Wieland Barthelmess

ECHNATON


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sein, als ein altes Gebäude? Aber Pharao Thutmosis, der Fünfte dieses Namens, hat die Menschen dazu gebracht, besser zu sein. Unter ihm wurde das Böse abgeschafft.“

      „Da haben wir aber ganz schnell ein Problem.“ Thutmosis hob den Finger und lächelte. „Wer entscheidet, was gut und was böse ist? Und wer legt schließlich die Grenzen fest?“

      „Du entscheidest es, Thutmosis!“ Amenhotep war nun vollends aufgebracht. „Du wirst der Pharao sein. Und damit musst du die Verantwortung übernehmen und letztendlich festlegen, was richtig und was falsch ist. Leb deinen Untertanen vor, wie auch sie leben sollen. Und vergiss dennoch nicht, dass du der Pharao bist!“

      Thutmosis zuckte mit den Schultern. „Jetzt bin ich erst einmal gespannt, was die Priester des Ptah mir beibringen wollen. Und glaub mir, auch sie werden mir nichts weiter darlegen, als das, was ihnen eines Tages nützt. Die ganzen Bande von Priestern, einerlei, ob sie nun Ptah dienen oder Amun, ist nur darab gelegen, ihre Macht zu vergrößern und den Menschen ihre Habe abzuschwatzen. Sie beteuern ihnen Fürsprache bei den Göttern und drohen mit dem Jenseits. Sie machen aus den Ängsten der Menschen Gold, ihr Gold. Und sie wollen Pharao vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat.“

      Amenhotep sah sich um. „Nofretete, was meinst du? Du bist so schweigsam.“

      „Nun, ich denke, dass wir es sind, die den Menschen vorleben sollten, wie ihr Leben gottgefällig ist. Wir sollten den alten Aberglauben samt seiner Dämonen und Geister vertreiben und dafür sorgen, dass sich auch ihnen das wahrhaft Göttliche offenbart. Ob wir das Dasein tatsächlich besser machen können, werden wir erst wissen, wenn wir es denn auch versucht haben.“

      „Das sagt die zukünftige Große königliche Gemahlin!“ Amenhotep strahlte. „Ich küsse ihre Füße für die unsterbliche Weisheit, die sie mit sanfter und doch fester Stimme in den Nordwind spricht, damit er ihre Worte fortträgt über das ganze Land.“

      „Na, dann träumt ihn mal schön weiter, euren Traum von einer besseren Welt.“ Thutmosis erhob sich. „Ihr beide würdet wirklich gut zusammenpassen. Da fällt mir ein, dass ich Vater noch etwas wegen der Zeremonie um das Begräbnis des Apis-Stieres fragen muss.“

      Amenhotep küsste voller Bewunderung Nofretetes Hand. „Es ist gut, dass du an der Seite meines Bruders sein wirst. Dein Einfluss wird ihm gut tun.“ Und geradewegs so als habe er Ani erst entdeckt, sagte er. „Und du, Ani, Bauernbub. Was sagst du dazu?“

      „Als Bauernbub ist mir all dies reichlich egal“, gab Ani zu bedenken. „Hauptsache, der Nil steht hoch und bringt fruchtbare Erde, damit die Ernte ausreichend ausfällt. Hauptsache, alle sind gesund und können arbeiten. Alles andere wird Pharao schon richten.“

      „Und was sagt der Freund des Gottessohnes und Wedelträger zur Rechten des Königs?“, fragte Nofretete.

      Ani lächelte. „Der hofft, dass jemand kommt und das Böse endgültig abschafft.“

      Schweigend ließen sie die Landschaft an sich vorüberziehen, während jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Nofretete fing an, ein Lied zu summen und nach einer Weile stimmte Amenhotep mit ein.

      Weiße Schönheit in der Wüste,

      weiß, am grünen Band des Nils.

      Deine Schönheit alle rühmen,

      deine Reinheit, deine Kraft.

      Wenn am Morgen Aton grüßte,

      wuchsen Stürme des Gefühls,

      dass die Schönheit in der Wüste

      Tefnut sei dem Schu des Nils.

      Nofretete versuchte ihre Rührung wegzulächeln. „Ein einfaches Lied.“ Sie blickte Ani an. „Das singen bei uns die Bauern. Es ist nicht sehr geschliffen, das gebe ich zu. Aber es ist voller Liebe und aufrichtiger Herzlichkeit.“

      „Ist Achmim denn wirklich so schön, wie man sagt?“, fragte Ani staunend. Denn er hatte noch nie zuvor gehört, dass die Schönheit einer Stadt besungen wurde. Ihre Macht, ihre Stärke, ihre schiere Größe, all das hatte schon viele Sänger inspiriert. Aber dass man eine stinkende Stadt voller Unrat und Dreck als schön bezeichnete, war ihm vollkommen fremd.

      Er brauchte nur in Amenhoteps und Nofretetes Gesichter zu sehen, um ihre Antwort zu kennen. Sie strahlten bei dem Gedanken daran und lachten vor Freude, morgen schon dort zu sein. „Was für eine Frage?!“, kicherten sie mit gespielter Empörung. Amenhotep sprang auf und griff Ani bei der Hand.

      „Komm mit“, lachte er. „Ich werde dir die endgültige Antwort auf deine Frage liefern.“ Und bevor Ani sich versah, lag er Pharao und seiner Mutter zu Füßen.

      „Was ist denn hier los?“, sagte der gutgelaunte Pharao mit strenger Miene. „Was für ein Tumult ist das, der meine lieben Erinnerungen stört? Los, Bauernbub, steh’ auf!“ Und als Ani zögerte, meinte er nur: „Trag meinetwegen meinen rechten Wedel, wenn’s dir hilft, nicht Wurm sein zu müssen.“ Pharao lachte so herzhaft, dass die Doppelkrone beängstigend ins Wanken geriet. Mutemwia klatschte ihm auf die Hand. „Mäßige dich, mein Sohn. Ägyptens Augen und Ohren können dich hören und sehen.“

      „Hier gibt’s nur Bauernohren und Bauernaugen“, meinte Pharao vergnügt. „Hier sind wir unter uns!“ Sein Lachen muss noch in Waset wie ein fernes Donnern geklungen haben, dachte Ani, erhob sich und griff zu seinem Wedel.

      „Guter Gott!“, rief Mutemwia entsetzt. „Sieh dich vor, was du sagst. Du hast schon manchen für weniger hinrichten lassen.“

      Pharao lachte abermals schallend. Dann rückte er seine Krone zurecht und meinte: „Mütterchen, dass du mich auch immer an die Gewichte auf meinem Herzen erinnern musst. Es wird nicht leicht sein, die Wägung meines Herzens zu meinen Gunsten ausfallen zu lassen. Aber was meinst du? Ein Tempelchen für Osiris, ein Prachtbau für Amun, ein Schreinchen für Hathor … Sollte ich einen der Götter vergessen haben, ihn zu bestechen?“

      „Hast du etwa von Tejes Wein gekostet?“, fragte Mutemwia besorgt.

      Pharao lachte abermals, nahm Ani den Wedel aus der Hand und warf ihn zu Boden. „Ach, Mütterchen. Ich bin endlich mal wieder frei – und glücklich. Dazu brauche ich keinen Wein.“

      „Ach, und deswegen müssen wir heute Nacht auch wie die Soldaten in Armeezelten inmitten der Wüste übernachten“, protestierte Mutemwia. „Wo man sich kaum gebadet hat und schon wieder über und über mit Sand besprenkelt ist. Wie schön wäre es doch gewesen, wenn wir vorhin in Dendera Halt gemacht hätten.“

      „Mutter“, sagte Pharao ernst. „Du übertreibst. Sie haben nichts mit Armeezelten gemein, außer, dass es eben Zelte sind. Es wird dir an nichts fehlen, glaub es mir.“ Er wandte sich Amenhotep zu. „So, jetzt erklär du mir endlich, was er mich fragen soll.“ Dabei deutete er mit dem Daumen auf dem zu seiner Rechten hinter ihm stehenden Ani.

      „Das kann er dich selbst fragen“, gab Amenhotep zur Antwort.

      „Na los, Ani, stell’ deine Frage!“

      „Ist Achmim denn wirklich so schön, wie man sagt?“ Ani hatte felsenfest damit gerechnet, dass nun ein Sturm des Gelächters über ihn, den dummen Bauernbub, hereinbrechen würde. Aber Pharao seufzte nur wohlig und lehnte sich entspannt auf seinem Sessel zurück. „Du wirst es sehen, Ani“, Pharaos Stimme klang warm und weich. „Fast beneide ich dich darum, dass du es morgen zum ersten Mal sehen darfst. Ich versuche jedes Mal, so zu tun als wäre ich noch nie dort gewesen und als blickte ich zum allerersten Mal auf Achmims weißen Mauern. Doch ich schaffe es nicht, mich selbst zu täuschen. Den Rausch des ersten Blicks gibt es eben nur ein einziges Mal. Und man kann ihn nicht wiederholen. Also denk daran, wenn wir morgen gegen Abend dort ankommen. Genieße dein Staunen und lass dich von der Schönheit überwältigen. Achmim ist die Perle meines Reiches.“

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