Jörn Holtz

Drei sind keiner zu viel


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auf ihn, „der Freund von Mayas Freund, der so nett ist, mich nach Barcelona mitzunehmen. Was, wie ihr ja ebenfalls mitbekommen habt, sich etwas verzögert“, stellte sie ihn erst förmlich vor, bevor sie sich abrupt von ihm abwandte und zum Herd hinüber ging.

      Ole konnte währenddessen spüren, wie sich etwa fünfzehn Augenpaare auf ihn richteten. So sah er sich nervös im Raum um und entdeckte dabei nur einen kleinen Jungen, der dann wohl Jonas sein musste. Eingekeilt saß er zwischen zwei Frauen und strahlte Ole mit seinen hellblauen Augen an. Als sich ihre Blicke trafen, hob Ole seine Hand zum Gruß: „Danke nochmal, für den Tipp vorhin!“, versuchte er besonders cool zu sagen, wobei er ihm unsicher zu zwinkerte.

      „Klar, kein Problem!“, antwortete Jonas, während er seine Nudeln mit Tomatensoße seelenruhig weiter aß. Währenddessen versuchte die junge, asketisch wirkende Frau rechts neben ihm, die Verteilung der Tomatensoße, die von seinen Spagetti aus überall hin spritzte, einzudämmen. Als sie dies einigermaßen geschafft hatte, sah sie hoch und lächelte Ole ebenfalls an: „Hallo, und ich bin Nicole, Jonas Mutter, und es freut mich sehr dich kennenzulernen!“

      „Moin!“, gab er daraufhin freundlich zurück, bevor sein Blick zu der Frau hinüber wanderte, die links von Jonas saß. Diese trug ein ähnliches Tuch um den Kopf gewickelt, wie Maya bei der Party vor zwei Wochen und auch sie lächelte ihn freundlich an, während sie sagte: „Danke übrigens, dass du unsere Lotta mit zurücknimmst. Ach, sie war ja schon so verzweifelt, dass sie sich wieder allein in so einen schrecklichen Zug herumquälen muss. Diese Stahlkolosse sind aber auch schrecklich, ganz zu schweigen von den vielen fremden und zumeist durchgeschwitzten Leute, die dort mitreisen. Da kann ich unsere Lotta aber auch gut verstehen, dass sie da keine Lust draufhat“, verzog sie kurz angewidert ihr Gesicht, bevor sie wieder aufgesetzt lächelte. „Ach ja, ich bin übrigens Bianca, die stolze Oma von unserem Jonas hier. Wie mir scheint, kennt ihr euch ja schon.“

      „Nur der Stimme nach, bis eben. Er hatte mich vorhin netterweise auf etwas hingewiesen!“, zwinkerte er Jonas dieses Mal verschwörerisch zu, wobei er hoffte, dass dieser mit seinen Spagetti noch genug abgelenkt war.

      „Ja, mein kleiner Enkel hier ist ein echt aufgeweckter Junge!“, wuschelte Bianca ihm kurz in seinen kurzen, blonden Haaren herum, während dem dies nicht zu gefallen schien.

      Dann erschien Lotta zum Glück wieder und führte ihn zum Herd hinüber, wo sie ihm eine große Portion Kartoffelsuppe in eine Schüssel füllte. „Willst du auch eine Wurst?“, sah sie ihn danach fragend an und als er nickte, bekam er noch eine dicke Knackwurst obendrauf. Ihren eigenen Teller füllte sie dann jedoch nur bis zur Hälfte voll.

      „Willst du gar keine Wurst?“, fragte er sie daraufhin vorsichtig, weil er sich fragte, ob es ihr nicht gut ginge.

      „Nein, ich bin meist Vegetarierin!“, handelte Lotta die Sache kurz ab und führte ihn zum Ende des Tisches, wo noch Plätze frei waren und wo, ob es der Zufall so wollte oder auch nicht, ebenso Martin saß, der ihn erwartungsvoll anlächelte: „Na, wie gefällt dir mein Wohnmobil? Nicht mehr der Allerneuste, ich weiß. Aber ich bin trotzdem sehr stolz auf ihn!“

      Während Ole sich daraufhin noch eine diplomatische Antwort überlegte, kam Lotta ihm zuvor: „Das kannst du auch, denn der ist echt toll und wir freuen uns sehr, dass du ihn uns ausleihst!“, strahlte sie erst Martin und dann Ole auffordernd an.

      „Ja ist er. Vielen Dank, nochmal!“, lächelte Ole daraufhin in Martins Richtung, wobei er wirklich kurz lächeln musste, und zwar wegen Lottas ausgleichende Art. Dann jedoch wurde er wieder ernst: „Und du meinst wirklich, dass du meinen Camper wieder hinbekommst?“

      „Klar, das sollte kein Problem sein“, gab Martin selbstbewusst zurück, bevor er kleinlaut anfügte: „Ach ja, Dieter meinte noch, ich sollte mich bei euch entschuldigen, wegen den ganzen Unannehmlichkeiten und so. Also entschuldige bitte, ich habe dein VW-Bus echt nicht gesehen.“

      „Okay, Entschuldigung angenommen, also Schwamm drüber. Nur sag mal, hast du das mit dem Autoschrauben mal gelernt oder wieso bist du dir da so sicher, dass du meinen VW-Bus wieder hinbekommst?“, sah Ole ihn erneut skeptisch an.

      „Ja, in meinem vorigen Leben war ich Karosserieschlosser, also mach dir darüber mal keinen Kopf. Den bekomme ich schon wieder hin!“, nickte Martin und lächelte zuversichtlich.

      „Okay, na ja dann!“, lächelte Ole daraufhin ebenfalls, bevor er stutzte: „In meinem vorigen Leben, wie meinst du denn das?“

      „Ach so, als Karosserieschlosser habe ich gearbeitet, bevor ich mich in meine Lisa verliebt habe und zu ihr auf den Hof gezogen bin“, lehnte Martin sich zurück und gab so den Blick auf die junge Frau neben sich frei. „Das ist übrigens meine Lisa hier!“, stellte er sie dann noch einmal förmlich vor.

      „Hallo, nett dich kennen zu lernen! Ich bin die Lisa, Dieters Stieftochter“, stellte sie sich dann noch mal selbst vor.

      „Ähm ja, freut mich auch!“, nickte er ihr freundlich zu, wobei er erneut stutzte: „Entschuldige, sehe ich das richtig: Ihr alle hier auf dem Gut seid irgendwie miteinander verwandt oder anders miteinander verbandelt und dennoch lebt und arbeitet ihr hier alle zusammen?“, kratzte er sich nachdenklich am Kopf.

      „Ja na klar, warum sollten wir denn nicht?“, sah sie ihn kurz irritiert an. „So können wir uns gegenseitig helfen und sind jederzeit füreinander da. Stimmt doch Dicker, oder?“, knuffte sie Martin dabei sanft auf die Schulter.

      „Ja Seuten, genau das ist so schön hier!“, nickte er und rieb sich kurz die Schulter, bevor er sich an Ole wandte: „Na ja, ich kannte das ja vorher auch nicht. Doch ich muss sagen, mittlerweile finde ich diese Form des Zusammenlebens richtig prima!“

      „Ach, und wieso?“, sah Ole ihn ungläubig an.

      „Weil ich feststellen musste, dass die ansonsten überall übliche Kleinfamilie nur zur Vereinsamung des einzelnen führt. Denn da dreht sich immer alles nur ums Geld oder um Macht!“

      „Shit, wie kommst du denn auf diese krasse Aussage?“, sah Ole ihn sichtlich überrascht an.

      „Na warum wohl, weil unter anderen meine Eltern es mir so vorgelebt haben.“

      „Oh, du meinst sie haben sich scheiden lassen?“

      „Richtig, da sie statt miteinander, immer nur übereinander geredet haben und ihre ganze aufgestaute Frustration haben sie dann an mir ausgelassen. Echt ätzend sage ich dir! Kein Wunder, dass ich lange Zeit keinen Bock auf eine feste Beziehung hatte!“, verbarg Martin plötzlich sein Gesicht in seinem langen Haar, wobei er die Tischplatte anstarrte.

      „Komm schon mein Held,“, legte Lisa sanft ihre Hand auf sein Bein, „alles ist gut. Diese dunkle Zeit ist doch schon längst vorbei. Jedoch spüre ich gerade, dass du wohl noch weiteren Redebedarf hast. Das machen wir später, okay?“ lächelte sie ihn kurz milde an. Dann wandte sie sich Lotta und Ole zu: „Ach, ihr müsst wissen, er ist halt immer noch sehr emotional, wenn es um seine Eltern geht. Und du,“, wandte sie sich plötzlich direkt an Ole, „du verstehst dich doch hoffentlich noch mit deinen Eltern, oder?“

      „Äh, nein?“, sah er sie verdutzt an, wobei er sich ad-hoc mit der Situation wieder mal überfordert fühlte. Weshalb er schroff anfügte: „Zumindest nicht mit meinem Vater. Ist jetzt aber auch egal, da mittlerweile alle drei tot sind. Und deshalb gibt es auch keinen Grund, das Thema weiter zu vertiefen. Außerdem würde ich jetzt gerne die Suppe essen, solange sie noch heiß ist!“ Wodurch sich seine Unsicherheit auf Lisa und Lotta übertrug, die sich daraufhin fragend anschauten.

      Wobei Lotta sich als erste wieder fing: „Man, das ist aber ganz schön traurig! Dann können sie aber nicht sehr alt geworden sein. Mein Beileid!“, umarmte sie ihn spontan und drückte ihn fest an sich. Dann betrachtete sie ihn eingehend: „Vielleicht ist das ja der dunkle Fleck in deiner Aura, der mich vorhin etwas verunsichert hat. Aber du hast Recht, vielleicht sollten wir erst einmal essen.“

      So kam Ole doch noch in den Genuss, seine Suppe in Ruhe und im heißen Zustand essen zu können, und diese schmeckte so