Jörn Holtz

Drei sind keiner zu viel


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lächelte sie mitfühlend zurück. „Weißt du, ich habe die Plantage vor ein paar Jahren mal besucht. Das war echt interessant dort, denn die rösten da immer noch selbst und ganz schonend. Daher hat er auch ganz wenig Säure, was man an den hellbraunen, nicht glänzenden Bohnen dort drüben im Glas erkennt. So etwas bekommt man wirklich selten zu kaufen!“, bekam Ole daraufhin eine unerwartet detaillierte Antwort.

      Die Gedanken, die ihm daraufhin auf seiner leicht angebrannten Zunge lagen, schluckte er lieber mit dem nächsten vorsichtigen Schluck Kaffee hinunter. Stattdessen betrachtete er kurz das besagte Glas, bevor er versuchte, den verlegenen Small Talk weiter in Gang zu halten, umso mehr über seine zukünftige Mitfahrerin zu erfahren: „Oh, da kommst du aber rum! Maya sagte mir, du lebst auf den Kanaren. Was machst du denn da so?“

      „Mm richtig, ich lebe dort“, nickte sie zustimmend und kaute dabei ihr Müsli genüsslich zu Ende, bevor sie ihren Satz beendete, „und zwar zusammen mit meinem Clan. Meine Eltern und ich betreiben dort ein kleines Restaurant, im Hafen von Valle Gran Rey.“ Dann steckte sie sich einen weiteren Löffel Müsli in den Mund, kaum dass sie geendet hatte.

      „Oh echt, und Valle Gran Rey liegt auf?“, fragte er mehr mechanisch, während sich seine Stirn immer mehr in Falten legte, da ihm die ganze Situation gerade sehr verkrampf und befremdlich vorkam. Außerdem schwirrten ihm andauernd die Bilder von vorletztem Sonntag in seinem Kopfkino herum.

      Lotta hingegen war sichtlich entspannter, während sie genüsslich zu Ende kaute. Erst dann beantwortete sie seine Frage: „Valle Gran Rey liegt im Westen von La Gomera.“

      „Ah, La Gomera?“, grübelte er kurz laut, wobei er nicht den blassesten Schimmer hatte, wo sich diese Insel genau befindet, da er den Namen zum ersten Mal hörte. Doch wollte er sich dies nicht anmerken lassen. Daher sagte er schnell: „Dann sind deine Eltern und du also dorthin ausgewandert, wie spannend. Ich meine, du bist doch Deutsche, oder?“

      Wieder kaute sie erst ihr Müsli genüsslich zu Ende, bevor sie ihm antwortete, was ihm ziemlich unruhig werden ließ. „Nein, ich bin dort geboren und somit Spanierin. Eine deutsche Staatsangehörigkeit haben meine Eltern nie für mich beantragt, warum auch.“

      „Oh, dann sind deine Eltern also schon vor deiner Geburt ausgewandert. Man, das war bestimmt gar nicht so einfach! Ich selbst habe auch schon öfters mal darüber nachgedacht, wie es wäre auszuwandern. Jedoch fehlte mir bis jetzt immer die Initialzündung oder vielmehr, einfach der Mut.“

      „Na ja,“, antwortete sie dieses Mal gleich, jedoch mit noch halbvollem Mund, „übers Auswandern habe ich eigentlich noch nie nachgedacht“, dann stockte sie, wobei zu Ende kaute. Erst dann fügte sie mit nun leerem Mund an: „Doch habe ich das Fernweh wohl von meinen Eltern geerbt. Daher reise ich in der Nebensaison auch gerne mal herum. Meist besuche ich dabei ein paar Freunde, sowie jetzt“, lächelte sie ein wenig schelmisch, bevor sie ihr Gesicht verzog: „Nur ist die Nebensaison für Norddeutschland leider die völlig falsche Jahreszeit. Denn an dieses feucht kalte Wetter zu dieser dunklen Jahreszeit gewöhne ich mich einfach nicht. Seitdem ich hier bin, friere ich und werde langsam depressiv. So müssen sich also Menschen fühlen, die nur sehr wenig die Sonne zu Gesicht bekommen!“

      Bemüht nicht erneut auf ihr enganliegendes T-Shirt zu starren, tat er stattdessen überrascht: „Oh, du hast Freunde hier. Wie kam es denn dazu?“, legte er wie nebenbei seine Hand auf die ihre, um sie so am weiter essen zu hindern.

      „Na, weil ich mit Dieter und Bianca aufgewachsen bin, bevor sie zurückmussten. Und über sie habe ich vor ein paar Jahren Maya kennengelernt und seitdem chatte ich regelmäßig mit ihr. Außerdem hilft sie uns seit 2 Jahren in der Hauptsaison im Restaurant. So wie auch in diesem Jahr wieder, wenn Bianca ihre Praxis für zwei Monate schließt, um in Goa ihre ayurvedischen Kenntnisse zu vertiefen. Tja, und da war ich halt irgendwann neugierig, wie sie und die anderen hier so leben.“

      Während er noch über ein paar Begriffe nachdachte, die sie eben fallen gelassen hatte, fragte er ausweichend: „Und, wie lange warst du hier?“

      Doch leider hatte er währenddessen seine Hand von ihrer genommen und sie gedankenverloren dazu genutzt, sein Kinn abzustützen, woraufhin sie genüsslich die nächste Fuhre Müsli zu Ende kaute, bevor sie antwortete: „Für Norddeutschland im Winter viel zu lange, zwei Monate, um genau zu sein!“

      „Was, zwei Monate!“, stieß er überrascht aus, während er sich unauffällig bemühte, ihre Hand wieder einzufangen und dabei unschuldig anfügte: „Man, das ist aber echt lange, wurde es dir da nicht irgendwann langweilig?“

      „Nö, ich habe doch während der ganzen Zeit für Nicole auf den kleinen Jonas aufgepasst. Ach, Jonas!“, schluchzte sie auf einmal, während sie ihre Hand einfach unter seiner herauszog, um sich eine Träne aus dem Augenwinkel zu wischen. „Entschuldige bitte, wenn ich an ihn denke, bin ich immer ganz gerührt. Denn der Kleine hat leider ein doofes Handicap. Da er sich bei der Geburt mit der Nabelschnur fast selbst stranguliert hatte!“, schaute sie ihn traurig an. Dann ergriff sie den verwaisten Löffel vom Tisch und füllte diesen mit der nächsten Fuhre Müsli, welche sie für ihn wie in Zeitlupe zum geöffneten Mund führte.

      Den Löffel mit den Augen kritisch verfolgend, nickte er dennoch mitfühlend, wobei er wohlwollend feststellte, dass dies wohl die vorletzte Fuhre gewesen sein musste, da die Müslischüssel so gut wie leer war. Als daraufhin ihr gesagtes seine Aufmerksamkeit erreichte, kam er mit den ganzen Namen nicht mehr mit: „Oh, das ist ja großer Mist und wer ist jetzt Nicole?“

      „Nicole ist die Tochter von Bianca, Jonas Mutter. Bis letzte Woche war sie in ihrem Ashram in Indien, um bei ihrem Guru zu meditieren“, klärte Lotta wenig später den Sachverhalt auf und fing an die Schüssel mit dem Löffel auszukratzen.

      „Ah,“, stutzte er erneut, um das gesagte einzuordnen, während er ihre Bemühungen kritisch verfolgte. „Na, und da bist du quasi eingesprungen?“, fügte er dann jedoch schnell an, als sie gerade dazu ansetzte, den Löffel mit dem Restmüsli zum Mund zu führen.

      „Klar, irgendwer musste sich doch um den kleinen Jonas kümmern und außerdem passt das doch sehr gut, da Maya ja bei Bianca beschäftigt ist“, sah sie ihn kurz irritiert an, bevor sie mit dem weitermachte, was sie eigentlich vorhatte.

      ,Logisch!‘, nickte er ebenfalls irritiert und kratzte sich dabei am Kopf, während er nachdenklich sein Gesicht verzog. Denn einen Ashram, Guru und Goa kannte er bis jetzt nur aus Reportagen im Fernsehen und auch dort waren ihm diese Dinge immer ein wenig suspekt.

      Lotta, für die dies jedoch ganz normal war, sah ihn daraufhin kritisch an: „Wenn ich dich so ansehe, siehst du aber auch gerade recht verspannt aus. Vielleicht würden dir auch mal ein paar Atemübungen oder meditieren guttun!“, womit sie unbewusst eine Grenze bei Ole überschritt. Denn was andere Leute in ihrer Freizeit so trieben, interessierte ihn nicht. Zumindest so lange nicht, solange sie ihn nicht damit behelligten.

      „Danke, gute Idee!“, raunte er daher bemüht freundlich, wobei er am liebsten aufgesprungen wäre, um jetzt sofort und ohne sie seine Reise zu beginnen.

      Doch, ehe Ole handeln konnte, sah Lotta ihn fragend an: „Maya erzählte mir, du wolltest auf den Weg nach Barcelona, an der Mittelmeerküste entlangfahren. Das habe ich doch richtig verstanden, oder?“

      Für diesen Themenwechsel dankbar, entspannte er sich wieder: „Ja, das hatte ich eigentlich vor! Aber ich kann dich wohl schlecht durch halb Frankreich zerren, oder?“

      „Nicht, wieso denn nicht?“, starrte sie ihn auf einmal empört an. „Ich freue mich doch schon seit Tagen darauf! Denn Frankreich kenne ich bis jetzt nur vom Eisenbahnfenster aus und selbst von dort aus hat mich die Landschaft völlig fasziniert. Wie muss es dann erst direkt an der Mittelmeerküste sein?“, fingen ihre Augen wieder an zu strahlen.

      „Dann macht es dir also nichts aus, mit einem Wildfremden und in beengten Verhältnissen durch Frankreich zu gondeln?“, wollte er ihre Aussage dennoch nicht ganz glauben.

      „Nein, wieso?“, betonte sie diese Frage langgezogen und verwundert. „Und so fremd sind wir uns doch gar