Marianne Christmann

Nichts ist vergessen


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weil sie zu schnell gefahren sind, aber es gab jedes Mal nur eine Verwarnung. Mehr weiß ich nicht.“

      „Danke, dass Sie uns das mitgeteilt haben. Auf Wiedersehn.“

      Jutta und Jan stiegen in ihr Auto und fuhren zurück zum Kommissariat.

      Kapitel 6

      „Fünf Freunde“, murmelte Jan vor sich hin, „klingt fast so wie die Bücher der gleichnamigen Reihe, die ich früher gelesen habe.“

      „Jan, der fünfte war ein Hund namens Timmi. Außerdem waren zwei davon Mädchen. Das ist doch hier nicht so.“

      Amüsiert sah Jutta ihren jungen Kollegen an.

      „Trotzdem … fünf Freunde, einer davon ist jetzt tot. Ermordet, wie es aussieht. Die Frage ist, wer war es und warum. Welches Motiv steckt dahinter?“

      „Das müssen wir herausfinden. Jan, lade die vier Freunde des Toten vor, sie sollen hierher aufs Revier kommen. So schnell wie möglich.“

      „Wird sofort erledigt.“

      Jan hängte sich ans Telefon und kurze Zeit später hatte er mit allen vieren gesprochen. Er beendete das letzte Gespräch.

      „Ich habe alle vier erreicht. Sie waren sehr bestürzt zu hören, dass ihr Freund tot ist. Sie wussten noch nichts davon. Moritz Sonntag kommt in einer Viertelstunde, die anderen habe ich auf den Nachmittag verteilt.“

      Jutta und Jan bereiteten alles für die Befragung vor.

      „Wie weit sind Sie?“

      Ihr Chef, Jörg Holbe, stand im Türrahmen. Er war ein großer, schlanker Mann mit wachen grauen Augen und schon leicht angegrautem Haar. Jutta brachte ihn auf den neuesten Stand der Ermittlungen.

      „Dann handelt es sich also um Mord?“, fragte er und blätterte den Autopsiebericht durch, den Jutta ihm gegeben hatte.

      „Ja, danach sieht es aus.“

      „Ich kenne Hubertus Rieder, den Vater des Opfers, er gehört zur Haute Volée, wie man so sagt. Da müssen Sie mit sehr viel Fingerspitzengefühl ermitteln. Diesen Herrschaften kann man sehr leicht auf den Schlips treten.“

      „Das kriegen wir hin“, beruhigte ihn Jutta, „es ist nicht das erste Mal, dass wir in den reichen Kreisen ermitteln.“

      „Stimmt“, antwortete ihr Chef, „ein etwas mysteriöser Mordfall, in den, wie sich herausstellte, der Sohn eines Firmeninhabers verstrickt war.“

      „Er war nicht darin verstrickt, er war der Mörder“, korrigierte ihn Jutta.

      „Dann haben Sie ja schon Erfahrung mit solchen Leuten. Sollte es irgendwelche Schwierigkeiten geben, dann kommen Sie zu mir. Ich werde sehen, was ich tun kann.“

      Er nickte seinen Kommissaren freundlich zu und verschwand wieder in seinem Büro.

      Jutta und Jan sahen sich an.

      „Das wird ein hartes Stück Arbeit“, meinte Jan.

      In diesem Moment klopfte es und ein Mann Ende zwanzig betrat den Raum. Er war etwa ein Meter fünfundachtzig groß, schlank und trug legere Freizeitkleidung.

      „Mein Name ist Moritz Sonntag, Sie wollten mich sprechen?“

      Jutta erhob sich und reichte ihm die Hand.

      „Hansen“, sagte sie, „mein Kollege, Herr Römer. Setzen Sie sich doch, Herr Sonntag, dann können wir beginnen.“

      Kapitel 7

      „Was können Sie uns über den Toten erzählen, Herr Sonntag?“, fragte Jutta.

      „Er war mein Freund, genauso wie die anderen auch. Wir kennen uns seit der Grundschule, stammen alle hier aus dem Ort und haben zusammen Abitur gemacht. Studiert hat dann zwar jeder etwas anderes und auch nicht alle an derselben Uni, aber wir haben uns nie aus den Augen verloren oder den Kontakt abgebrochen. Nach dem Ende unserer Studienzeiten haben wir uns alle fünf eine Auszeit genommen und sind zusammen etwas um die Häuser gezogen, einfach um uns klarzuwerden, wie es weitergehen sollte.“

      „Sind denn Ihre Lebenswege nicht schon vorgezeichnet?“, wollte Jan wissen.

      Moritz Sonntag lächelte leicht.

      „Mehr oder weniger schon. Markus, zum Beispiel, sollte die Firma seines Vaters übernehmen, zu gegebener Zeit natürlich und er hat sich auch darauf gefreut. Er hat Physik studiert, das passt doch gut zu einer Firma, die physikalische Geräte herstellt. Was mich selbst betrifft, so habe ich Architektur studiert und will irgendwann mal ein eigenes Architekturbüro haben.“

      „Und die anderen? War es bei denen auch so einfach?“

      „Veit weiß noch nicht, was er einmal machen will, er ist der Globetrotter in unserer Clique, der Sonnyboy, der immer gut gelaunt ist und alles leichtnimmt, alles auf sich zukommen lässt. Jonas soll mal das Autohaus seines Vaters übernehmen, damit war er auch einverstanden, nur mit der Art und Weise, wie sein Vater es führte, war er nicht ganz d’accord.“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Na ja, er will alles etwas modernisieren und auch expandieren, was seinem alten Herrn aber nicht gefällt. Der will immer, dass alles so bleibt, wie es ist. Jonas hat schon ein paar Ideen, wie er alles umgestalten könnte.“

      „Bleibt noch Volker Grundmann. Was können Sie uns zu ihm sagen?“

      „Hm … Volker. Der soll mal die Grundmann-Werke übernehmen. Sein Vater hat das zwar nie so explizit gesagt, aber unterschwellig erwartet er es natürlich. Deshalb hat Volker auch Maschinenbau studiert, aber glücklich war er damit nicht.“

      „Er will also nicht Firmenchef werden?“, hakte Jan nach.

      „Nein, Volker ist mehr künstlerisch begabt. Er liebt die Fotografie und wollte schon als kleiner Junge Fotograf werden. Er macht richtig tolle Aufnahmen und wir sind alle davon überzeugt, dass er es damit auch weit bringen kann.“

      „Und sein Vater ist dagegen?“

      „Volker hatte bisher noch nicht den Mut, mit seinem Vater darüber zu sprechen und das macht ihn fertig. Er hat sich in der letzten Zeit sehr verändert, ist aggressiver geworden, trinkt viel und schimpft nur auf die Firma seines Vaters. Wir machen uns da schon Sorgen. Markus hat vermutet, dass Volker vielleicht Drogen nimmt und wollte sich deshalb mal darüber informieren. Welche Auswirkungen das haben kann und so, im Verhalten zum Beispiel.“

      „Hat er dazu im Internet recherchiert?“

      „Ja, auch, aber er fand, dass da auch ziemlich viel Mist steht. Deshalb ist er in die Buchhandlung und wollte in einem Buch darüber nachlesen.“

      Jutta und Jan sahen sich an.

      „Haben Sie mit Volker über Ihre Vermutungen gesprochen?“, fragte Jutta.

      „Markus und ich haben ihn darauf angesprochen und gefragt, ob er irgendetwas einnimmt, weil er sich verändert hat und ihm auch unsere Hilfe angeboten.“

      „Und?“

      „Er hat äußerst gereizt darauf reagiert, ist uns fast an den Hals gesprungen und hat uns wüst beschimpft.“

      „Wann war das?“

      „Am Abend vorher, da haben wir uns alle zum Essen getroffen und bei dieser Gelegenheit haben ihn Markus und ich darauf angesprochen.“

      „Und was haben die anderen gesagt?“

      „Denen war das auch schon aufgefallen, haben es aber auf den Prüfungsstress geschoben und sich nicht weiter Gedanken darüber gemacht.“

      „Dann waren Sie und Markus also so quasi die Bösen, die ihm etwas anhängen wollten?“, fragte Jan.

      „Wenn Sie es so ausdrücken wollen, ja.“

      „Wussten Sie, dass Markus