zum Formlosen, von der Endlichkeit zur Unendlichkeit, von der Dimensionalität zur Nondimensionalität, von der Konzeptualität zur Nonkonzeptualität, vom Groben zum Subtilen, vom Konkreten zum Abstrakten, vom Traumleben zum Wachleben, vom Suchenden zum Findenden, von der Selbstaufgabe zur Selbstwerdung, von der Relativität zur Absolutheit, von Vielheit zur Einheit, in der durch und durch alles in allem ist. Alles geht auf dieser Reise verloren, und viel mehr, als das, was verloren geht, wird wiedergefunden. Der “Fund“ lässt den Finder in eine Drittperspektive jenseits von Subjekt und Objekt rutschen, in der er die Dualität von Ich und Welt synergetisch eint. Diesen perspektivischen Zugang einmal freigelegt, wird das Licht der Wahrheit unweigerlich durch ihn einströmen. Weniger geht es um die Wahrheit selbst, als um die Wegbereitung für die Erfahrbarmachung. Für den Absolutheitsfremden, der wenig mit der Negativbestimmung des Absoluten anfangen kann, werden einige der hier angeführten, aus dem Absoluten kommenden, zirkulierende Gedankenfiguren nicht vollkommen, sondern vollkommen absurd anmuten, denn Wahrheit und Wirrheit liegen dicht beieinander. Auch kann gesagt werden, dass nie das gesagt werden kann, was gemeint ist, da der niedergeschriebene Gedanke nicht der Gedanke ist, der zum Niederschreiben veranlasste. Doch hier mein Versprechen: Jeder wird intuitiv aus sich heraus ein Wissen, ein Verständnis über den zentralen, in dieser Abhandlung vorkommenden Gedanken, haben. Diejenigen, die dies nicht glauben, wissen nur noch nicht, dass sie eigentlich doch wissen. Was bedeutet, dass ein Verständnis, auch wenn es noch kein verstandesmäßiges Verstehen ist, wirkt.

      Man höre also hin, denn ich habe nichts zu sagen!

      Oder: Der Inhalt für alle Formen

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      Dieses Kapitel ist das Herzstück der Abhandlung, es ist sowohl das Resultat, als auch der Grundstein, denn es liefert die inhaltliche Ausrichtung für alle weiteren Kapitel. Es empfiehlt sich, dieses Kapitel entweder als erstes, als letztes, oder immer mal wieder zwischendurch zu lesen. Ein kleine, aber für das Verständnis immens relevante Vorabbemerkung: In der Idee dieses Kapitels geht es nicht um Inhalt und Form, sondern für “Inhalt und Form“ geht es um die Idee dieses Kapitels. Damit sollte sowohl auf inhaltlicher, als auch auf formaler Ebene, Inhalt und Form getrennt voneinander verstanden werden. Auch ist die Radikalität der hier zu Formeln verdichteten Transzendenzlehre nicht in dieser Stringenz in den einzelnen Kapiteln vorhanden, obwohl die Ausrichtung durch die Abhandlung hindurch die gleiche bleibt.

      Es gibt nur einen Inhalt, und die vierzehn in der Tabelle links aufgeführten Namen repräsentieren den einen Inhalt. Dieser eine Inhalt denkt sich eine Form aus, um sich als Inhalt präsentieren zu können, doch keine Form ist in der Lage, den reinen Inhalt dazustellen. Die Wörter der rechten Spalte sind die radikalste Möglichkeit ihrer Entsprechung auf der linken Seite. Das hiesige Kapitel über Inhalt und Form ist durch hohe Formalisierung formbereinigt, das heißt, das Verhältnis zwischen Form und Inhalt kann immer jeweils auf das oben angeführte Begriffspaar analog übertragen werden. Je nachdem wie stark formbereinigt eine Begriffspolarität ist, muss der projizierte Zusammenhang von Form und Inhalt auf der Ebene nachjustiert werden, auf die sie projiziert wird. Das Sein und das Seiende ist eine der reinsten Ebenen, in der der Inhalt zum Vorschein treten kann. Selbst und Welt hingegen ist eine eher “unreine“ Ebene, denn sowohl Selbst als auch Welt sind schon in Formverstrickungen verwoben, denn ohne diese Verstrickungen wären sie erst gar nicht. Durch keine formale Ausdrucksebene ist der eine Inhalt lupenrein und zur Gänze sichtbar zu machen, muss doch der Inhalt, um sichtbar zu werden, sich stets in eine formale Struktur einfügen. Exemplarisch möchte ich hier die zentralen Gedanken des Zusammenhangs von Form und Inhalt durch dazu passende Ebenen durchdeklinieren. Theoretisch ist der Analogieschluss auf jede Ebene möglich, praktisch ist er aber auf einigen Ebenen (von ihrer Semantik her) weniger sinnvoll.

      Es gibt nur einen Inhalt, in dem latent alle Formen vorhanden sind.

      Inhalt ist immer unveränderlich zur Gänze vorhanden, und Form gibt es nicht, es gibt lediglich Inhalt, der sich mit Form verwechselt.

      Inhalt ist alles, was sein kann und alles, was ist, und trotzdem wäre Inhalt nichts, wenn er nicht mit Zuhilfenahme der Form in Erscheinung treten würde, damit ist Form für den Inhalt Anfangs- und Endpunkt.

      Form