Jürgen H. Ruhr

Undercover - Auftrag


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      Aber die Frage schien nur rhetorischer Natur zu sein, denn sie sprach gleich weiter: „Also, noch einmal von vorne: Ich habe mit Bernd darüber gesprochen, ob ich das nicht übernehmen sollte. Aber Bernd meinte nur, dass das der richtige Auftrag für dich wäre. Du könntest mit so einer Kleinigkeit ja bis spätestens Donnerstag fertig sein.“

      „Und was ist mit Chrissi? Kann die das nicht übernehmen?“ - „Aus dem gleichen Grund, warum auch ich nicht in Frage komme - Chrissi und ich sind Frauen. Und dies hier ist eher eine Männeraufgabe.“

      Jetzt noch einen Auftrag übernehmen! Aber wenn Bernd das so entschied. Außerdem … wenn das wirklich so eine Kleinigkeit war, dann könnte ich das auch bis morgen schaffen. Bah, Mittwoch …

      „Worum geht es denn?“, gab ich mich geschlagen.

      Birgit klatschte die Akte auf meinen Schreibtisch. „Das steht alles hier drin. Der Chef der Firma ‚Fliesen Eggbert‘ vermutet, dass einer seiner Angestellten trotz Krankmeldung nebenher arbeitet. Du sollst lediglich beweisen, dass er recht hat.“

      Ich schaute mir die einzige Seite der Akte an. ‚Fliesen Eggbert‘, Inhaber Felix Eggbert. Aha. Dann fiel mein Blick auf einen Notizzettel. Termin fünfzehn Uhr. Heute.

      „Gut, Birgit. Ich kümmere mich darum.“ Birgit stand weiter in der Tür und schaute mich an.

      „Ist sonst noch etwas?“, fragte ich ein wenig unwirsch. Immerhin musste ich diesen unpassenden Auftrag erst einmal verdauen.

      „Möchtest du ein Brötchen, Chef? Oder eine Brühwurst?“

      Was war denn jetzt in die Kleine gefahren? Birgit zeigte ja eine ganz neue Seite, die ich an ihr bisher noch nicht bemerkt hatte. Wurde die Frau jetzt vernünftig? Das freute mich. „Ja, gerne“, bestätigte ich dann auch sofort.

      Jetzt grinste sie. „Dann würde ich mich sputen, Johni. Draußen steht der Verkaufswagen. Wenn du dich beeilst, erwischst du ihn noch!“

      Der Verkaufswagen kam mehr oder weniger regelmäßig zur Mittagszeit. Es handelte sich um einen kleinen, umgebauten Transporter, der hier im Gewerbegebiet die Firmen mit Essen und Getränken versorgte. An sich eine prima Sache, wenn der Händler wenigstens regelmäßige Zeiten einhalten würde. So aber blieb es dem Zufall überlassen, diesen Wagen einmal zu erwischte. Ich schaute auf die Uhr. Knapp elf! Nun, das wäre jetzt ja ideal für ein kurzes Frühstück. Und heute Nachmittag, kurz vor meinem Termin, würde ich dann bei Curry - Erwin vorbeischauen.

      Rasch suchte ich meine Geldbörse und stürmte aus dem Gebäude. Auf dem Parkstreifen vor dem Haus stand wirklich der Verkaufswagen. Grinsend ging ich darauf zu. Da hatte Birgit mich doch richtig informiert. Das konnte nur als Weg der Besserung angesehen werden. Ich malte mir schon die verschiedenen Brötchen aus, die ich kaufen würde. Käse müsste auf jeden Fall dabei sein und Schinken … In dem Moment, als ich neben den Wagen trat, fuhr der an. Verdutzt schaute ich in die Rücklichter, umhüllt von einer Abgaswolke. Ich winkte noch verzweifelt, jedoch schien der Fahrer mich nicht zu sehen.

      Auf dem Rückweg in mein Büro kam ich auch an unserem Empfang vorbei und diesmal stand Birgit wirklich hinter dem Tresen. Was recht selten vorkam.

      „Zu spät?“, waren dann auch ihre mitfühlenden Worte, obwohl ich meinte ein Grinsen zu bemerken.

      Aus den Informationen zum Fliesen - Auftrag ging nicht viel hervor. Die Firma befand sich in Lürrip, was für mich bedeutete, wieder durch die gesamte Stadt fahren zu müssen. Ein Mitarbeiter meldete sich öfter krank und war angeblich während solch einer Zeit bei einer Nebentätigkeit gesehen worden. Irgendjemand hatte gepetzt. Dieser kranke Mitarbeiter hieß Gerd Densel und sollte im Herzen Rheydts wohnen. Wo, wie und als was dieser Mann nebenher arbeiten sollte, stand in der Akte natürlich nicht. Vielleicht konnte mir ja der Firmenchef, dieser Herr Eggbert, etwas dazu sagen.

      Mir knurrte der Magen, als ich endlich Curry - Erwins kleine Frittenbude betrat. Wir kannten uns nun schon Jahre und ich war immer noch sehr zufrieden mit Erwins Angeboten.

      „Jonathan, altes Haus. Endlich einmal wieder im Lande?“ Erwin wischte sich seine fettigen Hände an der Schürze ab und streckte mir die Rechte entgegen. „Du lässt dich viel zu selten hier blicken. Schmeckt es dir bei mir nicht mehr?“

      Ich grinste. „Erwin, wie könnte es mir bei dir nicht mehr schmecken? Aber ich habe wenig Zeit. Der neue Job ...“ Natürlich hatte ich Curry - Erwin von meinem Job bei Bernd Heisters erzählt und auch die kleinsten Details nicht ausgelassen. Schließlich sollte Erwin wissen, um welch wichtige Persönlichkeit es sich bei mir handelte!

      „Na, wieder einmal Megastars beschützen? Oder was für Verbrecher jagst du jetzt?“

      Ich schüttelte den Kopf und hob tadelnd meinen Zeigefinger: „Du weißt doch, dass ich darüber nicht sprechen darf. Nur so viel: Es handelt sich um einen äußerst gefährlichen Job.“ Ich meinte natürlich nicht meinen Termin heute Nachmittag.

      Erwin sah mich wissend an. „Ihr Geheimagenten … Was möchtest du essen? Ich habe da noch eine ausgezeichnete Currywurst auf dem Grill. Dazu ein paar Fritten? Sind auch schon fertig.“ Während Erwin sprach, schaufelte er Wurst, Soße und Fritten auf einen Teller. Dann klatschte er noch ordentlich Mayonnaise oben drauf.

      „Hier, Jonathan. So liebst du es doch. Stärke dich erst einmal für das Kommende - was immer das auch sein mag!“

      Während ich aß, plauderten wir über allgemeine Dinge miteinander. Plötzlich kam Erwin um die Theke herum, einen großen, feuchten Lappen in der Hand. Ich sah ihn fragend an.

      „Jonathan, Jonathan. Wie gut, dass du einen Freund wie mich hast.“ Rasch begann er mit dem nassen Tuch auf meinem Jackett herumzureiben. Und auch die Erklärung folgte sogleich: „Du hast dich da mit Majo und Soße bekleckert. Mann, Jonathan, wer passt sonst eigentlich auf dich auf?“

      Endlich beendet er seine Reinigungsarbeit. Ich aß derweil seelenruhig weiter. Wozu besaß man schließlich gute Freunde?

      Den Fleck auf meiner Jacke sah man kaum, Erwins Reinigungsarbeiten zeigten ausgezeichneten Erfolg. Ich betrachtete mich noch einmal kurz im spiegelnden Schaufenster von ‚Fliesen - Eggbert‘, dann betrat ich das Ladengeschäft. Bimmelnd schlug eine Glocke an.

      Der Laden war klein, aber ordentlich und sauber. Hier stapelten sich Behälter mit Klebstoffen, offensichtlich Fliesenkleber, dort Handwerkszeug und selbst eine kleine Ausstellung verschiedener Fliesen stand in einer Ecke. Sauber aufgereiht lagen Kataloge in einem Regal.

      „Guten Tag, was kann ich für sie tun?“ Eine dickliche Frau stand hinter der kleinen Theke und schaute mich freundlich an. „Suchen sie etwas Bestimmtes?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Ich möchte ihren Mann sprechen.“ - „Meinen Mann? Der ist nicht da, der hat“, sie schaute auf eine Digitaluhr an der Wand, „jetzt einen Termin. Vielleicht kommen sie später wieder.“

      Erneut schüttelte ich den Kopf. „Sie verstehen nicht, gute Frau. Ich bin der Termin. Jonathan Lärpers von der Detektei Argus.“

      Jetzt leuchteten die Augen der Frau wissend auf. „Warum sagen sie das nicht gleich? Mein Mann wartet ja schon seit Stunden auf sie ...“ - „Seit Stunden? Wir waren für fünfzehn Uhr verabredet. Und es ist gerade erst drei!“

      Die Frau lachte leise. „Ja, stimmt. Wenn mein Mann einen Termin hat, dann ist er schon Stunden vorher immer sehr aufgeregt. Aber kommen sie doch bitte. Der Gute ist im Büro.“

      Die Frau schob mich durch einen Gang, der in den hinteren Teil des Hauses führte. Wir durchquerten ein kleines Wohnzimmer. Schließlich standen wir vor einer angelehnten Tür.

      „War das ein Kunde, Luise?“, drang von innen eine Stimme heraus.

      „Kein Kunde, Felix. Dein Termin. Der Herr Lärpers von der Detektei.“ Quietschend wurde die Türe ganz aufgezogen und ein Mann, ebenso dick wie die Frau, stand vor mir. „Schön, dass sie so pünktlich sind, Herr Lärpers. Kommen sie doch bitte herein.“ Dann blickte er an mir