Jürgen H. Ruhr

Undercover - Auftrag


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schlägt deine letzte Stunde. So heißt es richtig. Mensch, es gibt doch jede Menge Volkshoch...“ Diesmal wich ich nicht aus, sondern stoppte die Faust des Angreifers mit einem gezielten Schlag gegen das Handgelenk. Es knackte dezent und der Türke heulte wieder auf. Ob etwas gebrochen war? Ich glaubte nicht, denn so hart war der Schlag ja nicht.

      Jetzt verlegte mein Kontrahent sich aufs Treten. Kickboxen oder so. Jedenfalls das, was er dafür hielt. Konnte der Mann nicht erkennen, dass das hier zu nichts führte? Zumindest für ihn. Ich für meinen Teil sah ein, dass mir ein wenig Training mit Christine fehlte. Ich nahm mir vor, sie darauf anzusprechen. Schließlich mussten wir in Übung bleiben …

      Mittlerweile wich ich vor den Fußtritten zurück. Eine lustige Ausweichübung, die den Türken aber immer wütender werden ließ. Der Mann musste doch mal müde werden! Wieder wich ich ein Stück zurück. Dann spürte ich im Rücken das Blech eines Fahrzeuges. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, dass es sich um den getunten Corsa des Angreifers handelte. Jetzt reichte es aber mit dem Herumgehampel! Es wurde Zeit, das Ganze zu beenden.

      Ich hob abwehrend die Hände: „Bitte. Es reicht. Das bringt doch nichts. Steigen sie jetzt in ihren Wagen und die Sache ist erledigt. Am Ende tut sich einer von uns beiden noch weh! Und der eine bin nicht ich“, fügte ich noch hinzu.

      „Ich mach‘ dich platt, Alter!“

      Na, wenigstens ein vollständiger Satz. Dann trat er mit voller Wucht zu. Ich vollführte lediglich eine kleine Drehung und wich dem Fuß aus. Klirrend zerbarst die Seitenscheibe der Fahrertür. Das verdutzte Gesicht des Türken ließ mich grinsen. Wieso demolierte der Mann jetzt seinen eigenen Wagen?

      „Du tot, du tot“, schnaufte er und griff hinter seinen Rücken. Plötzlich hielt er eine Tokarev TT33 in der Hand. Gerade, als er die Waffe durchladen wollte, trafen ihn meine Handkantenschläge und schickten ihn zu Boden. Wimmernd hielt er sich seinen gebrochenen Arm. Die Waffe rutschte scheppernd ein wenig zur Seite. Mittlerweile hielt ich meinen Revolver in der einen Hand und mein Handy in der anderen. Sekunden später meldete sich die Polizei.

      „Junge, Junge. Wie blöd bist du eigentlich?“, sprach ich beruhigend auf den jammernden Türken ein. Du hättest doch schon nach deinem zweiten Schlag merken müssen, dass du mir nicht gewachsen bist ...“

      Die Polizei stellte eine Menge Fragen. Nachdem die Beamten aber meine Papiere überprüft hatten, insbesondere den Waffenschein und meinen Detektivausweis, und der Türke in einen Krankenwagen verfrachtet worden war, durfte auch ich gehen. Den Opel Corsa mit der zerschlagenen Seitenscheibe schoben wir an den Straßenrand. Der würde später noch abgeschleppt werden. Ich schaute auf meine Uhr. Die ganze Aktion kostete mich immerhin schon bald eine Stunde. Ein paar Schaulustige gingen jetzt wieder ihrer Wege. Ich hoffte, Densel wäre nicht dabei. Das konnte meine ganze Observierung gefährden.

      Diesmal fuhr ich vorwärts und in richtiger Richtung durch die Einbahnstraße. Nachdem kein vernünftiger Parkplatz zu finden war, startete ich die zweite Runde und rollte erneut von Anfang an durch die schmale Straße. Vor einem großen Tor fand ich schließlich einen Platz. Sicher, hier durfte ich eigentlich nicht parken, aber ich plante ja auch nicht, den Wagen zu verlassen.

      Keine zehn Minuten später klopfte es an der Beifahrerseite. Ich beschäftigte mich gerade damit, herauszufinden ob sich Gerd Densel noch in seiner Wohnung aufhielt. Die Wohnzimmerfenster im dritten Stock sollten zur Straße hin zeigen. Ich hoffte nur, die richtige Wohnung gefunden zu haben. Aber laut dem Klingelschild …

      „Sie dürfen hier nicht parken.“ Der lange, dürre Mann hielt in der Hand einen Fotoapparat. Ein ungepflegter Vollbart versteckte sein Gesicht und sein graues, schütteres Haar war unter einer alten Baseballkappe kaum zu sehen. Der Mann, ich schätzte ihn auf um die Sechzig, bleckte die Zähne.

      „Hier ist eine Einfahrt. Sie dürfen hier nicht parken.“ - „Ja, das sagten sie schon.“ - „Was?“ - „Na, dass ich hier nicht parken darf. Aber ich parke ja auch nicht. Ich stehe nur.“

      Der Mann schaute mich böse an. „Hier dürfen sie auch nicht stehen.“ - „Warum nicht?“ Ich blickte immer einmal wieder zu Densels Wohnung hoch. Bewegte sich da nicht die Gardine?

      „Weil hier eine Einfahrt ist.“ - „Ich fahre schon weg, wenn jemand heraus oder herein möchte“, meinte ich begütigend. Der Mann fiel mir mit seiner Beharrlichkeit auf den Wecker.

      „Wenn sie nicht wegfahren, melde ich sie dem Ordnungsamt. Fotos habe ich schon!“ Er fuchtelte wild mit seiner Kamera herum. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich die Gardine bei Densel bewegte. Wenigstens befand der sich in der Wohnung! „Gut, ich fahre gleich weg“, beruhigte ich den Mann, der immer noch mit seiner Kamera in der Luft herumfuchtelte.

      Erneut bleckte er die Zähne. „Na, geht doch!“ Dann zog der Alte ab und ich konnte erkennen, dass er im Hauseingang neben dem Tor verschwand. Ob das der Hausbesitzer war?

      Doch die Gedanken waren schnell vergessen, als sich die Gardine erneut bewegte. Wild schaukelte sie hin und her. Was machte dieser Densel da nur? Ich kramte in meinem Handschuhfach nach dem Fernglas. Vielleicht könnte ich so genauer erkennen, was sich da oben tat.

      Wieder bewegte sich die Gardine. Ob Densel dahinter stand und die Straße beobachtete? Auch in der Vergrößerung war nichts zu erkennen. Aber die Bewegung blieb. In diesem Moment fiel mir siedendheiß ein, dass ich ja einen Fotoapparat zur Dokumentation der Vergehen dieses krankgeschriebenen Mitarbeiters vergessen hatte. Ich würde also heute auf jeden Fall noch im Büro vorbeifahren und mir den Apparat holen. Und im Notfall musste halt die Kamera meines Smartphones reichen. Doch, dass dieser Gerd Densel heute noch aus dem Haus käme, bezweifelte ich. Jetzt bewegte sich da oben nichts mehr.

      Von Zeit zu Zeit ließ ich den Motor kurz laufen, damit die Heizung nicht ganz abkühlte. Jetzt strömte wieder warme Luft in den Innenraum und es wurde beinahe richtig gemütlich. Ich öffnete meine Jacke. Ja, so ließ es sich aushalten! Plötzlich klopfte es wieder an das Beifahrerfenster. Blieben einem denn hier nicht einmal ein paar Minuten Ruhe! Der aufdringliche Kerl von vorhin stand wieder da und fuchtelte erneut mit seiner dämlichen Kamera herum. Ob er mir die leihen würde, falls ich Densel hinterher musste? Ich glaubte eher nicht …

      „Ich denke, sie wollten wegfahren!“ Das hochrote Gesicht sprach Bände. Langsam kurbelte ich das Fenster ein Stück herunter. „Was ist denn?“ Ich musste mich schließlich auf meine Aufgabe konzentrieren und konnte nicht jedem Spinner meine Zeit opfern.

      „Sie wollten doch wegfahren“, beharrte der Nerver.

      „So, wollte ich das? Warum kümmern sie sich nicht um ihren eigenen Krempel? Sind sie so etwas wie der Dorfsheriff hier oder eher der Dorftrottel?“

      Der Mann drückte wie wild auf seiner Kamera herum. „Jetzt zeig‘ ich sie an, jetzt zeig‘ ich sie an“, brüllte er immer wieder. Ich grinste. Dann kam mir eine Idee. Langsam schob ich meine Jacke ein wenig zur Seite, so dass mein Schulterholster mit dem 36er zum Vorschein kam. „Sie behindern mich bei der Arbeit. Wenn sie nicht sofort verschwinden, wird das Konsequenzen haben!“

      Der Mann blickte entsetzt auf meine Waffe. Dann wollte er die Kamera hochnehmen, rutschte aber mit zittrigen Fingern vom Gerät. Scheppernd fiel der Apparat zu Boden. Bevor ich das Fenster wieder hochkurbelte, zog ich meinen Smith & Wesson ein wenig hervor. Böse, mit einem grimmigen Gesicht, schaute ich den selbsternannten Polizisten an.

      Sekunden später war der Mann wieder in seinem Haus verschwunden.

      Es dauerte keine fünf Minuten, dann klopfte es wieder an meine Seitenscheibe. Diesmal handelte es sich allerdings nicht um den Blockwart von eben, sondern um einen grimmig dreinschauenden Polizisten, dessen Kollege mit gezogener Waffe ein paar Meter weiter entfernt stand. Seufzend öffnete ich das Fenster.

      „Aussteigen. Und die Hände immer so, dass ich sie sehen kann!“

      Langsam verließ ich den Wagen. „Worum geht es denn, meine Herren“, versuchte ich zu erfahren, was die Polizisten nun wieder von mir wollten. Aber die Frage erübrigte sich, denn jetzt zog der Polizist mir meine Waffe aus dem Halfter und hielt sie seinem Kollegen triumphierend hin. „Ein Revolver.