Azura Schattensang

Schattendrache


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Allmählich verliere ich die Geduld!“ Eine dunkle Männerstimme dröhnte aus dem Glas. Erschrocken riss Sharon die Augen auf.

      „Das ist Thoumas!“, wisperte sie.

      Constantin nickte und bedeutete ihr still zu sein.

      „Immer mit der Ruhe. Scheinbar hält unsere, ach so geliebte, Königin es doch für nötig, etwas zu unternehmen.“ Die zweite Stimmte gehörte zweifelsfrei dem Rebellenführer namens Jorg. Er machte ein Geräusch als würde er auf den Boden spucken. „Sei es drum. Der Herr wird schon bald neue Befehle aus Mherdon schicken.“ Er kicherte. „Solange ist es unsere Aufgabe, soviel Unruhe zu stiften, wie es uns möglich ist.“

      Thoumas brummte zustimmend. „Hauptsache die Bezahlung stimmt.“ Er hielt einen Moment inne. „Und am Ende des Tages will ich dieses elende Weibsbild am Galgen baumeln sehen. Man, wie ich ihr hübsches Gesicht hasse - schon seit dem Tag, als ich es zum ersten Mal gesehen habe.“

      Jorg lachte laut auf. „Jetzt heiratet sie auch noch diesen Bär von Leibwächter. Wirklich königlich! In welch einer Zeit leben wir denn?“

      „In einer Zeit, in der wir die königliche Familie endgültig stürzen“, antwortete Thoumas glucksend. „Trotzdem - ich frage mich, warum der Herr solch ein Interesse an der Zerschlagung des Königreiches hegt“, murmelte er.

      Jorg machte einen grunzenden Laut. „Wen kümmert's? Er unterstützt unsere Sache und am Ende des Tages streichen wir auch noch einen riesigen Batzen Gold ein.“

      Ein lautes Klopfen unterbrach das Gespräch und eine zarte Frauenstimme erklang. „Ich soll ausrichten, dass die neuen Anwärter eingetroffen sind. Hektor wartet bereits seit einiger Zeit. Ich habe ihm gesagt, dass Ihr Euch noch in einer Besprechung befindet, aber er....“

      „Schon gut“, grollte Thoumas. „Sag ihm, er soll sie herein bringen.“ Die Tür fiel hörbar ins Schloss. „Die Anwärter habe ich doch tatsächlich vergessen.“

      Constantin beendete den Zauber, sprang auf und stellte die Vase zurück.

      „Wir haben genug gehört. Es ist Zeit zu verschwinden“, raunte er Sharon zu.

      Er drehte sich zur Tür, die jedoch bereits geöffnet wurde. Der Mann mit dem Narbengesicht baute sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihnen auf.

      „Verdammt“, zischte Constantin leise und zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht. Sharon hielt den Kopf gesenkt und drückte sich an seine Schulter.

      „Die Anführer wünschen euch zu sehen“, verkündete der Mann.

      Einen Augenblick lang überlegte Constantin, einfach an dem Mann vorbei zurennen und ins Freie zu stürzen. Allerdings wollte er so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen. Vielleicht hatten sie Glück und Jorg und Thoumas erkannten sie nicht.

      Mit einer Hand fuhr er sich über die kratzigen Borsten seines Bartes, den er sich hatte stehen lassen. Sie würden es auf einen Versuch ankommen lassen müssen. Falls ihre Tarnung versagen sollte, würden sie sich notfalls mit Magie einen Weg nach draußen erkämpfen.

      Er griff nach Sharons Arm und zog sie dicht an sich heran, während sie hinaus auf den Gang traten und zur Tür des Nachbarzimmers gingen. Leise flüsterte er ihr seinen Plan ins Ohr und beobachtete währenddessen verstohlen den Mann mit dem Narbengesicht.

      Hinter der Tür zum Nachbarraum lag ein winziger Vorraum, durch den sie in ein geräumiges Zimmer gelangten. Die hintere Wand wurde vollständig von einem deckenhohen Bücherregal verdeckt. Davor stand ein wuchtiger Schreibtisch, hinter welchem sich Thoumas in einem Stuhl lümmelte. Die Füße auf die Tischplatte gelegt, beobachtete er sie mit hinter dem Kopf verschränkten Armen. Jorg stand etwas abseits vor dem Fenster und spähte hinaus.

      „Ihr seid also diejenigen, die sich unserem Kampf gegen die Hexenkönigin anschließen wollen?“, begrüßte Thoumas sie.

      Sharon hielt den Kopf weiterhin gesenkt, während Constantin mit einem Brummen antwortete.

      „Sprich deutlich!“, blaffte Jorg. „Und zeigt gefälligst eure Gesichter, wenn ihr mit uns sprecht.“ Er sah zu Thoumas herüber. „Die Jugend von heute hat anscheinend keine Manieren mehr.“

      Constantins löste den Griff um Sharons Arm und fasste stattdessen ihre Hand, während er langsam die Mütze vom Kopf zog. Sie drückte sachte seine Hand und ließ ihre Kapuze ebenfalls heruntergleiten.

      „Entschuldigt vielmals“, sagte Constantin und straffte die Schultern.

      Thoumas nahm die Füße vom Tisch, setzte sich auf und musterte ihn kritisch. „Dein Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor, Bürschchen.“

      „Ich glaube, da irrt ihr Euch. Vermutlich verwechselt Ihr mich mit jemandem“, wehrte Constantin ab. „Im Übrigen haben meine Frau und ich es uns anders überlegt. Vielleicht sind wir den Rebellen doch keine so große Unterstützung, wie wir dachten.“

      „Das entscheiden immer noch wir“, grollte Jorg und trat näher. „So einfach macht ihr keinen Rückzieher.“

      „Das gibt es nicht!“, entfuhr es Thoumas plötzlich. „Das ist Constantin Korell! Und das blonde Weib...“ Er deutete mit dem Finger auf Sharon.

      „Ganz Recht, ich bin die Hohe Magierin Quoos“, sagte Sharon kalt und reckte das Kinn vor. „Es wird uns eine Freude sein, Königin Aurelia höchstpersönlich von Euren Plänen zu berichten.“ Sie schenkte den beiden ein zuckersüßes Lächeln.

      Thoumas Gesicht lief puterrot an. Plötzlich machte er einen Satz über den Schreibtisch hinweg.

      „Nur über meine Leiche!“ Er landete und sprang auf sie zu. „Männer! Schnappt sie euch!“, brüllte er laut.

      Ein Lichtblitz flammte auf und blendete ihn und Jorg. Constantin hechtete zur Tür und zog Sharon mit sich. Zusammen rannten sie den Gang entlang und zur Eingangstür zurück. Stimmen und Schritte ertönten im Stockwerk über ihnen und aus dem Gang gegenüber stürmten bereits die ersten Rebellen auf sie zu. Sharon machte eine schnelle Handbewegung und ließ den Dielenboden vor den Männern explodieren. Staub und Holzsplitter flogen umher. Erschrocken sprangen die vordersten Männer zurück, sodass die nachfolgenden stolpernd in sie hineinliefen. In einem wilden Knäuel aus Armen und Beinen stürzten sie zu Boden. Lautes Fluchen hallte durch den Eingangsbereich, während Constantin und Sharon die Tür erreichten. Mit einem Ruck riss Constantin die Tür auf, dann sprangen sie hinaus auf die Straße. So schnell es ging, rannten sie die Straßen entlang und zum Gasthaus zurück.

      „Hol unser Gepäck! Ich sattel die Pferde!“, rief Constantin atemlos, als sie das Gasthaus erreichten. Ohne sich umzudrehen, verschwand er in den Stallungen.

      Sharon eilte ins Wirtshaus und spurtete die Stufen zu ihren Zimmern hinauf. In Windeseile hatte sie sich das Gepäck geschnappt und stürzte wieder aus dem Gasthaus hinaus, noch ehe der erstaunte Wirt ihr etwas nachrufen konnte. Draußen wartete Constantin bereits mit den Pferden auf sie. Mit wenigen Handgriffen befestigte er die Taschen auf den Rücken der Tiere, dann half er Sharon in den Sattel, ehe er selbst aufstieg. Mit einem lauten Schnalzen trieben sie die Tiere zu einem flotten Trab an.

      „Kannst du irgendetwas sehen?“, fragte Constantin über die Schulter hinweg.

      „Nein. Nichts...“ Sharon stellte sich in die Bügel und blickte sich um. „Scheinbar haben sie uns nicht verfolgt.“

      Sie trabten um eine Ecke und erreichten die Hauptstraße, die aus der Stadt heraus führte.

      „Kann ich mir fast nicht...“ Ein Pfeil zischte durch die Luft und verfehlte Constantins Kopf um wenige Zentimeter. Zitternd schlug der Pfeil in einer Hauswand ein.

      „Vorwärts!“, schrie er und stieß seinem Pferd die Fersen in die Flanken. Erschrocken machte das Tier einen Satz nach vorne und preschte los.

      Tief über die Hälse ihrer Tiere gebeugt, donnerten sie die Straße hinunter. Immer wieder schossen Pfeile über sie hinweg, die sie jedoch mit deutlichem Abstand verfehlten. Das Stadttor flog an