Günther Dümler

Mords-Wut


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in Händen hielt, hatte der Peters Ansage stattgegeben. Jetzt musste sich nur noch zeigen, welcher der drei Freunde die aufgerufene „Alte“, wie die Eichelsau kurz genannt wurde, in seinem Blatt hatte. Natürlich durfte sich der Betreffende weder mündlich, noch durch irgendwelche Zeichen zu erkennen geben. Das musste sich im Laufe der Spielrunde von selbst ergeben. Andererseits gab es schon ein paar untrügliche Anzeichen, die, ohne es offen auszusprechen zu müssen, klar machten, welcher der drei Mitspieler derjenige welcher war. Zum Beispiel, wenn Peter einen unschlagbaren Trumpf ausspielte und ein nachfolgender Spieler eine sehr hohe Karte dazu warf, obwohl er wahrscheinlich auch anders gekonnt hätte, er also seinem Partner ordentlich schmierte, dann waren die Fronten klar.

      Lothar musste zuerst ausspielen, weil er links neben dem Geber saß. Triumphierend drosch er den Eichelober, also den höchsten Trumpf, den es im Schafkopf gibt, auf den massiven Wirtshaustisch. Hätte er nicht auch die gesuchte Eichelsau gehabt und damit Peters Partner gewesen, dann wäre dies ein Verstoß gegen ein ungeschriebenes Gesetz unter den Schafkopfern gewesen, demzufolge nur der Rufer und sein Partner das Spiel mit Trumpf eröffnen sollten. Das steht so zwar nicht in den offiziellen Regeln, wird aber allgemein so gehandhabt. Also war jetzt klar, Peter und Lothar gehörten zusammen.

      Die beiden gewannen ihr Spiel sicher und da sie zusammen auch noch sechs Laufende hatten, also alle vier Ober, dazu beiden höchsten Unter, also den Eichel- und den Grasunter, wurde die Rechnung für Simon und Iwan zudem noch ziemlich happig.

      „Naja, trifft ja kann Armen“, meinte Peter gut gelaunt ob des reichlichen Gewinns, während Iwan im Spaß zurückgab, dass er, ginge es so weiter, bald seinen Ruhestand aufgeben und wieder auf See anheuern müsste. Doch das waren natürlich nur launige Bemerkungen. Nicht zuletzt um deren Willen trafen sich die Freunde zum Karteln. Bei ihnen spielte die Unterhaltung vor und nach jedem Spiel eine wichtige Rolle, schließlich sollte das Spiel der Entspannung dienen. Während des laufenden Spieles durfte aber nicht gesprochen werden. Es gibt natürlich auch andere, verbissene Kartelrunden, bei denen den ganzen Abend über jeglicher Laut verpönt ist und Zuwiderhandlungen zum Ausschluss des Betreffenden führen.

      Die Zeit war mittlerweile schon etwas fortgeschritten und bei Iwan und Lothar, die als Junggeselle beziehungsweise Witwer zuhause nicht bekocht wurden, machte sich langsam der Hunger bemerkbar. Man unterbrach das Spiel, damit sie ihre üblichen Drei mit Kraut, natürlich alles aus Bräunleinscher Qualitätsherstellung, in Ruhe verzehren konnten. Jetzt war auch die Zeit, sich etwas ausgiebiger zu unterhalten und die Neuigkeiten der letzten Woche auszutauschen.

      „Also, ich wass nedd, dass etzerla die Madla a scho zum Zeldn müssn. Zu unsrer Zeid war doch dess ausschließlich woss für uns Boum. Die Madla homm doch immer blouß so komische Hubfschbiele gmachd, die kein vernünfdicher Mensch verstandn hodd“, meldete sich Simon zu Wort.

      „Naja, dee Grubbn, dee etz mit der Reinwalds Barbara ford iss, die sinn scho alle zwischer Sechzehn und Achtzehn, dou sinn die Madla früher a nimmer mit die Gummibändler auf der Strass rumghubfd. In denn Alder, dou homms scho Danzschule und schminkn im Kobf ghabd und die aane odder andere hodd nadürli a scho heimlichen mit an Freind rum bussierd“, gab Peter zu bedenken. „Also unser Heidi, dee hodd in dem Alder fast alldooch aufgmuckd, wall ihr der Minirock, den ihr die Marga grad noch so erlaubd hodd, nedd kurz genuch war. Und außerdem hommer etz eine Emanzibazion, die nächste Generation von die Boum doud mer etz scho Leid. Wahrscheinlich homm dee armer Schlucker amal gar nix mehr zu soogn. Die Hausarbeid werd wahrscheinlich von der Frauenbeaufdrachdn der Regierung irgndwann amal als handwerkliche Däädichkeid eigstufd werdn und dann kenner dee armer Kerl die Küchn aa nu übernehma, während ihre Gaddinen auf der after-work-Party rumlungern. Wer wass, woss die Zukunfd nu alles bringt.“

      Und nach einer gedanklichen Pause fügte er hinzu: „Abber was solls, warum solln dee Madla nedd a gern amal a Wochn odder zwaa in der Nadur draussen sei wolln?“

      „Schon“, warf der Iwan ein, der aufgrund der Tatsache, dass er fast sein ganzes Leben fernab der Heimat verbracht hatte, ein nahezu astreines Hochdeutsch, allenfalls mit einem klitzekleinen hanseatischem Einschlag sprach. Wenn ihm also ein Dialektbrocken herausrutschte, dann war es eher einmal ein norddeutscher Ausdruck, den er von seinen zur See fahrenden Kollegen aufgeschnappt hatte.

      „Aber ich möchte nicht die Verantwortung für eine ganze Schar hübscher, junger Deerns übernehmen. Allein unter sich, fernab vom nächsten Ort, da braucht ja nur ein Spinner auf falsche Gedanken kommen, was dann? Heutzutage haben sie ja alle Handys, aber bis Hilfe kommt, kann weiß Gott was passiert sein. Naja, die werden schon wissen, was sie machen.“

      „Ja, so a Handy wenn mir damals ghabd häddn, dann wär einiges leichder gwesn. Damals! Wassd ers nu, Beder, wie mir seinerzeid mit der Landjugnd auf Zeldn warn und vom Kaplan Müller und a paar Burschen aus unserm Dorf überfalln wordn sinn?“, gab Lothar zu bedenken. „Seinerzeid warn mir über die Pfingsdferien in der Fränkischen mit die Zelde“, erklärte er den Freunden. „Jede Nacht hommer Wache gschobn, weil a zümfdicher Überfall, der hodd einfach derzou ghörd. Derhamm, wemmer sie mit die Freind drüber underhaldn hamm, da war des einfach blouß romandisch, so Karl-May-mäßig ebn, aber ganz allaans in der finsdern Nachd, dou war des woss ganz woss anders. Also ich hobb ganz schee zidderd, abber nedd vo der Käldn.“

      „Und dann“, fuhr Peter, der sich ebenfalls gut an den Vorfall erinnern konnte, fort, „wie in der Nachd auf aamal anner Alarm geschrien hodd, dann simmer alle raus aus die Schlafsäck und ins Freie grennd. Finsder wars und meisdns simmer mehr selber über die Zeldschnür gschdolbert, als dass die Angreifer an Schadn gmachd häddn. Abber der Wimmer Manne, wassd ers nu, der hodd an von dee Angreifer von hindn gsegn und hodd nern glei mit sein drummer Steggn anne auf Kobf nauf ghaud, grad in dem Momend wo der sich umdrehd hodd.“

      „Genau so wars“, lachte Simon in Erinnerung an das was danach geschah. „Dass dess der Kaplan selber war, hommer natürli erschd gmergd, wie er sei Kaputzn runter zogn und brülld hodd: Aufhören, in Gottes Namen sofort aufhören, ich bin doch der Kaplan Müller! Es war ja noch a Riesenglück, dass der Manne nedd glei mit sein Fahrdnmesser handiert hodd. Dess hodd er doch sonsd garnedd aus der Hand gebn. Stelld eich amal vor, der hätt den Kabbo aa noch derstochn. Hodd ja so schon glangt, dass er dernoch a mordsdrummer Veilchen und a bluudiche Blatzwundn übern Aug ghabd hodd.“

      Die Tränen liefen ihm vor Lachen über sein Gesicht. So lustig fand er die Geschichte im Nachhinein, mit dem Wissen, dass damals alles noch glimpflich ausgegangen war.

      „Ich hobb dann ins Dorf renner müssn, dass mer vom Wirdshaus aus an Doggder anrufn hodd könner, weil dee Wundn hodd ja unbedingd gnähd werdn müssn“, setzte Peter die Erzählung fort. „Aber des allerschönsde war dann am nächsdn Tag, wie der frisch zsamm gflickde Kaplan die Feldmesse ghaldn hodd. An dem Tag is ausgrechned dess Maddäus-Evangelium dran gwesn, Kabiddl fünf, Vers neununddreißig, wassi nu wäi heid: „Widersteht nicht dem Bösen, sondern wenn dich einer auf die linke Backe schlägt, dann halte ihm auch die andere hin“. Dem sei Gsichd hädd ihr sehn solln, wie der die Schdell vorglesen hodd.“

      Allgemeines Gelächter begleitete die letzten Worte Peters, zumal dieser dabei das äußerst salbungsvolle Gesicht und die übertrieben andächtige Sprechweise des damaligen Kaplans perfekt nachgeahmt hatte.

      „Apropos, widerstehd nicht dem Bösn, wie wärsn wemmer uns etzerdla widder amal dem bösen Spieldeufl zuwenden und weiderkardln däädn!“, brachte Lothar das Thema wieder auf den eigentlichen Anlass dieses lustigen Abends zurück.

      Jenseits des Tales standen unsre Zelte,

      zum roten Abendhimmel quoll der Rauch

      aus der „Mundorgel“

      Wenige Stunden zuvor.

      Eine vermummte Gestalt näherte sich dem Zeltlager der katholischen Landjugend Röthenbach. Der fremde Eindringling schob sich vorsichtig Zentimeter um Zentimeter auf dem steinigen Gelände nach vorne, dabei stets peinlichst bemüht, jedes verräterische Geräusch zu vermeiden. Mittlerweile war es später Nachmittag und die Sonne warf bereits lange Schatten, zumindest dort, wo das relativ