Sophie Lang

Violet - Verfolgt / Vollendet - Buch 6-7


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überfordert.

      »Ihre Zellen produzieren Proteine, die ihren gesamten Organismus verändern und verwandeln«, sagt sie und vergrößert das Muster auf dem ersten Screen. »Sieh hier. Bestimmte Genstränge sind aktiv und andere schlummern. Ihre Gene erhalten eine Information, die die Produktion von Proteinen anstößt, die zur Folge haben, dass sich ihre Zellen umprogrammieren und Trish verwandeln. Mal davon abgesehen, dass das eine erstaunliche Erkenntnis ist, weiß ich aber leider nicht, wo die Information herkommt. Ich finde keinen Träger. Nichts, wo ich ansetzen kann. Keinen Botenstoff.«

      »Was meinst du mit erstaunlicher Erkenntnis?«

      »Diese Genstränge, diese Schablonen waren schon immer vorhanden. Sie wurden bisher nur nie aktiviert. Die Schatten-Trish und die menschliche Trish haben die gleiche DNA. Es ist, als würden sich ihre Zellen entschließen, aus Wrackteilen etwas Neues zu erschaffen. Ihre alten Zellen sterben ab, aber aus den Ruinen wird sich etwas anderes erheben, ein Schatten, der den überlebenden Zellen erlaubt, aus der Asche zu entkommen und eine andere Welt zu erleben. Irgendetwas wirkt bei diesem ganzen Prozess wie ein Klebstoff, um das neue Wesen zusammenzubauen.«

      »Aha.«

      »Freija, das bedeutet, dass nicht die Gene uns zu dem machen, was wir sind. Die Gene sind einfach nur Schablonen, Anlagen, die auf eine Information warten, damit sie repliziert werden und Proteine erzeugen, die uns entweder hübsch machen oder groß.«

      »Oder stark, schnell oder uns befähigen Bestien zu sehen.«

      Asha sieht mich an. Ich lese Angst und Traurigkeit in ihren Augen, die sich in nichts von meinen unterscheiden.

      »Oder in Zombies verwandeln. Freija, wenn wir das nicht aufhalten können, dann werden wir sie töten müssen. Das Risiko, dass sie einen von uns infiziert, ist zu groß. Jeder von uns kann sich in einen Schatten verwandeln.«

      »Ich werde mit Flavius darüber sprechen«, sage ich nüchtern und nehme meine kleine, bebende Schwester in die Arme. »Ich kann nichts für sie tun. Ich kann es nur hinauszögern. Es tut mir so leid«, weint sie plötzlich.

      Ich wische ihre Tränen von den Wangen und flüstere: »Schscht, kleine Maus. Alles wird gut. Am Ende wird alles gut. Du wirst eine Lösung finden. Habe einfach Geduld und gib nicht auf.«

      Asha vergräbt sich noch tiefer in meiner Brust, während ich den frischen Duft ihrer violetten Stoppeln aufsauge und wahrnehme, dass sich noch ein anderer Duft mit dem ihren vermischt. Es ist der Geruch von knackendem Eis, einer kühlen Herbstbrise, die mich gefangen nimmt. Es ist Adam. Ich werfe einen Blick über meine Schulter, ohne Asha loszulassen und sehe ihn, wie er vom Einstieg der Höhle zu uns hersieht.

      Er lächelt unwiderstehlich charmant und die psychische Last, unter der wir alle drohen zerquetscht zu werden, ist ihm kaum anzumerken. Wie ich ihn für diese hoffungsvollen, geschwungenen Lippen liebe. Es ist unaussprechlich. Wärme hüllt mich ein und daran ist allein Adam schuld. Etwas verbindet uns. Etwas, das mehr ist, als eine bloße Liebesbeziehung. Es ist ein unsichtbares Band zwischen unseren Körpern gespannt, das uns ständig zueinander hinzieht. Ich lächle, weil es sich so gut anfühlt, wenn er sich in meiner Nähe befindet und ich verdränge die Gedanken an den Fluch der liebenden Symbionten, was mit ihm passieren würde, wenn das Band zerschnitten würde. Das sind nur Gedanken. Nicht an die Zukunft denken. Nur Gedanken. Das was zählt, ist der Moment.

      Seltsam, wie schwach ich mich jedes Mal in seiner Nähe fühle. Fühlen darf, denke ich, denn wenn es darauf ankommt, würde ich zu einer reißenden Bestie werden, um uns und vor allem Adam zu beschützen. Adam kommt näher. Oh Gott, ich kann seiner Aura nicht widerstehen, würde ihm am liebsten um den Hals fallen, aber ich muss Asha festhalten.

      »Ich muss mit dir sprechen, sobald du dich losmachen kannst.« Das ist alles, was er sagt, dann geht er wieder, ohne Kristen eines Blickes zu würdigen. Ich kann ihre Enttäuschung spüren und dann, als Adam verschwunden ist, ihren Hass fühlen, der nur ein Ventil und ein Ziel kennt. Mich.

      Kapitel 3

      »Du kannst mich wieder loslassen. Geh zu ihm.« Ich küsse Ashas Stirn. »Du hast natürlich recht. Wir werden das schon schaffen. Trish wird es schaffen«, sagt sie dann tapfer, aber ihre Augen sprechen über eine andere Zukunft. Eine, in der es für Trish keine Rettung gibt.

      Ich gehe Adam suchen, kann ihn aber nirgends finden. Sollte ich zu Ashas Schlupfwinkel, der Hütte, zurückgehen, die uns allen seit ein paar Wochen Schutz vor der nächtlichen Kälte und der Dunkelheit bietet? Zu mehr wird die Hütte nicht in der Lage sein, sollten die Schatten uns entdecken. Aber dann nehme ich Adams Schwingungen, unsere Verbindung, war. Sie lockt mich in die andere Richtung. Weiter hoch und tiefer in den Wald. Jetzt weiß ich, wo er hin ist und in Gewissheit dessen, was er vorhat, muss ich lächeln. Ich folge seiner Spur bis zu einem mir lieb gewonnenen Platz. Eine Stelle, moosbewachsen, umgrünt, beschützt. Ein Ort, der nur Adam und mir gehört.

      Ich nähere mich lautlos durch das Unterholz. Mache mich unsichtbar, weil ich es kann und weil ich es liebe, Adam zu überraschen, oder vielleicht auch, weil es mich fasziniert, ihn aus dem Verborgenen zu beobachten. Ich bin da, spähe aus meinem Versteck durch die Büsche auf den romantischsten Fleck dieser Erde. Saftiges Moos verwandelt den Boden zu einem himmlisch weichen Bett. Bizarre Pilze und Farne wirken jedes Mal aufs Neue exotisch und einzigartig. Adam sitzt im Schneidersitz in der Mitte und blickt direkt in meine Richtung. In meine Richtung?

      Jetzt lächelt er, so wie nur er es vermag. Ich stürme aus dem Versteck, schubse ihn um und werfe mich auf ihn.

      »Du Schuft! Kannst du mich etwa sehen?« Adam lacht.

      »Nein, das nicht, aber ich kann es auch spüren, wenn sich der Abstand zwischen uns verringert.« Ich streiche ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Küsse ihn auf den Mund.

      »Was soll das heißen, du spürst es auch?«

      »Weil du es fühlen kannst.«

      »Bist du etwa der erste männliche Symbiont auf diesem Planeten, wenn du so fühlen kannst wie ich? Oder hast du hellseherische Fähigkeiten?« Er zieht mich an sich.

      »Nein, ich bin nur unsterblich in dich verliebt. Willst du mich küssen?«

      Ja. »Nein.«

      Er lacht. »Lügen haben kurze Beine«, sagt er, faltet seine Hände hinter dem Kopf und seine Augen funkeln. Jetzt würde ich ihn gerne mit etwas bewerfen, doch dann wirbelt er mich herum, weil ich es zulasse, es mittlerweile verstehe, meine Kräfte einzuschätzen und mich im richtigen Moment zu entspannen. Ich befinde mich unter ihm und unter seinen Küssen, mit denen er mich tausendfach eindeckt. Meine Stirn, Augen und Mund. Dann meinen Hals und Schlüsselbein und während er mich auszieht, auch meine Brüste und die sensible Haut um meinen Bauchnabel herum. Er sucht alle meine Tattoos und findet sie mit seinen weichen Lippen. Plötzlich kann sich keiner von uns beiden noch länger zurückhalten und wir reißen uns gegenseitig so schnell die Kleider vom Leib, dass es mir vorkommt, als könnte jeden Moment die Welt untergehen und wir würden keine Zeit verlieren, um uns ein letztes Mal zu lieben.

      Er verschlingt meinen Körper mit seinem gierigen, wundervoll zärtlichen Mund und ich muss atmen, um nicht daran zu ersticken. Seine Hände erkunden meine nackten Beine, meine Oberschenkel.

      Und seine Lippen! Ich bin nicht fähig, seinen Küssen stand zu halten und atemlos zu ertragen. Ich fühle mich mehr denn je wie ein Mensch, wie eine Frau. Und jede einzelne seiner himmlischen Liebkosungen fühlt sich an, als wäre er imstande mich mit ihr umzubringen. Ich bin völlig überfordert, hilflos und halte es nicht mehr aus, dränge mich an ihn, um ihn noch näher zu spüren. Nie mehr wird es ein viel zu nah zwischen uns geben.

      Adam ist so einfühlsam und ich erwidere sein Begehren aus ganzem Herzen. Wir lieben uns mit einer Zärtlichkeit, als würden sich ganze Sonnensysteme zusammentun und neue Galaxien daraus entstehen. Wir vereinen uns, halten uns so fest aneinander, als hätten wir einen Tsunami zu befürchten, der den Partner wegspülen würde, würde sich die Umklammerung nur für einen winzigen Bruchteil einer Nanosekunde lockern.

      Und