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Paulo wird ein Goor (9)


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was das Zeug hielt, Unto, mein Gegenspieler, hatte Mühe, mich einzuholen. Aaron lief mit mir mit, kurz vor dem gegnerischen Tor spielte ich ihm den Ball zu und er schoss ihn rein. Ich hatte Unto mit Leichtigkeit ausgespielt, sodass er mich nur noch erstaunt ansah. Ich schlug Aaron anerkennend auf die Schulter, eine Geste, die ihm unbekannt schien, er schaute jedenfalls völlig befremdet. Ich erklärte ihm, dass man das, wenn Menschen Fußball spielten, so machte, man drückte damit seine Anerkennung aus. Wir spielten zwei Halbzeiten, deren Länge ich gar nicht bestimmen konnte, ich schätzte sie auf zwanzig Minuten und Aaron und ich gewannen 3:2. Lauha und Herkko hatten gefressen und kamen angerannt, sie kabbelten sich oft miteinander, der eine biss dem anderen ins Bein oder rannte ihn um. Das führte aber nie zu ernsten Auseinandersetzungen, die Art des spielerischen Streites lag eben in der Natur der Tiere. Manchmal gab es ein Aufjaulen, dann hatte der eine den anderen etwas zu fest gebissen, was der Gebissene sofort mit einer Gegenattacke beantwortete, womit er ein weiteres Aufjaulen provozierte. Manchmal rochen die Tiere etwas streng, was den süßen Honigduft von Seldit, Bortan und ihren Kindern beeinträchtigte.

      Unto schoss den Ball nach hinten und die beiden Vielfraße stürmten hinterher. Wir kamen ins Gespräch und ich fragte Seldit und Bortan:

      „Was macht ihr so den ganzen Tag?“

      Sie überlegten eine Zeit und schauten, als verstünden sie die Frage nicht:

      „Wir leben!“, antwortete Bortan dann und ergänzte: „Wir gehen nicht, wie ihr, einer geregelten Berufstätigkeit nach, indem wir morgens das Haus verlassen und abends zurückkommen. Wir haben zwar beide eine Berufsausbildung, Seldit ist Lehrerin und ich bin Bergbauingenieur, wir üben unsere Berufe aber nur sehr selten aus. Seldit unterrichtet die Goorsprache und die Geschichte der Goor und ich arbeite gelegentlich in unseren Goldgruben im Norden, wenn etwas mit der Goldförderung schiefgelaufen oder es sonst irgendwelche Probleme gibt.“ Dann fuhr Seldit fort:

      „Unsere Schüler gehen nur zwei Jahre lang zur Schule, bis sie erwachsen sind. Der Unterricht findet nur gelegentlich statt, die Kinder arbeiten und lernen sehr viel zu Hause, alle Goor haben seit ihrer Geburt einen ausgeprägten Intellekt, auch das dazu gehörige Wissen wird ihnen auf dem Geburtswege mitgegeben. Lernen ist deshalb kaum nötig, es müssen lediglich Korrekturen vorgenommen werden, deshalb gibt es Lehrer, deren Einsatz aber nur ganz selten erforderlich ist. Es gibt bei den Goor auch keine Schulen, ich besuche die Kinder bei sich zu Hause oder verabrede mich mit einer Kindergruppe bei mir, dann sprechen wir über Dinge, die sie bedrücken oder, die ihnen Schwierigkeiten bereiten.“

      Bortan ergänzte, dass sie uns Menschen einiges voraus hätten, sie wären nie fremdbestimmt, sie befänden sich da in einer ausgesprochen bevorzugten Situation, sie könnte sich ganz auf ihr Leben konzentrieren, das meinte er, als er mir gerade gesagt hatte:

      „Wir leben!“

      Bortan glaubte, dass uns Menschen dadurch, dass wir unser Hauptaugenmerk auf unsere Berufstätigkeit richteten, viele Möglichkeiten genommen wären, unser Leben zu genießen. Er sähe aber ein, dass wir uns mit Geld versorgen müssten, um unser Konsumniveau zu halten, und dass das nur über die Berufstätigkeit ginge. Seldit und er lebten in einem Staat, der es sich leisten könnte, seine Bürger kostenlos mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen, dazu gehörten Häuser, Kleidung, „Kum“ und Autos. Die ganze Infrastruktur würde vom Staat gestellt, man müsste sich tatsächlich um nichts kümmern und könnte sich seinem Leben widmen. Das hieß, dass man alle Dinge, die der Befriedigung der Existenzbedürfnisse dienten, umsonst bekam, zusätzlich stellte der Staat alle Straßen, Schulen und Verwaltungseinrichtungen, Krankenhäuser und Altenheime gäbe es nicht, weil die Goor nie krank würden, auch Pflegebedürftigkeit im Alter kannte man bei den Goor nicht.

      Eira wäre eine große Ausnahme, sie wäre krank, weil sie mit einem Menschenbazillus infiziert worden wäre, deshalb wären im Goor-Reich auch alle so verwirrt, niemand wäre im Umgang mit Krankheiten erfahren, deshalb hätten sie mich geholt. Dem Staat entstünden natürlich immense Kosten, der ganze Bereich der Nahrung war aber auf die Versorgung mit „Kum“ reduziert, ihre Kleidung beschränkte sich auf den Mantel, die Hose und die Stiefel, bei den Frauen noch den BH. Es gäbe keine Mode, mit der sich der Einzelne aus dem Gesamt hervorzuheben versuchte, es gäbe bei den Goor auch keinen Neid, niemand trachtete dem anderen nach dem Besitz. Es gäbe keine Polizei, man hätte einen moralisch-ethischen Kodex, von allen akzeptiert, Gesetze erübrigten sich somit und somit auch eine Überwachung von deren Einhaltung.

      Es war Mittag geworden und wir packten ein paar Sachen zusammen, damit wir in die Hauptstadt fahren konnten, die Fahrt würde zwei Stunden dauern, Bortan würde nicht rasen, sondern sehr gemütlich fahren. Die Kinder und Seldit setzten sich nach hinten, ich saß auf dem Beifahrersitz. Schon die Fahrt durch die Stadt war sehr interessant, die Goor liefen auf den Straßen, die Kinder spielten auf ihnen und alle hatten gegenüber den Autos absolute Priorität. Bortan musste bremsen und sogar halten, bis man ihn gütigst vorbeiließ. Man musste aufpassen, dass man keine Vielfraße überfuhr, die über die Straße schossen. Erst am Stadtausgang konnte Bortan beschleunigen, schneller als achtzig, neunzig fuhr er aber nicht. Es gab auf der Straße kaum Verkehr, die Fahrt war völlig relaxt. Die Straße war hinter der Stadt sehr breit ausgelegt, um für die Autos ausreichend Platz zu schaffen. Wir wurden nicht einmal überholt. Als wir eine Stadt passierten, wurde die Straße um das Stadtgebiet herumgeleitet, um das Leben in den Straßen der Stadt nicht zu gefährden. Ansonsten gab es neben der Straße nur dichten Wald, er schien das Landschaftsbild im gesamten Goor-Reich zu bestimmen.

      Nach zwei Stunden erreichte wir die Hauptstadt, sie hieß Ta`amervan und war nur unwesentlich größer, als Seldits und Bortans Heimatstadt, man konnte schon von weitem das gewaltige Schloss des Königs sehen, Bortan hielt direkt darauf zu. Wieder schlichen wir über die Stadtstraßen, wieder spielte sich scheinbar alles auf den Verkehrswegen ab. Vor dem Schloss lag ein riesiger Parkplatz, auf den wir unser Auto stellten. An der Schlosspforte sagte Bortan, wer wir wären und warum wir gekommen wären. Der dort postierte Wächter telefonierte kurz und ließ uns durch. Alles mutete mittelalterlich an, das Schloss war von einer hohen Mauer eingefasst, wir mussten über eine Zugbrücke laufen, der Wachposten trug eine altertümliche Uniform. Ich fragte Bortan nach dem Grund für die ganze Staffage, er sagte, dass er keinen plausiblen Grund wüsste, wahrscheinlich gäbe es auch keinen, außer vielleicht den, dass man sich das Schloss eines Königs eben so vorstellte, also hätte es dort auch so auszusehen. Wir liefen über einen sehr schön geschmückten Schlosshof, an den Mauern hingen Blumengirlanden, in der Mitte des Hofes stand eine uralte Eiche, die vom Hofpflaster eingefasst war. Ihre Krone ragte weit über die Schlossmauer hinaus.

      Bevor wir in das Schlossgebäude eingelassen wurden, musste wir noch einmal an einer Schlosswache vorbei, mit der der Torwächter vorher telefoniert hatte. Dann waren wir im Königsschloss und ich blickte voller Ehrfurcht auf die vielen alten Möbel und die kostbaren Bilder und Gobelins an den Wänden. Wir befanden uns in einer Empfangshalle, die beträchtliche Ausmaße hatte, auf dem Boden lagen wertvolle Teppiche.

      „Wie muss ich Euren König eigentlich ansprechen?“, fragte ich Bortan.

      „Mit Majestät!“, antwortete der dann.

      Dann öffnete sich mit einem Male die Tür oberhalb der Treppe und der König erschien und begrüßte uns. Er schritt stolz und langsamen Schrittes herab und machte einen würdevollen Eindruck. Er hatte scheinbar das gleiche Alter wie Seldit und Bortan, war aber natürlich einige Jahrzehnte älter als sie. Er trug auch den knielangen Mantel, der aber mit aufwändigen Applikationen versehen war, so prangte groß das Wappen des Goor-Reiches auf seiner Brust, eine in Blau-Gelb gehaltene Raute. Der Mantel war hellbraun und hatte auch die goldenen Bordüren, aber doppelt. Seine Stiefel glänzten ganz besonders, sie waren schwarz und lagen eng am Bein an, an ihren Schaftenden hatten sie Stulpen. Wir gingen auf ihn zu und der König gab jedem von uns seine Hand bzw. Pranke. Die Pranken der Goor waren fünfgliedrig, es gab zwar Krallen, die waren im Regelfall aber gestutzt und schön gepflegt, bei den Frauen sogar lackiert, man konnte die Pranke ruhig Hand nennen. Seldit machte sogar einen Knicks, als der König ihr die Hand reichte, Bortan machte einen tiefen Diener.

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