Irene Dorfner

Die Affäre Mollenkopf


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      „Warum sollte das nicht gehen? Kommen Sie, junge Frau, ich lade Sie natürlich ein.“

      Sie standen vor einem kleinen Café. Er hielt ihr charmant die Tür auf und ein Lächeln huschte über das hübsche Gesicht. Sie setzten sich in eine ruhige Ecke und bestellten Cappuccino, wobei sie sich zunächst über belanglose Dinge unterhielten. Nur langsam taute Frau Mollenkopf auf, was auch daran lag, dass hier keine Gäste waren, die ihr bekannt vorkamen.

      „Als ich jung war, hatte ich große Pläne,“ schwärmte sie mit verträumtem Blick. „Ich hatte gerade mein Abitur in der Tasche und mich an der Kunstschule in Wien eingeschrieben. Können Sie sich vorstellen, dass ich die Aufnahmeprüfung ohne große Probleme bestanden habe?“

      „Natürlich kann ich mir das vorstellen, sehr gut sogar.“

      „Ich habe schon als Kind sehr gerne gezeichnet und meine Eltern haben mich dazu motiviert, meiner Neigung und Begabung zu folgen.“

      „Und dann ist Ihnen Ihr Mann über den Weg gelaufen?“

      Alexandra Mollenkopf wurde immer gesprächiger. Offensichtlich tat es ihr gut, dass sich jemand für sie interessierte. Hatte sie sonst niemanden, mit dem sie reden konnte?

      „Ja, dann lief mir Herbert über den Weg. Was war ich damals verliebt. Er war ein großer, stattlicher Mann, der mir die Welt zu Füßen legen wollte. Wenn Sie ihn damals gekannt hätten, würden Sie mich verstehen. Herbert war ein ganz anderer Mann, als heute. Er hat mich die ersten zwei Semester unterstützt, wo er nur konnte und wir hatten gemeinsam sehr viel Spaß. Dann wurde ich schwanger und wir haben geheiratet. Ich habe mein Studium abgebrochen. Meine Schwiegereltern hatten mich davon überzeugt, dass ich in dem Modegeschäft besser aufgehoben wäre. Was war ich damals naiv und dumm. Meine Eltern, Gott hab sie selig, hatten mich gewarnt und mich eindringlich gebeten, geradezu angefleht, diesen Schritt nicht zu tun, denn sie hatten Herberts Eltern kennengelernt und mochten sie überhaupt nicht. Sie wollten unbedingt, dass ich mein Studium fortsetze, haben mir ihre Hilfe mit dem Kind angeboten. Aber ich dumme Kuh wollte damals nicht auf meine Eltern hören. Seitdem bin ich in Mühldorf.“

      „Ihr Mann behandelt Sie nicht gut? Entschuldigen Sie meine Indiskretion, aber ich sehe bei Frauen sofort, wenn sie unglücklich sind. Und ich habe lange keine so unglückliche Frau mehr gesehen.“

      Alexandra Mollenkopf sah Leo lange an.

      „Sie sind wirklich ein sehr netter Mensch, Herr Schwartz. Verzeihen Sie meine Direktheit, aber Sie sind überhaupt nicht so, wie ich mir einen Kriminalbeamten vorstelle. Mit Ihrem lustigen, schwäbischen Akzent haben Sie es zwischen all den alteingesessenen Bayern sicher nicht leicht. Ich spreche da aus Erfahrung. Ich komme aus Österreich, genauer gesagt aus Linz. Es hat viele Jahre gedauert, bis man mich hier akzeptiert hat. Die Österreicherin hat man mich früher immer genannt, und auch heute höre ich die Bezeichnung noch ab und an. Ja es ist richtig, meine Ehe ist schon lange vorbei und Herbert demütigt mich, wo er nur kann. Aber ich muss wegen des Geschäfts durchhalten. Was soll ich alleine machen? Ich habe nichts gelernt und kann mich niemals alleine über Wasser halten. Von meinem Mann habe ich nichts zu erwarten, dafür hat er schon vor vielen Jahren gesorgt und das reibt er mir bei jeder Gelegenheit unter die Nase. Ich kann also nicht anders und muss durchhalten und versuchen, zu überleben.“

      „Man hat immer eine Wahl, man braucht nur Mut und Willenskraft. Von beidem haben Sie leider nicht viel, das tut mir sehr leid. So gerne ich hier mit Ihnen sitze und mich mit Ihnen unterhalte, muss ich nun leider auf die Arbeit zurückkommen. Was wurde bei Ihnen gestohlen? Was war in dem Safe?“

      „Gute Frage. Das weiß ich nicht. Ich habe keinen Zugang zu dem Safe und hatte damit nie etwas zu tun. Meine Aufgabe bezüglich des Geldes bestand lediglich darin, die Tasche mit den Tageseinnahmen zur Bank zu bringen, wobei mich die Summe nicht zu interessieren hatte. Ich habe auch keine Bankvollmacht oder sonstige Befugnisse, die wurden mir schon lange alle entzogen. Auch daran werde ich von meinem Mann ständig erinnert. Herbert macht mir immer wieder klar, wo mein Platz ist. Ganz unten.“

      „Sie haben keinen Schlüssel für den Safe? Sorry, aber das ist ziemlich dumm, zumal dort ihr Schmuck lag.“

      „Ja, das ist für Außenstehende nur schwer zu verstehen, ich verstehe es ja selbst nicht. Ich habe wirklich keinen Schlüssel für den Safe. Meines Wissens nach haben nur Herbert und Frau Schmidt einen. Anfangs habe ich nachgefragt, um einen Schlüssel gebeten, aber Herbert hat abgelehnt. Ich habe wirklich versucht, alles wieder irgendwie hinzubiegen. Ich habe mich angestrengt, mich in das Geschäft zu integrieren, habe Tag und Nacht geschuftet. Aber vergeblich. Ich konnte Herbert nichts recht machen, wir konnten uns irgendwann nicht mal mehr normal unterhalten, ohne dass er ausfallend wurde. Inzwischen habe ich längst aufgegeben.“

      „Wir haben Blutflecken auf dem Boden gefunden.“

      „Blutflecken? Erst gestern Abend habe ich den Boden gewischt und von Blut war da keine Spur. Deshalb hat Ihr Kollege also so einen Wind gemacht? Er hat Blutspuren auf unserem Boden gefunden? Woher kommen die?“

      Frau Mollenkopf schien ehrlich überrascht. Offensichtlich hatte sie sich bereits Gedanken darüber gemacht, was die Spurensicherung gefunden hatte.

      „Sie wischen den Boden? Wurden Sie auch zur Putzfrau degradiert?“

      „Das macht mir nichts aus, es ist eine Arbeit, wie jede andere auch. Ich habe Probleme damit, mit Kunden umzugehen. Diese Arbeit ist mir unangenehm und liegt mir nicht. Ehrlich gesagt, hält sich mein Interesse für Mode in Grenzen, da ist es mir schon lieber, zu putzen. Sie müssen mir glauben, dass auf dem Boden wirklich kein Blut war. Was ist nur während des Einbruchs geschehen? Denken Sie, dass jemand verletzt oder gar umgebracht wurde?“

      Sie sah ihn angsterfüllt an.

      „Wir werden der Sache auf den Grund gehen. Über Ihren Mann und Sie konnte ich mir jetzt schon ein ungefähres Bild machen. Was können Sie mir über die anderen Mitarbeiter erzählen?“

      „Käthe ist eine ganz Liebe, ich mag sie sehr gerne. Von Anfang an hat sie es immer gut mit mir gemeint, obwohl sie damals selbst in Herbert verliebt war, das habe ich sofort gespürt. Mit Frau Schmidt habe ich nicht viel zu tun. Wenn wir uns sehen, ist sie immer höflich und freundlich zu mir. Die kleine Petra ist noch nicht lange bei uns und hat immer tolle Ideen und Vorschläge, wobei sie sich regelmäßig mit meinem Mann in die Haare kriegt. Ich bewundere Petra sehr für ihren Mut und ihre Zielstrebigkeit, aus ihr wird noch was werden. Allerdings nicht bei uns, denn Herbert ist ein Sturschädel und erlaubt keinerlei Änderungen. Käthe war früher ähnlich wie Petra, hat aber längst aufgegeben und fügt sich dem Diktat meines Mannes. Auch sie würde vieles anders machen, das hat sie mir immer wieder in persönlichen Gesprächen gestanden. Aber sie hat nur noch wenige Jahre bis zur Rente und möchte sich die Zeit nicht mehr schwermachen. Sie hat schon vor vielen Jahren begriffen, dass mit meinem Mann nicht zu reden ist, dass es sich nicht lohnt, Vorschläge vorzubringen. Dabei hat sie zusammen mit Herbert früher durchaus einiges auf die Beine gestellt. Aber das ist lange her.“

      Leo verstand und sie schwiegen einige Minuten.

      „Woher kommt dieser Hass Ihres Mannes?“

      Alexandra Mollenkopf suchte nach Worten und blickte nur auf ihre Kaffeetasse.

      „Unser Sohn ist damals im Kindbett gestorben, er wurde nur wenige Tage alt. Ich kam ins Krankenhaus, weil bei mir Komplikationen aufgetreten sind. Die Ärzte haben mir dringend von einer erneuten Schwangerschaft abgeraten und ich habe mich sterilisieren lassen, wozu mir meine Eltern geraten haben. Sie hatten mich geradezu angefleht, diesen Eingriff umgehend vornehmen zu lassen. Ich musste mich binnen weniger Minuten entscheiden. Natürlich habe ich versucht, meinen Mann um Rat zu fragen. Aber ich konnte ihn nicht erreichen, er war damals bei einer Modemesse in Italien. Herbert hat erst zwei Tage später vom Tod unseres Sohnes und von der Sterilisation erfahren. Er war am Boden zerstört. Die Trauer um unseren Sohn hat ihn fast umgebracht. Seine Eltern hatten den Tod ihres Enkels hautnah mitbekommen und waren ebenfalls bestürzt, sie liebten den Kleinen abgöttisch. Aber dann erfuhren sie von der Sterilisation und machten mir noch im Krankenhaus heftige Vorwürfe. In ihren Augen hatte