Jörn Holtz

Drei sind keiner zu viel


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wenig hoch, während er dabei die Augen aufriss. Jedoch nur, um sie einen Moment später wieder eiligst zu schließen. Denn eine schon ziemlich grelle Frühlingssonne schien ihm, durch ein ungeputztes Fenster, direkt ins Gesicht. Verkatert und mit dem Gefühl der Desorientierung sank er daraufhin zurück auf die Matratze und so zurück in einen schützenden Schatten. Dort angekommen, machten sich jedoch plötzlich starke Kopfschmerzen bemerkbar, die wie ein Presslufthammer in seinem Schädel wüteten. Ungehalten über diesen unseligen Zustand und der abrupten Beendigung seines sehnlich erwarteten und benötigten Schlafes, öffnete er erneut, wenn auch nun wesentlich vorsichtiger als zuvor, seine Augen. Doch was er daraufhin vor sich entdeckte Verstärkte noch sein Gefühl der Desorientierung und auch Mehrmaliges blinzeln änderte nichts daran. Denn direkt vor sich sah er weiterhin die einfache Darstellung eines Delphins, der ihn keck anlächelte. Die Erkenntnis, dass dieser freundliche Meeressäuger ein Tattoo auf den schlanken, unverhüllten Damenrücken war, der vor ihm auf der Seite ruhte, erschoss sich ihm sehr zäh. Ebenso erschloss sich ihm die Tatsache noch zäher, dass dieser sehr ansehnliche Körperteil von seinem linken Arm umschlungen war. Diese Feststellung ging jedoch einher, mit einem lang vermissten Gefühl der Geborgenheit, welches ihn unverhofft warm durchströmte. Wesentlich entspannter sank er daraufhin in sich zusammen, während er sehr bewusst diesem Gefühl und den Anblick des hübschen Rückens vor sich genoss. Doch war es mit der Entspannung schlagartig vorbei, als ihm aufging, dass das was sich gerade unter seiner linken Hand befand, eine wohlgeformte, feste, nicht zu kleine, aber auch nicht sehr große weibliche Brust ist.

      ‚Oops!‘, durchfuhr ihn daraufhin ein Schreck wie ein elektrischer Schlag, wobei er deutlich spüren konnte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Augenblicklich öffnete er seine Hand, bevor er seinen Arm in einer fließenden Bewegung nach hinten wegzog. Dann rollte er sich auf den Rücken und schloss die Augen erneut, in der Hoffnung, dass wenn er sie wieder öffnete, alles nur ein Traum gewesen war. Doch dass dem nicht so war, wurde ihm in dem Moment klar, als er einen leichten Kuss auf seinen Lippen verspürte. Und so riss er erstaunt seine Augen erneut auf, weshalb er gerade noch sehen konnte, wie die junge Frau, die eben noch neben ihm verweilt hatte, sich von ihm abwandte und wortlos aufstand. So wie Gott sie geschaffen hatte, wankte sie daraufhin auf noch unsicheren Stelzen zu einem Kleiderhaufen hinüber. Dort wuselte sie sich kurz in ihren von Schlaf zerzausten Harren herum, bevor sie sich vornüberbeugte, um ein enges Shirt aufzuheben. Fröstelnd streifte sie sich es eiligst über und zog es glatt. Doch bedeckte es dennoch nicht ihren schlanken, muskulösen Gluteus maximus, den Ole noch immer ungläubig betrachtete. Als sie sich erneut vornüberbeugte, um eine ausgewaschene Jeans aufzuheben, musste er kurz blinzeln, während ihr wimpernloses Bärenauge kurz zum Vorschein kam. Doch dann war es schon in der enganliegenden Jeans verschwunden und sie auf den Weg zur Tür.

      Dabei meinte Ole sie leise murmeln zuhören: „Mist, Jonas wartet bestimmt schon und hat Hunger!“ An der Tür angekommen, hielt sie jedoch plötzlich mitten in der Bewegung inne, und drehte sich noch einmal zu ihm um. „Ach ja, Tschüss, war nett mit dir!“, lächelte sie ihn dabei offen an.

      „Äh ja, fand ich auch“, nuschelte er reflexartig. „Ich bin übrigens Ole, und wie heißt du?“, richtete er sich auf, doch da war die Tür schon wieder zu. „Gut, dann eben nicht!“, sank er brummend kurz darauf langsam zurück auf die Matratze, wobei er weiterhin fragend die Tür anstarrte. Doch kaum, dass er wieder lag, forderte der Presslufthammer in seinem Kopf erneut seine volle Aufmerksamkeit. Zudem fing sein Magen nun auch noch schmerzhaft zu krampfen an. So vergas er die unbekannte Schöne für den Moment und starrte stattdessen stöhnend an die Zimmerdecke, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können.

      Nach einer Weile, als die Schmerzen endlich etwas nachließen, gingen seine Gedanken wieder zurück zu der unbekannten Schönen, die gerade nur spärlich bekleidet verschwunden war. Dabei stellte sich ihm plötzlich eine andere Frage und so hob er neugierig die Bettdecke ein wenig an, um einen kritischen Blick darunter zu werfen. Ein überraschtes Lächeln huschte ihm übers Gesicht, als er feststellte, dass er seine Unterhose noch anhatte. Doch erstarb dieses gleich wieder, als er versuchte sich an den weiteren Verlauf des gestrigen Abends oder daran zu erinnern, wo er war. Auch die Frage wie er hierhergekommen war, konnte er sich nicht beantworten.

      Doch beantwortete sich die Frage, nach dem wo er war, einen Augenblick später dadurch, dass er vor der Zimmertür zwei träge, gedehnt sprechende Typen Tische rücken hörte. Erleichtert nahm er daraufhin die Hände in den Nacken und sah sich neugierig in der winzigen Kammer um. Neben den Kleiderhaufen, bei dem sich eben die unbekannte Schöne bedient hatte, gab es noch einen Stuhl, auf dem seine Kleidung von gestern Abend zusammengefaltet obendrauf lag. Ansonsten war die Kammer so gut wie unmöbliert. Lediglich eine kleine, hölzerne Truhe, die wie eine kleine Schatzkiste aussah, befand sich neben dem Bett und ein großes, leicht vergilbtes Bild mit einem blinzelnden Smiley, der den Mund leicht geöffnet hatte, hing ihm gegenüber an der Wand.

      Gespannt auf den Inhalt der Truhe, zog er sie näher zu sich heran und öffnete neugierig deren Deckel. „Ui!“, stieß er erstaunt aus, kaum dass er einen Blick hineingeworfen hatte, bevor er deren Inhalt näher betrachtete. Denn in der kleinen Truhe, die wohl als Nachtischersatz diente, lagen jede Menge Fotografien, die wie Schnappschüsse aussahen, ein paar spanische Bücher, handgeschriebene Briefe, ebenfalls auf Spanisch, und eine große, fast leere Kondompackung. Etwas verstört und beschämt, weil er gerade die Intimsphäre der jungen Frau verletzt hatte, schloss er vorsichtig deren Deckel wieder und schob die Kiste auf ihren alten Platz zurück, bevor sein Blick auf seine Uhr fiel. ‚Was, halb zwölf durch!‘, stellte er überrascht fest, da dies bedeuten würde, dass, egal wie spät oder früh er ins Bett gegangen war, er mehr als die üblichen 3 Stunden am Stück geschlafen hatte. Kurz sinnierte er kurz über diese Erkenntnis nach, wobei er immer wieder den freundlichen Meeressäuger vor seinem geistigen Auge sah. Dann beschloss er aufzustehen.

      Während er sich mit dröhnendem Kopf und üblen Sodbrennen langsam ankleidete, vernahm er plötzlich Peters Stimme, die schrill seinen Namen rief. ‚Ja, ich komme ja schon!', brummte er genervt, dennoch beeilte er sich nun mit dem Anziehen. Als er auf der Türschwelle stehend sich noch einmal lächelnd in dem Kämmerchen umsah, fuhr er sich mit der linken Hand durchs Haar, jedoch mit dem gleichen Erfolg, wie bei der hübschen Unbekannten zuvor.

      ‚Nichts von alledem, was hier eben passiert ist, werde ich Peter erzählen‘, beschloss er innerlich, bevor er die Tür hinter sich schloss und durch die Tenne ins Freie lief.

      Peter ließ gerade das Dach seines Cabriolets vollautomatisch im Kofferraum verschwinden, als Ole ihn erreichte. „Moin, hast du etwa auch so gut geschlafen?“, begrüßte Peter ihn freundlich, als sei gestern Abend vorgefallen.

      „Ja allerdings, das habe ich tatsächlich! Nur wäre ich dir dankbar, wenn du nicht so schreist“, ließ Ole sich auf den Beifahrersitz plumpsen, wobei er schmerzverzerrt die Augen zusammenkniff und seine Ohren mit den Händen schützte.

      „Okay, kein Problem,“, sah Peter ihn ein Moment kritisch an, bevor er grinsend anfügte, „das war aber auch ’ne wilde Party, oder?“

      Als er kurz darauf das Gaspedal auf dem schmalen Feldweg wieder bis zum Bodenblech durchdrückte, seufzte er zufrieden: „Man, was für ein schöner Tag!“, während Ole sich wieder ganz klein in seinem Sitz machte.

      Was jetzt?

      Am späten Nachmittag erwachte Ole langsam aus einem unruhigen Schlaf. Noch etwas benommen hing er mit geschlossenen Augen einem merkwürdigen Traum hinterher, in dem er zuletzt den nackten Rücken der unbekannten Schönen vor sich liegen sah. Doch als er den darauf tätowierten Delphin berühren wollte, löste sich die Gestalt auf und er hatte das Gefühl in eine bodenlose Tiefe zu stürzen. Als dieses sehr reale Gefühl des Fallens endlich nachließ, öffnete er seine Augen und beschloss sich einen Kaffee zu zubereiten. Dabei fiel seine Wahl nach kurzer Überlegung auf einen Espresso mit etwas Zitrone, in der Hoffnung damit die letzten verbliebenen Kopfschmerzen ganz zu vertreiben.

      Diesen stürzte er, noch in der Küche stehend, in nur einem Zug hinunter, bevor er zum Schaukelstuhl hinüber schlürfte. Während er dort auf die ersehnte Wirkung wartete, ging er gedanklich noch einmal die