Jürgen H. Ruhr

Undercover - Auftrag


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Zimmer zog, wandte der Mann sich an seine Frau: „Mach‘ uns doch mal einen Kaffee und dann bringst du die Dose mit dem Terpentin und einen Lappen mit.“

      Dann nötigte er mich, auf dem einzigen Stuhl in diesem Büro Platz zu nehmen.

      „Herr Eggbert“, begann ich, wurde aber von der Frau unterbrochen.

      „Hier ist schon einmal das Terpentin.“ Sie drückte ihrem Mann eine rote Dose mit Drehverschluss in die Hand. Dann verschwand sie wieder.

      „Und der Lappen?“, Herr Eggbert murmelte das nur so vor sich hin, dann zog er aus seiner Tasche ein Taschentuch. Großzügig benetzte er mit dem Lösungsmittel das Tuch und noch ehe ich mich versah, rubbelte er an meinem Jackett herum. Der Gestank war fürchterlich.

      „Das ist doch nicht notwendig“, versuchte ich mich zu wehren, doch Eggbert ließ nicht locker. Erneut goss er Terpentin nach. „Sonst bekommen sie den Flecken nie wieder heraus. Das wäre doch schade um das schöne Jackett.“ Jetzt kippte er einen Schwall direkt über die Jacke.

      „Sie dürfen sich jetzt nur keine Zigarette anzünden“, scherzte er. Dann endlich schien sein Werk getan. Ich versuchte zu erkennen, ob der Fleck nun beseitigt war, musste aber feststellen, dass sich das Ganze nur noch vergrößert hatte. Auch wurde mir von den Schwaden nun etwas mulmig.

      „Können wir jetzt vielleicht zu dem Fall kommen? Soweit ich informiert bin, handelt es sich um einen ihrer Mitarbeiter?“ Dank des Geruchs wurde meine Aussprache jetzt ein wenig undeutlich. Wieso verfügte dieser Raum auch über keine Fenster?

      „Genau, Herr Lärpers.“ Eggbert schien der Gestank nichts auszumachen. „Mein Mitarbeiter heißt Gerd Densel. Der Mann war schon häufig krank, aber wir haben uns dabei nie etwas gedacht. Bis eine Bekannte bei einer dieser Verkaufspartys etwas über den Mann hörte. Sie dachte sich nichts dabei, erzählte uns aber davon, da sie das so komisch fand.“

      Mir wurde langsam übel von dem Geruch. Vielleicht ließ sich das hier ein wenig beschleunigen und dann nichts wie raus an die frische Luft! „Was für eine Party? Verkaufsparty?“

      Eggbert nickte. „Ja, so eine Verkaufsparty. Wo alle zusammensitzen, Kaffee und Sekt trinken und etwas kaufen sollen. So wie Tupperpartys. Kennen sie die?“ - „Nein. Also, was für eine …?

      „Eine Dessousparty. Verstehen sie? Aber das spielt ja auch keine Rolle.“

      „Nein, spielt keine Rolle“, echote ich und überlegte, worüber wir gerade sprachen. Unauffällig sah ich mich um, ob ich mich im Notfall irgendwohin übergeben konnte. „Und was hat ihnen ihre Bekannte berichtet?“ - „Nun, dass dieser Mann nebenher arbeitet. Unsere Bekannte wusste ja nicht, dass wir einen Angestellten mit dem Namen Densel haben. Als sie das dann aber erwähnte, ging mir ein Licht auf.“ - „Ein Licht?“

      Eggbert sah mich besorgt an. „Ist ihnen nicht gut, Herr Lärpers? Das kann nur an der Currywurst mit den Fritten liegen. Vielleicht war die Mayonnaise nicht mehr in Ordnung. Atmen sie mal tief durch, dann geht es ihnen gleich besser.“

      Ich musste raus hier. An die frische Luft. „Ich werde mich darum kümmern“, brachte ich mühsam hervor. In diesem Moment kam die Frau mit einem Tablett, auf dem zwei dampfende Tassen Kaffee standen, durch die Tür. Der kräftige Kaffeegeruch vermischte sich mit der Terpentinwolke. Für mich gab es kein Halten mehr. „Ich kümmere mich“, würgte ich noch hervor, dann rannte ich an der Frau vorbei durch den Laden und hinaus auf die Straße. Ein tiefer Atemzug frische Luft, dann übergab ich mich auf den Gehweg. Currywurststückchen, zerkleinerte Fritten und eine weiße Pampe - Mayonnaise. Immer noch war mir furchtbar schwindelig.

      Ein älteres Ehepaar beobachtet mich von der anderen Straßenseite. Wohl extra so laut, dass ich es auch hören musste, meinte der Mann zu seiner Frau: „Das ist ja ekelhaft. Jetzt kotzen die Penner schon am helllichten Tag mitten auf die Straße! Schon am frühen Nachmittag betrunken! Wo soll das noch hinführen!“

      Während ich zu meinem Wagen schlich, entledigte ich mich des Jacketts, das ich unterwegs in einen Mülleimer stopfte. Meine Papiere nahm ich natürlich vorher aus der Jacke. Gut, dass im Kofferraum meines Wagens noch eine Ersatzjacke lag …

      Während ich im Wagen vor mich hindöste - in diesem Zustand war fahren einfach nicht möglich - überlegte ich mir das weitere Vorgehen. Irgendwann schlief ich ein und erwachte völlig gerädert bei Anbruch der Dunkelheit. Jetzt erst bemerkte ich, wie kalt es war. Frierend startete ich den Motor und wartete sehnsüchtig darauf, dass die Heizung endlich warme Luft in den Innenraum blasen würde.

      Am nächsten Morgen erwachte ich mit einer gehörigen Portion Kopfschmerzen. Bis jetzt war ich noch nicht dazu gekommen, mir über den Fall Gedanken zu machen. Aber was gab es da schon großartig nachzudenken? Ich würde den Knaben observieren und meine Ergebnisse an Eggbert liefern. So einfach wäre das.

      Allerdings bereute ich jetzt, keine näheren Informationen erhalten zu haben. Wann ging dieser Gerd Densel eigentlich seiner Nebenbeschäftigung nach? Und um was für eine Tätigkeit handelte es sich überhaupt? Ganz klar, hier war meine Kreativität gefragt. Densel hatte sich krank gemeldet? Somit musste er sich zu Hause befinden. Eigentlich.

      Auf das Frühstück verzichtete ich, momentan kämpfte ich leider noch mit einer leichten Übelkeit. Noch immer befand sich dieser Terpentingeruch in meiner Nase. Allein der Gedanke daran ließ mich erneut würgen.

      Schließlich schnappte ich mir das Telefon und rief im Büro an: „Ja, Birgit. Dir auch einen guten Morgen.“ Mein Entschluss, Densel heute zu observieren und vorher nicht erst ins Büro zu fahren, stand fest. Jetzt musste ich lediglich Birgit informieren, damit auch das Büro Bescheid wusste. Sie murmelte am anderen Ende etwas, was ich nicht verstand. „Ich observiere heute diesen Gerd Densel und komme nicht ins Büro. Ja, du kannst mich per Handy erreichen.“

      Densel wohnte in Rheydt auf der Königstraße. In einem dieser älteren Mehrfamilienhäuser. Nachdem ich mich ausreichend mit Brötchen und Getränken eingedeckt hatte, ließ ich meinen Wagen langsam durch die Straße rollen. Mit ein wenig Glück würde ich einen Parkplatz finden! Das Glück war mir natürlich nicht hold und am Ende der Straße legte ich den Rückwärtsgang ein und fuhr langsam zurück.

      Plötzlich hupte es hinter mir wie wild. Schon öffnete sich die Tür eines aufgemotzten Opel Corsa und wild gestikulierend rannte ein junger Mann auf mich zu. Ich kurbelte mein Fenster ein Stück herunter, der Typ jedoch riss einfach meine Türe auf.

      „Du wohl blöd, was? Das hier Eibahnstraße!“ Ich schaute ihn fragend an. Eibahnstraße? „Sie meinen Einbahnstraße?“ Das musste mir entgangen sein, die Schilder standen aber auch immer so unglücklich, da musste man sie ja übersehen ...

      „Du wohl Klugscheißer, was?“ Jetzt zerrte der Kamerad an meinem Arm. Was wollte der Mann denn eigentlich? Ich löste meinen Sicherheitsgurt. „Was wollen sie? Gut, dies hier ist eine Einbahnstraße - sorry. Mein Fehler. Aber es ist ja nichts passiert, also lassen sie mich doch einfach weiterfahren!“

      „Du gefährlich Autofahrer.“ Es musste sich um einen Türken handeln. An seinen Sprachkenntnissen sollte der Mann auf jeden Fall noch einmal feilen. „Ich habe mich doch schon entschuldigt. Was wollen sie mehr? Nun steigen sie schon in ihre aufgemotzte Karre!“ Ich versuchte es immerhin recht freundlich, rechnete aber nicht mit diesem aufdringlichen Zeitgenossen.

      Schnaufend zerrte er mich aus dem Wagen. „Du nicht motzen!“ Dann bekam ich einen Schlag in den Magen.

      Nun bin ich kein Freund von Schlägen in den Magen. Schon gar nicht, wenn mir morgens so übel ist, dass ich noch nicht einmal etwas essen kann. Ich sah den Mann drohend an. „Das reicht mein Freund. Steigen sie in ihre Kiste und gut ist!“

      „Kiste? Kiste?“ Jetzt fing der Türke an, sich noch mehr aufzuregen. Dann holte er erneut aus, diesmal zielte der Schlag auf mein Gesicht. Doch jetzt reichte es mir. Einfach unschuldige Autofahrer belästigen! Instinktiv wandte ich nun mein über die Jahre erworbenes Krav Maga Kampftraining an. Ich wich einfach zur Seite. Die Faust des erbosten Türken donnerte gegen die Dachstrebe meines Fahrzeuges. Der Mann heulte kurz auf,