Irene Dorfner

Hilferuf aus Griechenland


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Das wäre mein Vorschlag. Ist das für dich in Ordnung?“

      Leo war begeistert. Er hatte tatsächlich nicht an einen Leihwagen und einen Zeitplan gedacht. Ursula war nicht nur gut vorbereitet, sondern war bereits aktiv. Außerdem kannte sie auch schon die Adresse seiner Exfrau und die des Hotels, worum er sich bislang noch nicht gekümmert hatte. Wie lange hatten die beiden Frauen miteinander telefoniert?

      „Selbstverständlich bin ich einverstanden.“

      „Dann würde ich jetzt gerne etwas über deine Frau erfahren. Du kennst das ja, erzähl einfach drauf los.“

      „Sie ist ein disziplinierter, intelligenter, gebildeter Mensch. Außerdem ist sie kontaktfreudig, sehr zielstrebig, fleißig und hatte schon immer den Drang, mehr aus ihrem Leben zu machen. Sie interessiert sich für Kunst und Musik, vor allem italienische Musiker haben es ihr angetan. Kerstin achtete früher sehr auf ihre Figur, ging regelmäßig ins Fitnessstudio und in ihre Yoga-Stunden. Vor über sieben Jahren haben wir uns scheiden lassen. Der Grund war ein Mann, den sie in ihrem Fitnessstudio kennengelernt hatte.“

      „Was weißt du über den Mann?“

      „Nicht viel. Er ist ein Geschäftsmann aus Karlsruhe. Was er genau macht, weiß ich nicht und hat mich auch nicht interessiert.“

      „Wie weit traust du deiner Exfrau?“

      „Nicht mal von hier bis zur Tür. Aber wenn Kerstin verzweifelt ist und um Hilfe bittet, dann muss sie tief in der Klemme stecken. Sie ist eine taffe Frau und kann sich sehr gut selber helfen.“

      „Dann habe ich jetzt schon ein ungefähres Bild von ihr. Wobei wir nicht die Tatsache außer Acht lassen dürfen, dass sie dir deinen Sohn verschwiegen hat, was nicht gerade für sie und ihren Charakter spricht. Wir wissen nicht, ob ihr Mann weiß, dass er nicht der leibliche Vater ist. Ich fahre jetzt nach Hause, ich bin hundemüde und würde mich gerne nach dem anstrengenden Tag noch ein paar Stunden hinlegen. Morgen erzähle ich dir von dem interessanten Fall, den ich heute abschließen konnte. Wir haben während des Fluges jede Menge Zeit. Ich werde auch noch packen müssen. Wann holst du mich ab?“

      „Der Flug startet um 5.50 Uhr, ich hole dich um halb drei ab. Dann haben wir genug Zeit, um zum Flughafen zu fahren und dort noch etwas zu frühstücken.“

      „Das käme mir sehr entgegen, denn von dem Fraß im Flugzeug wird mir schlecht. Wenn ich schon von weitem die lappigen Brötchen sehe, werde ich immer an Styropor erinnert und bekomme sofort Zahnschmerzen. Also gut, bis später. Leg dich hin und versuche zu schlafen, du siehst echt beschissen aus, Leo.“

      „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Geplapper lange ertrage. Ursula quasselt ohne Punkt und Komma. Allerdings muss ich zugeben, dass ihre gute Laune ansteckend ist.“

      „Sei froh, dass sie dich begleitet.“

      Leo packte einige wenige Kleidungsstücke und Waschartikel ein. Sein Koffer war nur halb voll. Er konnte nicht schlafen, wartete ungeduldig und lief im Wohnzimmer auf und ab, bis es endlich zwei Uhr war.

      Christine war durch Leos Lärm aufgewacht. Sie hatte erstaunlicherweise gut geschlafen, denn sie wusste Leo in guten Händen. Natürlich wollte sie es sich nicht nehmen lassen, sich von Leo zu verabschieden. Sie drückte ihn fest an sich und ärgerte sich, dass sie nicht einige Jahre jünger war und ihn begleiten konnte. Jetzt konnte sie nur hier sitzen und warten.

      „Ich wünsche dir alles Gute und viel Glück. Keine Sorge, du findest deinen Sohn im Handumdrehen, und zwar gesund und munter. Melde dich ab und zu, damit ich mir keine Sorgen machen muss.“

      Sie zog sich einen Bademantel über und ging mit Leo vor die Tür, drückte ihn nochmals fest und sah seinem Wagen noch lange nach. Natürlich sorgte sie sich jetzt schon. Sie hätte ihn sehr gerne begleitet, aber sie fühlte sich in letzter Zeit nicht wohl und befürchtete, dass sie Leo nur eine Last sein würde. Außerdem wollte sie ihre Pathologie nicht diesem Stümper von Kollegen überlassen, der seit einiger Zeit bei ihr arbeitete. Ihre Pensionierung stand bevor und der Kerl wollte doch tatsächlich ihren Platz einnehmen, was sie um jeden Preis so lange wie möglich hinauszögern musste. Er war in ihren Augen noch lange nicht so weit, um ihre Pathologie zu übernehmen und sie wollte die ihr verbleibende Zeit unbedingt nutzen, um ihm noch so viel wie möglich beizubringen. Sie sah auf die Uhr: kurz vor halb drei. Sie legte sich wieder ins Bett und fand lange keinen Schlaf, denn die Gedanken und Sorgen um Leo und Ursula brachten ihr keine Ruhe.

      Ursula stand mit zwei gepackten Koffern und einer vollgepackten Tasche bereits auf der Straße und winkte wie eine Verrückte. Sie trug einen babyblauen Jogginganzug, den sie immer anzog, wenn sie flog. Um die reichlichen Hüften hatte sie ein rosafarbenes Tuch geschlungen, das sie zur Not um die Schultern legen oder als Decke benutzen konnte. Auf dem Kopf hatte sie eine pinkfarbene Baseballmütze, deren Schild sie nach Belieben zum Schutz gegen die Sonne oder zum Schlafen herunterklappen konnte. Sie reiste gerne bequem und war für alle Eventualitäten gewappnet. Leo musste über diese völlig durchgeknallte Frau lachen. Sie scherte sich einen Dreck um die Meinung anderer und machte nur das, was sie wollte.

      „Um Gottes Willen. Was hast du denn dabei?“

      Leo war sprachlos, mit so viel Gepäck hatte er nicht gerechnet. Den großen Koffer verstaute er neben seinem eigenen im Kofferraum, den etwas kleineren und die große Tasche füllten beinahe den ganzen Rücksitz.

      „Frauen brauchen nun mal viel Gepäck. Außerdem weiß ich nicht, wie das Wetter dort ist und wollte auf jeden Fall für jede Eventualität gerüstet sein.“

      „Das kostet Übergepäck, das ist dir hoffentlich klar?“

      Leo würde niemals für so etwas freiwillig Geld bezahlen. Lieber würde er tagelang in den gleichen Klamotten herumlaufen, oder sich am Urlaubsort neue kaufen, die es zuhauf in den üblichen Läden für Touristen gab.

      „Wir werden sehen. Um das Problem kümmere ich mich erst, wenn es auch eins ist. Lass uns fahren.“

      Auf den Straßen war um die Uhrzeit nicht viel los und sie kamen gut voran. Ursula war putzmunter und erzählte von ihrem gestrigen Arbeitstag in den tollsten Farben. Leo schaltete irgendwann auf Durchzug und hörte nicht mehr zu. Am Münchner Flughafen parkten sie den Wagen und gingen zu ihrem Terminal. Schon von weitem sahen sie den Schalter ihrer Fluggesellschaft und steuerten darauf zu. Die freundliche Dame lächelte ihnen entgegen.

      „Guten Morgen, was kann ich für Sie tun?“

      „Leo Schwartz und Ursula Kußmaul. Für uns wurden Tickets nach Kos hinterlegt.“

      Sie tippte in ihren Computer.

      „Hier haben wir sie, bezahlt wurden sie schon. Bitteschön! Checken sie dort hinten ein.“

      Leo bedankte sich. Bei seiner Rückkehr musste er Christine unbedingt das Geld für die Tickets geben, er hatte gestern nicht daran gedacht.

      „Ihr Gepäck ist zu schwer, pro Person sind nur zwanzig Kilo erlaubt!“

      Die Ansage der Dame kam monoton, beinahe unfreundlich.

      „Haben Sie schlecht geschlafen oder warum sind Sie so pampig? Es ist mir durchaus bewusst, dass mein Gepäck zu schwer ist. Ich bezahle die Mehrkosten gerne. Wenn Sie mir bitte sagen würden, was ich zu bezahlen habe?“

      Die Frau starrte Ursula erschrocken an, fing sich dann wieder und war von nun an sehr freundlich und kooperativ.

      „Sie reisen gemeinsam. Sie haben lediglich acht Kilo, das können wir zusammennehmen. Dann sind nur zehn Kilo Übergepäck zu bezahlen. Das wären dann zweihundert Euro.“

      Leo hatte interessiert zugehört und war über den hohen Betrag erschrocken und wollte einschreiten. Sicher konnte man diesen Aufpreis irgendwie umgehen. Zu seinem Erstaunen aber hatte Ursula bereits den Betrag aus ihrem Geldbeutel gezogen und bezahlte ohne Murren. Sie nahm den Beleg entgegen und bedankte sich.

      „Gehen wir frühstücken? Ich habe einen Bärenhunger. Sieh mal dort hinten, das sieht doch gemütlich und ansprechend aus.“

      Sie