Jörn Holtz

Drei sind keiner zu viel


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er seine Umgebung gar nicht richtig wahrnahm. Deshalb schaute er auch verblüfft auf, als Maya auf einmal neben ihm stand und ihn ansprach: „Hey Ole, erwähntest du vorhin nicht, dass du nach Barcelona willst?“, lächelte sie ihn so lange an, bis sie sich seiner Aufmerksamkeit sicher war. Dann sah sie ihm direkt in die Augen, bevor sie fortfuhr: „Was hältst du eigentlich davon, die Benzinkosten zu halbieren?“

      „Äh, wie bitte?“, sah er sie irritiert an, weil er sich mit dieser Frage ein wenig unvorbereitet konfrontiert fühlte. „Willst du mich damit etwa fragen, ob ich jemand mitnehmen würde?“, stutzte er daraufhin etwas ungehalten. „Danke fürs Angebot, aber nein, ich glaube nicht! Denn wie ich vorhin erzählte, wollte ich nicht auf dem direkten Weg nach Barcelona fahren. Außerdem ist der Flieger wesentlich bequemer und schneller, einfach 2 Stunden in der Luft und fertig!“, versuchte er seine Gedanken in Worte zu fassen, wobei er bemerkte, dass er dabei einen viel zu harschen Ton angeschlagen hatte. Weswegen er betont, freundlich hinzufügte: „Aber, wie kommst du eigentlich darauf?“

      „Oh, wie ich darauf komme? Na ja, Zeit spielt dabei eigentlich keine Rolle, oder vielleicht doch ein wenig. Aber bis zum Geburtstag von Bernd ist ja noch über einen Monat hin und fliegen mag sie nun mal nicht“, stammelte Maya zuerst, von Oles Tonfall sichtlich irritiert, bevor sie noch einmal tief Luft holte und dann ruhig hinzufügte: „Weißt du, ich kenne da jemanden, die auf den Kanaren lebt. Nur mag sie keine Flugzeuge, zu viel Umweltverschmutzung, Flugangst und so. Und da sie ja nun schon eine Weile bei uns zu Besuch ist, muss sie ja auch irgendwann einmal wieder zurück, also spätestens bis zum sechzigsten Geburtstag ihres Vaters. Denn da wollte sie wieder zu Hause sein und sie würde sich bestimmt riesig freuen, wenn du sie mitnimmst. Seit Tagen überlegt sie nämlich schon, wie sie es vermeiden kann, die ganze Strecke erneut allein mit dem Zug zurückzulegen. Also wie wäre es, Lust auf eine nette Beifahrerin?“, holte sie daraufhin erst einmal tief Luft.

      ‚Ja aber, mit einem Wildfremden eine Frankreich Rundfahrt machen, das wäre okay für sie?‘, sah er sie daraufhin ungläubig an, da er aus ihrem Menschenschlag einfach nicht schlau wurde. Ihm würde so etwas nicht einmal im Traum einfallen. Auch würde er nie per Anhalter bei irgendjemanden mitfahren oder gar einen Tramper mitnehmen. Jedoch wurde er sanft aus seinem dunklen Gedanken gerissen, weil sie auf einmal seine linke Hand ergriff. Dabei schaute sie ihn unschuldig in die Augen, während sie geduldig seine Antwort abzuwarten schien.

      ‚Tja, was willst du da machen?‘, atmete er daraufhin ebenfalls tief ein, bevor er ruhig sagte: „Okay, wenn es also für einen guten Zweck ist und ich deiner Freundin aus der Patsche helfen kann, meinetwegen“, hielt er kurz inne, als ihm bewusst wurde was er gerade getan hatte. Darum fügte er mit ernster Stimme hinzu: „Aber meine Großzügigkeit hat Grenzen, denn falls deine Freundin sich als eine Stress-Liesel entpuppt, habe ich kein Problem damit, sie am nächsten Bahnhof einfach abzusetzen. Außerdem hat mein Camper nur eine durchgehende Pritsche. Wenn sie möchte, kann sie sich gerne einen Schlafsack mitnehmen, aber…“

      „Ole, alles kein Problem!“, fiel sie ihm beruhigend ins Wort. „Sie ist echt in Ordnung, du wirst schon sehen. Und sie ist bestimmt auch keine Stress-Liesel, auch wenn ich mir gerade nicht sicher bin, was das eigentlich ist“, ergriff sie seine zweite Hand und wiegte beide Hände beschwichtigend hin und her.

      Verblüfft sah er daraufhin auf ihre Hände, während er die Energie genoss, die davon ausströmte. Doch wurde ihm diese Situation schnell unangenehm, da er Angst bekam, dass Peter dies sah und es vielleicht falsch deuten könnte. Weshalb er schnell hinzufügte: „Na gut, aber nicht, dass ich es nicht gesagt habe!“

      „Okay verstanden, doch das wird schon nicht passieren, glaub es mir. Man, das ist ja echt super!“, jauchzte sie auf einmal überglücklich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann fummelte sie Peters Handy aus ihrer Hemdtasche und führte es direkt zum Mund: „Hast du gehört, er freut sich!“, dann schwieg sie kurz und lächelte, bevor sie ihn erneut ansprach: „Ach ja, wann willst du denn eigentlich los?“

      Wo seinen Worten die besagte Freude zu entnehmen war, wusste er zwar nicht. Vielmehr fühlte er sich gerade ein wenig überrumpelt, dennoch bemühte er sich betont sachlich zu antworten: „Am nächsten Mittwoch, denke ich. Denn da kommt man bestimmt noch am besten durch!“

      „Das ist ja Super, also abgemacht und sie freut sich übrigens auch!“, gluckste Maya zufrieden und lief zurück ins Haus.

      ‚Ja, ich mich auch! Echt, ich fasse es nicht, was ich da gerade getan habe!‘, schaute er ihr verwirrt hinterher, wie sie mit Peters Handy am Ohr im Haus verschwand. Erst da fiel ihm ein: Und wem nehme ich nun eigentlich mit?

      Kapitel 2

       Mitte März 2008

      Der vereitelte Aufbruch

      Als Ole am Mittwochmorgen das Gut bei Schönberg erneut am Ende des schmalen Waldweges auftauchen sah, war er enorm angespannt. Denn in den zurückliegenden Tagen hatte er sich immer wieder gefragt, wen er wohl mitnehmen wird und wie er mit ihr zurechtkommt, wenn er sie in den nächsten Tagen oder gar Wochen ununterbrochen, Tag und Nacht um sich haben wird. Wobei er jedes Mal ein wenig verlegen wurde, wenn er an die Nächte und die beengte Schlafsituation denken musste. Und nicht zum ersten Mal fragte er sich, wieso er nicht einfach nein gesagt hatte. Schon jetzt fühlte er sich gestresst, weil er schon jetzt seine mittlerweile lieb gewonnene Einsiedelei vermisste. So hielt er gedankenverloren direkt vorm Haupteingang, bevor er dreimal langgezogen die Hupe betätigte. Dann stieg er aus und lief um seinen Camper herum, um die Seitentür zu öffnen. Doch hatte er sie gerade erreicht, als er hinter sich eine nicht ganz unbekannte Stimme sagen hörte: „Tschulle, ich habe heute Morgen leider wieder mal verpennt und bin daher noch nicht ganz fertig für den Aufbruch. Magst du daher vielleicht noch kurz mit reinkommen und mit mir frühstücken?“

      Fast wie in Trance drehte er sich daraufhin zu der Stimme hin, die daraufhin fortfuhr: „Ach, ich bin übrigens Lotta, hatte ich Sonntagmorgen ganz vergessen zu sagen, und du bist Ole, der Freund von Peter, richtig?“.

      Ole wollte zuerst seinen Augen nicht trauen, als er die Person zur Stimme erkannte. Denn in der Tür stand tatsächlich sein blonder Engel, welcher ihn noch leicht verschlafen anlächelte und sich dabei erneut durch ihr kurzes, zotteliges Haar fuhr, jedoch wieder nur mit mäßigem Erfolg. Wobei sie dieses Mal ein gelbes ärmelloses T-Shirt trug, auf dem vorne in Glitzerrot ein spanischer Spruch aufgedruckt war, sowie einen kurzen, schwarz/rot karierten Minirock, eine Netzstrumpfhose und schwarze, leicht rötlich glänzende, schwere Stiefel. Beim Betrachten ihres heutigen Outfits bemerkte er sofort, dass sie fror und der fehlende Abdruck eines BHs unter ihrem engen T-Shirt, ließ ihn kurz an ihr erstes Treffen zurückdenken, weshalb er sich ein schelmisches Grinsen verkneifen musste.

      „Und ich freue mich riesig, dass du mich mitnimmst!“, trat sie auf ihn zu, und küsste ihn kurz auf jede Wange einmal. Dann drehte sie sich um und ging wortlos zurück ins Haus.

      Immer noch wie in Trance folgte Ole ihr, während er sich über seine eigene Kurzsichtigkeit ärgerte: Klar, die spanischen Bücher und Briefe! Als er wieder zu ihr aufsah, entdeckte er zu seiner großen Überraschung, auf der Rückseite ihres T-Shirts, einen ebenfalls nicht ganz unbekannten blinzelnden Smiley, der fröhlich seine Zunge herausstreckte. ‚Na, was hat denn das zu bedeuten?‘, stutzte er gerade verwundert, doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, waren sie schon in einer großen Wohnküche angekommen.

      „Willst du vielleicht auch etwas essen?“, drehte sie sich fragend zu ihm um, wobei sie gerade Kaffee aus einer dampfenden Kanne in einen großen Becher umfüllte, welchen sie ihm dann ungefragt in die Hand drückte. Als er nonverbal, mittels Kopfschüttelns, verneinte, setzte sie sich an einen großen Tisch, der die Mitte des Raumes komplett einnahm und an dem locker 20 Leute Platz finden würden. Vor ihr auf dem Tisch stand eine große Schüssel mit Vollkornmüsli und ein identischer, aber halb leerer Pott Kaffee.

      Während Lotta sich aus der Schüssel bediente, füllte Ole sich aus einer Karaffe vom Tisch eine gute Portion frische Milch in seinen Kaffee und