viel später, weiß ich nicht. Vielleicht waren es nur Sekunden, eventuell waren es aber auch Stunden, die wir gerade nebeneinander gesessen sind.
»Was sagst du da? Einen Penny?«
»Ist nur eine Redensart. Storm hat das immer gesagt. Es soll heißen, dass ich dafür bezahlen würde, um zu erfahren, an was du gerade denkst.«
»Mit Geld?«, frage ich und freue mich darüber, wie unbeschwert sie eben Storms Namen ausgesprochen hat.
»Das ist doch nur so eine Redensart. Also rück raus. Was geht in deinem Kopf vor?«
»Ich habe an Halo gedacht und dass ich es nicht fertig gebracht habe, ihn umzubringen. Ich hatte zweimal die Gelegenheit dazu und habe es zweimal nicht tun können.«
»Hättest du es getan, dann hätten wir jetzt vermutlich weniger Probleme.«
»Vielen Dank, dass du mich daran erinnerst.«
»Manchmal muss man über seinen Schatten springen, um die Zukunft zu verändern. Das ist eine Lektion des Lebens.«
Ich schaue sie überrascht an. Wie recht sie doch hat. Wie jämmerlich ich versagt habe. Dann versuche ich mich rauszureden: »Halo weiß etwas, deshalb habe ich ihn verschont«, sage ich, aber in Wirklichkeit bin ich mir nicht sicher, ob das tatsächlich eine standfeste Begründung ist.
»Was soll der denn wissen? Der war doch nur so ein billiger Gesandter einer abgelegenen Forschungseinrichtung.«
»Er sprach von einem Krieg, der schon seit Jahrhunderten zwischen den Rassen tobt. Ich denke, er hat von Menschen und Symbionten geredet und meinte, dass er zu den Guten gehört.« Hope muss laut lachen. Es tut gut, sie wieder lachen zu hören. Auch wenn sie mehr spottet und weniger lacht.
»Halo und zu den Guten zählen? Never! Nie im Leben. Er hat gelogen, um dich zu täuschen, weil er Angst hatte zu sterben.«
»Wahrscheinlich hast du recht. Vielleicht liegt die Wahrheit aber auch dazwischen. Als ich mit ihm gekämpft habe, hat er mich mit einem Messer verletzt, das mir für einige Momente alle Energie aus meinem Körper gezogen hat. Sieh her!«, sage ich und meine Finger beginnen bei dieser bloßen Erinnerung zu beben. Trotzdem streife ich mein Top an der Schulter soweit nach unten, dass Hope die Verletzung sehen kann. »Die Wunde will einfach nicht heilen. Und er hat meine Energie blockiert, so wie du, als wir hier« - ich zeige auf das Stückchen Wald hinter uns - »gerungen haben«.
Hope kommt mir nahe und schaut sich die Verletzung, die mir Halo mit dem Dolch beigebracht hat, genau an.
»Mein Gott, du zitterst ja wie Espenlaub«, sagt sie und streicht zärtlich über die Stelle und nimmt dann meine Hände in ihre Hände, um mich zu beruhigen.
»Jetzt musst du mir auch etwas versprechen.«
»Was denn?«
»Dass du nicht mehr zögern wirst, wenn du ihm wieder begegnest. Er ist keiner von den Guten. Wenn er nicht mehr ist, dann ist die Welt besser dran. Und ich verspreche dir, dass ich das gleiche tun werde. Ich werde den gleichen Fehler kein zweites Mal begehen.«
Ich nicke stumm und schlucke schwer.
»Glaubst du, es gibt noch andere Typen wie Halo?«, frage ich dann.
»Menschen, die nach Macht streben und mehr Dunkelheit als Sonnenlicht in ihr Herz hinein lassen, den Weg des Bösen gewählt haben?«
»Solche Menschen wird es immer geben. Nein, ich meinte Menschen, die uns kennen und jagen. Keine Vollstrecker, sondern die, die die Programme schreiben und die, welche die Befehle aussprechen.« Hope wird ganz ruhig. »Sie werden uns nie in Frieden lassen, habe ich recht?«
»Wir drehen den Spieß einfach um«, sagt sie und grinst wieder, aber ich kaufe es ihr dieses Mal nicht ab. »Du machst das so wie mit dem Obersten. Du verwandelst sie einfach in gute Menschen.«
»Wenn das so einfach wäre«, sage ich matt.
»Freija, du verfügst über enorme Kräfte. Denk doch daran, wie du mich aus den Fängen des Todes gerettet hast. Ich habe wahnsinnig viel Energie gespürt. Weißt du, wie du das gemacht hast?«
»Es war, als hätte ich mich daran erinnert, was ich tun muss.«
»Erinnert? Kannst du dich wieder an alles erinnern?«
»Nein, doch. Nein. Es ist anders. Ich kann das nicht beschreiben. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich die Dinge wiederholen und ich mich daran erinnern kann.«
»So wie ein Déjà-vu?«
»So ähnlich«, sage ich und muss an den schwarzen Vogel denken, den ich zweimal gesehen habe.
»War auf jeden Fall prima, dass du mir das Leben gerettet hast, aber eins muss ich noch loswerden. Du hast grottenschlecht gesungen.«
»Danke.«
»Danke? Hallo Freija, das war doch kein Kompliment.«
»Mir passiert das immer wieder«, fahre ich gedankenverloren fort. »Manchmal glaube ich, dass ich in die Zukunft blicken kann. Aber es fühlte sich alles so echt an, so als hätte ich es schon einmal erlebt, als würde ich mich nur erinnern und nicht in die Zukunft schauen. Es fühlte sich an, als würde ich mich an die Zukunft erinnern.«
»Das liegt daran, dass die Regionen in deinem Kopf, welche die Erinnerungen speichern, die gleichen sind, die aktiviert werden, wenn du über die Zukunft nachdenkst.«
»Du wieder mit deinem enzyklopädischen Wissen«, lächle ich und wechsle jetzt endgültig das Thema. »Erzähl mir bitte mehr davon, was Awokyn über die Irokesen gesagt hat. Ähm, ich meine, in die Luft gemalt hat.«
Hope nimmt eine Handvoll Blätter, steht auf und dreht sich im Kreis, während sie die Blätter fallen lässt und ihr Haar herumschwingt.
»Sie glauben an einen großen Schöpfer, der alle Religionen miteinander verbindet. Der Schöpfer wird als Lebensenergie verehrt und steht in direkter Verbindung mit der Sonne und der Erde. Die Indianer sahen in den Tieren den Ausdruck der Schöpfung.«
»Was für Tiere?«, frage ich grinsend.
»Bären, Adler und auch Wölfe«, sagt Hope, springt vor mir auf alle Viere und starrt mich durchdringend mit ihren dunklen Augen an.
»Manchmal machst du mir Angst!«, gluckse ich.
»Echt?«, raunt sie.
»Hope, diese Völker gab es schon vor über tausend Jahren und sie wussten so viel mehr als die Menschen heute.«
Hope nickt langsam, schaut immer noch wie ein Wolf.
»Wir sollten uns mit einem Irokesen unterhalten. Vielleicht könnte er uns helfen, das eine oder andere Rätsel zu entschlüsseln«, fahre ich fort.
»Das könnte sich als schwierig herausstellen. Autsch!«, beklagt sich Hope, weil ich ihr plötzlich ein Haar samt Wurzel herausziehe. »Was tust du?«
»Es ist schneeweiß«, entschuldige ich mich und reiche Hope das entrissene Haar.
»Oh nein, ich werde alt«, sagt sie matt.
»Hoffentlich uralt.« Ihre Pupillen weiten sich und dann lachen wir beide herzhaft und liegen uns in den Armen und ich spüre so viel Glück und Geborgenheit, dass es mir ganz warm ums Herz wird.
Dann sieht mich Hope wieder mit ihren Hammeraugen direkt an.
»Freija, ich muss dir etwas gestehen.«
»Rück raus!«, sage ich, wie Hope es immer tut.
»Ich liebe dich«, sagt sie dann und ihre Stimme flattert wie ein hauchzarter Schmetterling zu mir herüber und in meinem Bauch fühlt es sich an, als würden dort auch hunderte Schmetterlinge starten und mit ihren Flügeln schlagen.
»Ich liebe dich auch«, erwidere ich leise und die Worte kommen wie ein Flüstern direkt aus meiner Brust, direkt aus meinem Innern.
»Du könntest