Stefan Häring

Tamiehland


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bewegte er sich zu ihnen hin.

      "Woher kennt ihr meinen Namen?" fragte er sie, als er kurz vor ihnen angehalten hatte. "Wer seit ihr, dass ihr mit mir reden wollt? Was wollt ihr von mir? Ich kenne euch nicht und habe euch nie zuvor gesehen."

      Bevor einer von ihnen antwortete, hob der Rotgekleidete seine linke Hand und gleich darauf ertönte hinter Firah ein seltsames Geräusch, als wenn jemand einen Vorhang zuziehen würde. Er drehte sich um und sah tatsächlich einen Vorhang, der genauso aussah wie die Mauer rings um sie herum. Er schirmte sie in Richtung Burgdurchgang ab, auch konnte er keinerlei Stimmen von der anderen Seite des Vorhanges mehr vernehmen. Die Drei waren nun von dem Leben auf der Burg isoliert, als wenn es nur noch sie drei geben würde. Mit einem Male verspürte er ein kleines Angstgefühl in sich aufsteigen und er wollte versuchen wegzurennen, als ihm der Rotgekleidete auf die Schulter fasste. Durch diese Berührung wurde ihm auf unerklärliche Weise jedes Angstgefühl genommen und er fühlte sich wieder sicher.

      "Bleib, Firah", sagte die zur Hand gehörende Stimme. "Wir werden dir nichts tun. Du brauchst keine Angst vor uns zu haben." Und nachdem sich Firah wieder zu ihnen umgedreht hatte, fuhr er fort. "Mein Name ist Schamir und das ist Schimar. Wir sind die Getreuen von Ramsus, den wahren Herrscher von Tamiehland."

      "Ich kenne keinen Ramsus", unterbrach ihn Firah. "Wie kann ich euch glauben, wenn ihr mir von einem Herrscher erzählt, den es gar nicht gibt. Hier in Tamiehland regiert schon solange ich denken kann Kasmir, auf dessen Burg wir uns befinden. "Er drehte sich wieder zum Vorhang und wollte sich gerade losreißen, als er hinter sich wiederum ein für ihn seltsames Geräusch hörte. Vorsichtig drehte er seinen Kopf zurück und die beiden hatten plötzlich nicht mehr ihre roten und grünen Kleider an, sondern war nun der eine in weiß und der andere in schwarz gekleidet.

      "Was sind hier für Mächte am Werk?" dachte er bei

      sich. Bisher hatte er so etwas nur aus den

      Märchenerzählungen von seiner Mutter gehört. Aber nun erlebte er es mit seinen eigenen Augen und er wollte schon losbrüllen, als wiederum Schamir das

      Wort ergriff.

      "Nun lauf nicht gleich weg, bevor wir dir nicht alles erzählt haben. Wir geben dir auf alle Fragen eine Antwort, wenn es in unserer Macht steht. Solltest du uns dann immer noch glauben, werden wir dich um deine Hilfe bitten. Ob du sie uns dann gewährst, ist dann ganz alleine deine Entscheidung." Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. "Wir beide sind schon seit ewigen Zeiten die Beschützer der rechtmäßigen Herrscher deines Heimatlandes. Der jetzige Herrscher, Kasmir der Reiche, hat vor einigen Jahren, durch eine hinterlistige Intrige, die Macht unrechtmäßig an sich gerissen. Wir sind ihm erst vor ein paar Wochen auf die Schliche gekommen. Da er alles gut geplant und noch besser vertuscht hatte, hat er sogar uns beide täuschen können. Das ihm das gelungen ist, macht uns noch immer sehr zu schaffen. Wenn wir bedenken, dass wir ihn in den letzten Jahren immer wieder vor Unheil bewahrt haben, sollten wir eigentlich nicht mehr hier sein. Doch nun haben wir die einmalige Chance alles wieder gut zu machen. Wir fragen uns auch immer wieder, warum wir nicht schon eher misstrauisch geworden sind, aber sicher waren wir viel zu gutgläubig." Wiederum schwieg er einige Sekunden und setzte dann mit etwas mehr Kraft in seiner Stimme fort. "Wir sind, wie ich schon sagte, die Berater des jeweiligen Herrschers, ohne das derjenige von unserer Existenz weiß. Doch nun haben wir erfahren, das Kasmir ein Betrüger ist und der wahre Herrscher noch lebt. Unsere Aufgabe ist es nun, ihn aus seinem Gefängnis zu befreien, auch wenn es ihm nicht so vorkommt. Zuerst müssen wir ihn finden und dann muss er behutsam auf seine Aufgaben vorbereitet werden. Und hier kommst du nun ins Spiel, Firah. Du bist der Auserwählte, der uns dabei helfen kann. Du kannst frei entscheiden, ob du es willst oder nicht. Niemand wird dir böse sein. Solltest du dich jedoch dagegen entscheiden, kannst du gehen und alles was du hier gehört und gesehen hast, wirst du vergessen. Es bleibt alles wie es ist."

      Firah war sich noch immer nicht sicher, ob er das alles nur träumte. Es hörte sich so phantastisch an, was die beiden ihm erzählt hatten. Nachdem er alles so einigermaßen begriffen hatte, schaute er ihnen nacheinander in die Gesichter, senkte anschließend seinen Kopf. Nach einer weiteren Pause fand er seine Stimme wieder und begann zu reden.

      "Ich bin gerade einmal zwölf Jahre, was kann ich schon machen? Außerdem hört sich das ziemlich verrückt an, was ihr mir da gerade erzählt habt. - Ihr wollt mich doch sicher nur auf die Probe stellen, ob ich ein treuer Diener von Kasmir bin, hab ich recht?“ "Nein, es ist alles so, wie Schamir es dir erzählt hat", sagte Schimar. "Damals war die Frau von Kismar, dem Vorgänger von Kasmir, schwanger. In ihr wuchs der neue Herrscher, der Ramsus heißen sollte, heran. Bei der Geburt waren nur ein Arzt und eine Hebamme anwesend. Alle beide waren vom missgünstigen Bruder Kismars, dem jetzigem Herrscher Kasmir, gekauft worden. Sie schafften nach der Geburt das Kind aus der Burg und sagten, es sei tot zur Welt gekommen. Da seine Frau bei der Geburt starb, wurde Kismar durch den schweren Verlust, er hatte seine Frau über alles geliebt, sehr krank, da er sehr sensibel war. Er starb sechs Wochen später an gebrochenem Herzen. Da ja angeblich kein Nachfolger da war, wurde Kasmir zum neuen Regenten von Tamiehland ernannt. Wir haben von alledem nichts gewusst und beschützten ihn genauso, wie seinen Vorgänger. Und da er sich in letzter Zeit immer weiter vom gerechten Weg entfernt hat. - Wie du ja bestimmt weißt, geht es dem Volk immer schlechter, da Kasmir willkürlich die Abgaben erhöht und das Gold, beziehungsweise Nahrungsmittel, in der Burg hortet, statt es dem Volk im angemessenem Maße wiederzugeben. Vor einigen Wochen haben wir dann durch Zufall erfahren, da Kasmir im Schlaf redet, was damals wirklich vorgefallen ist. Wir wollten den Arzt oder die Hebamme aufsuchen und herausbekommen, wo sie damals den Säugling hingebracht haben. Beide sind aber innerhalb von vier Wochen, nach dem Betrug, gestorben."

      "Dann sind sie bestimmt ermordet worden!" unterbrach ihn Firah.

      "Das wissen wir nicht, vermuten es aber", fuhr Schamir nun fort. "Der Säugling wurde jedenfalls zu einer Mutter in einem der kleinen Dörfer, in der Nähe der Burg gebracht. Diese hatte tatsächlich eine Totgeburt und der Thronfolger wurde mit dem ihren ausgetauscht, ohne das sie es merkte. Eigentlich sollte er von einigen Soldaten, die Ramsus weggeschafft haben, getötet werden, doch sie hatten Mitleid mit ihm und widersetzten sich dem Befehl von Kasmir. Doch irgendwie hat Kasmir in der letzten Zeit davon Wind bekommen, wie wissen wir nicht. So hat er sich nun einen teuflischen Plan ausgedacht. Er hat das ganze Gold fortschaffen lassen und es als gestohlen gemeldet. Wir vermuten, er will damit den wahren Herrscher aus seinem Versteck locken und ihn so töten lassen. Das Gold muss aber noch auf der Burg sein, wahrscheinlich ist es in den Gewölben unterhalb der Burg, die Kasmir in den letzten zehn Jahren hat anlegen lassen. Es muss da unten so etwas wie eine eigene Welt geben, denn er lässt dort seit Jahren alle Lebewesen hinunterschaffen, die er von seinen kriegerischen Ausflügen in unsere Nachbarländer mitgebracht hat. Auch die vielen Lebensmittel, die er statt Gold von den Bauern einfordert, schafft er dort herunter, um seine Gefangenen zu versorgen. Uns ist es leider nicht möglich die Gewölbe zu betreten, da wir normalerweise für niemanden sichtbar sind. Uns war es nur erlaubt, einmal für ein unschuldiges, mutiges Kind sichtbar zu werden, bei dem wir meinen es würde uns bei unserer Mission helfen. Und die Wahl ist auf dich gefallen. Wir sind der Ansicht, du bist genau der, der Tamiehland vom falschen Herrscher befreien und Ramsus auf seinen verdienten Thron bringen kann. Wir würden Ramsus suchen und ihn auf seine Aufgaben vorbereiten. Deine Aufgabe wäre es, das Gold zu finden und gleichzeitig beweisen, dass Kasmir es selber war, der es beiseite geschafft hat. Dann kann Ramsus das Land wieder auf einen gerechten Weg führen und wir hätten wieder mit den Nachbarländer eine friedliche Beziehung."

      "Was seit ihr? Geister?" fragte Firah mit ungläubigen Gesicht.

      "Wir sind ein Teil vom Guten dieser Welt", ergriff nun wieder Schimar das Wort. "Wir sind für euer Land zuständig. Aber allein können wir nichts machen. Da wir, wie gesagt für niemanden sichtbar sind und folgerichtig auch nichtsanfassen können, außer dich jetzt, sind wir auf fremde Hilfe angewiesen. Wir warten hier nun schon seit zehn Tagen auf eine geeignete Person und nachdem sich gestern die Geschehnisse zugespitzt haben, sind wir dankbar, das dich dein Weg heute zur Burg geführt hat, sonst wäre es vielleicht zu spät gewesen. Denn bis heute schien uns keiner so geeignet wie du. - Nun fragen wir dich, Firah. Willst du uns helfen?"

      Ohne ein Wort zu sagen, drehte Firah