Irene Dorfner

Die Affäre Mollenkopf


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und den Umgang mit den Kunden näher zu bringen, leider erfolglos. Ich hätte seinerzeit wirklich mehr auf meine Eltern hören sollen. Die haben mir gleich gesagt, dass Alexandra nichts für das Geschäft ist. Aber was soll ich Ihnen sagen? Die Liebe war damals eben stärker.“

      Das sollte gefühlvoll und liebevoll klingen, ging aber völlig in die Hose. Viktoria spürte sofort, dass Frau Alexandra Mollenkopf das schwarze Schaf hier war. Und so, wie Herbert Mollenkopf über diese Heidi Schmidt sprach, lief etwas zwischen den beiden, darauf könnte sie wetten.

      „Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, was die Aufgabe Ihrer Frau hier genau ist. Nach Ihrer Beschreibung ist Frau Schmidt Ihre rechte Hand und Frau Hiendlmaier und Frau Knabel sind für den Verkauf zuständig. Ich kenne mich im Einzelhandel nicht aus, aber was bleibt denn da noch übrig?“

      „Herrgott nochmal, Sie wollen aber alles genau wissen, obwohl ich nicht verstehe, was das mit dem Einbruch zu tun hat. Meine Frau macht eben alles, was sonst noch so anfällt. Sie geht zur Bank, zur Post, räumt die Regale ein, bringt die Kleidung von den Kabinen wieder zu den Kleiderständern, putzt, kocht Kaffee…“

      Viktoria war sprachlos, wie selbstverständlich Herbert Mollenkopf über die Arbeit seiner Frau sprach, und wie teilnahmslos seine Miene dabei war. Diese Ehe war offensichtlich am Ende und wurde nur wegen des Geschäfts aufrechterhalten.

      „Können Sie mir sagen, wann Sie mit Ihrer Arbeit fertig sind? Ich muss das Geschäft öffnen, wir sind mitten im Winterschlussverkauf und die erste Frühjahrsmode ist bereits eingetroffen.“

      Dieser Mensch war wirklich unglaublich. Mit einem Kopfschütteln und ohne eine Antwort ließ sie ihn zurück.

      Inzwischen liefen die Befragungen der Angestellten und Frau Mollenkopfs. Hans Hiebler hatte sich sofort die äußerst hübsche und sehr aufreizend gekleidete Heidi Schmidt vorgenommen und sich mit ihr abseits gestellt, um sich mit ihr in Ruhe unterhalten zu können.

      „Wann sind Sie heute gekommen?“

      „Ich kam zufällig fast zeitgleich mit Herbert, ich meine natürlich mit Herrn Mollenkopf.“

      Frau Schmidt war es sehr peinlich, dass sie sich gleich mit ihrem ersten Satz verplappert hatte und die Vertrautheit zwischen ihr und dem Chef mehr als offensichtlich werden ließ. Hans reagierte nicht darauf und dachte sich nur seinen Teil, denn in seinen vielen Berufsjahren war ihm schon weit Schlimmeres begegnet und im Grunde genommen war ihm nichts mehr fremd. Für ihn war sowieso schon vollkommen klar: Mollenkopf und Frau Schmidt hatten ein Verhältnis. Vorhin hatte er bemerkt, dass die beiden sehr vertraut miteinander sprachen und umgingen, er hatte einen guten Blick für solche Kleinigkeiten. Mit seinen zweiundfünfzig Jahren und der 1,80 Meter großen, sportlichen Figur war Hans Hiebler eine imposante und auffällige Erscheinung und ein absoluter Frauenheld. Aber seit dem Tod seiner letzten Freundin, der sich als Mordfall herausstellte und an dessen Aufklärung er selbst mitgewirkt hatte, hielt er sich Frauen gegenüber zurück und wollte seine Ruhe haben. Die Gerichtsverhandlung des Täters, zu der er vor drei Tagen die Zeugenvorladung bekommen hatte, fand in wenigen Wochen statt. Er schlief sehr schlecht, denn die schrecklichen Ereignisse und Bilder wurden wieder sehr lebendig und ließen ihm keine Ruhe. Der Tod seiner Doris war noch nicht lange her und schmerzte immer noch sehr. Sie war für ihn die richtige Frau gewesen, davon war er fest überzeugt. Sie war grundehrlich, bescheiden, witzig und überaus herzlich, alles Eigenschaften, die Heidi Schmidt nicht besaß. Er musste die Gedanken an seine Doris wegwischen und sich zwingen, sich seiner Arbeit zu widmen, was ihm aber sehr schwerfiel.

      „Was ist genau Ihre Aufgabe bei Mode-Mollenkopf?“

      „Ich bin die Sekretärin und arbeite eng mit Herrn Mollenkopf zusammen. Wir kümmern uns um den Einkauf, die Buchhaltung, Werbung und so weiter. Das übliche eben, das neben dem Ladengeschäft gemacht werden muss. Im Laden bin ich nur selten und pflege keinerlei Umgang mit Kunden. Es sei denn, es handelt sich um besondere Kundschaft, dann kümmern wir uns natürlich persönlich.“

      „Aha. Und was sind besondere Kunden?“

      Hans ärgerte sich über diese Ungleichbehandlung. Für ihn war es nämlich undenkbar, Kunden in verschiedene Kategorien und Wertigkeiten einzuteilen. Geld ist Geld, ganz gleich, von wem es kommt.

      „Der Herr Bürgermeister und seine Gattin kommen sehr gerne zu uns, und viele wichtige Personen der Mühldorfer Gesellschaft. Erst kürzlich hatten wir einen Schlagersänger bei uns. Den Namen kann ich Ihnen natürlich nicht nennen, Diskretion ist bei uns oberstes Gebot. Für diesen erlesenen Kundenkreis sperren wir schon mal für eine Stunde das Geschäft zu oder sind auch gerne bereit, vor oder nach Ladenschluss zu arbeiten.“

      Heidi Schmidt sprach so, als würde auch ihr der Laden gehören.

      „Dann sind Sie also mit Herrn Mollenkopf liiert?“

      Frau Schmidt errötete, diese Frage war ihr sehr unangenehm.

      „Nein! Was denken Sie von mir? Das dort hinten ist Frau Mollenkopf, ich bin hier nur die Sekretärin.“

      „Ja genau“, dachte sich Hans. Er konnte dieses überhebliche, dumme Geplapper nicht mehr ertragen und musste den Redeschwall bremsen, was ihm mit dem Frontalangriff auch gelang. Nun stand sie errötet und beinahe eingeschüchtert vor ihm. Von dem selbstbewussten, fast künstlichen Auftreten war keine Spur mehr zu sehen.

      „Ist Ihnen in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“

      Sie überlegte lange, wobei sie immer noch um Fassung rang.

      „Nein, mir ist nichts aufgefallen.“

      „Da Sie ebenfalls im Büro arbeiten, wissen Sie sicher, was sich in dem Safe befand beziehungsweise was gestohlen wurde?“

      „Ja, natürlich weiß ich das. Bargeld in Höhe von 142.000 Euro, die Goldmünzen im Wert von circa 20.000 Euro und der Schmuck von Frau Mollenkopf. Herbert, entschuldigen Sie, ich meine natürlich Herr Mollenkopf, hat bereits mit der Versicherung gesprochen, die eine genaue Aufstellung über die einzelnen Stücke und deren Wert erstellen wird.“

      Das klang für Hans abgesprochen. Wie auch seiner Kollegin vorher, kamen ihm diese Wertgegenstände und die hohe Summe Bargeld unglaubwürdig vor. Offensichtlich bemerkte Heidi Schmidt, dass Hans ihr nicht glaubte.

      „Sie können gerne die Bücher einsehen und alles überprüfen. Wir sind ehrbare, angesehene Menschen, und keine Betrüger.“

      Hans konnte nicht einschätzen, ob sie nun log, oder nicht. Aber das alles würden sie später überprüfen, jetzt wollte er nur Fakten sammeln.

      „Was können Sie mir über das Blut sagen?“

      „Blut? Welches Blut?“

      Sie schrie fast und schien überrascht. Oder war es nur Unsicherheit?

      „Vielen Dank, Frau Schmidt, wenn wir noch Fragen haben, kommen wir wieder auf Sie zu.“

      Werner Grössert hatte die Befragung von Käthe Hiendlmaier übernommen, auch, weil er sie persönlich kannte.

      „Guten Morgen Herr Grössert, der Anzug steht Ihnen ausgezeichnet.“

      „Danke, Frau Hiendlmaier, den haben ja auch Sie ausgesucht. Anfangs war ich skeptisch, ob mir die Farbe steht, aber auch meine Frau ist begeistert.“

      „Wie geht es Ihrer Frau? Ist sie immer noch in Bad Reichenhall in der Klinik?“

      Werner Grössert nickte. Die Frau des achtunddreißigjährigen, 1,75 Meter großen, gepflegten und sehr modisch gekleideten Mannes litt unter einer schweren Hautallergie, die in Schüben verstärkt auftrat und sie daher zwang, immer wieder in Spezialkliniken behandelt zu werden. Es ging ihr aber deutlich besser, sie durfte heute die Klinik verlassen und kam endlich wieder nach Hause. Werner Grössert hatte deshalb sehr gute Laune und für abends extra einen Tisch in einem noblen Restaurant reserviert. Werners Frau war von seinen Eltern, angesehenen Rechtsanwälten in Mühldorf, nicht sehr gerne gesehen. Sie hatten sich für ihren Sprössling eine bessere Partie erhofft. Ihre Abneigung galt nicht nur der Schwiegertochter, sondern auch