Michael Aulfinger

Urlaub inklusive Mord


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einer Art Schock, und der Schmerz würde erst später kommen, wenn ihr das ganze Ausmaß der Tat im Geist bewußt werden würde? Aber es ging ihm auch nichts an, und deshalb fragte er sie nicht danach.

      Jeder Mensch reagiert auf harte Schicksalsschläge differenziert. Er wußte, wovon er redete. Er hatte seine eigenen Erfahrungen beim Verlust seines Sohnes erlebt. Aber sofort verdrängte er diesen aufkommenden Gedanken, da er den Unfall eigentlich vergessen wollte. Doch geschah es bisweilen, daß er an seinen Sohn denken mußte. Es quälte ihn seelisch. Sofort überkam ihn die schmerzhafte Erinnerung. Er versuchte sich abzulenken, und wandte sich Ute zu.

      „Bist du damit einverstanden, wenn ich morgen früh angeln gehe? Vielleicht fange ich ja was fürs Essen.“

      „Geh ruhig. Das ist schon in Ordnung. Ich vertreib mir so lange hier die Zeit.“

      „Aber nur, wenn es dich nicht stört, daß du alleine bist. Oder möchtest du mit?“

      „Nein danke. Angeln ist mir zu langweilig. Aber trotzdem danke der Nachfrage. Du brauchst dir keine Gedanken machen. Ich finde mich schon alleine zurecht. Irgendwie werde ich die Zeit schon herum kriegen. Vielleicht werde ich lesen, oder spazieren gehen. Irgendwas wird mir schon einfallen.“

      „Gut.“ Nils schnalzte mit dem Mund. Er hatte noch eine organisatorische Frage, die der Klärung bedurfte, aber ihm ein wenig peinlich war.

      „Wie stellst du dir das mit dem Schlafen vor? Ich habe noch eine Luftmatratze dabei.“

      Ute sah ihn verwirrt an. Es war ihr anzusehen, daß sie sich darüber noch keine Gedanken gemacht hat.

      „Ist denn im Wagen Platz genug für uns beide?“

      „Eigentlich... ja.“

      „Mich würde es nicht stören. Was ich nicht so gerne hätte, wäre es, wenn du draußen wegen mir schlafen müßtest, oder ich. Ich möchte im Moment nicht alleine schlafen. Also, wenn es dich nicht stört, dann laß uns beide im Wagen schlafen.“

      „In Ordnung.“ Nils war froh, diesen Punkt geklärt zu haben, anderseits erwachte nun ein komisches Gefühl in ihm. Es war schon lange her, daß eine Frau neben ihm geschlafen hatte. Waren seitdem schon zwei Jahre vergangen? Wie doch die Zeit verging. In der letzten Zeit hatte er in weiblicher Hinsicht keinerlei Ambitionen und Begierden gehabt, oder Anstrengungen unternommen. Zur Zeit stand er auf dem Standpunkt, daß er im Moment keine zusätzlichen Probleme benötigte, die er ohne Frau gar nicht erst hätte. Er war auf dem besten Wege ein eingefleischter Junggeselle zu werden. Aber Ute war nicht der Typ, der diesen Zustand in nächster Zeit ändern würde. Da war er sich sicher. Er fand sie zwar einigermaßen attraktiv, aber am wichtigsten war ihm zuerst, ihr helfen zu können. Das war ihm eigentlich wichtig, und er war entschieden abgeneigt ihre derzeitige hilflose Lage sexuell auszunutzen. Andererseits fand er auch einen gewissen Gefallen daran sich ihr gegenüber ritterlich zu verhalten. Dies war gut für sein Ego, und signalisierte ihm einen gewissen Grad des Gebrauchtwerdens, nachdem sich seine Familie aufgelöst hatte. Für einige Menschen ist es sehr wichtig, das Gefühl zu haben, noch benötigt zu werden. Bei Nils war es nicht anders.

      Dies zeigte ihm, daß er immer noch nicht gänzlich darüber hinweg war. Es bedurfte halt viel Zeit, bis alle Wunden verheilt waren. Und einige Wunden heilen nie.

      Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch die Glasscheiben ins Fahrzeuginnere. Die Vorhänge waren nicht dunkel genug, um den Innenraum komplett vor Licht zu schützen. Nils öffnete die Lider. Leise drangen Atemgeräusche an sein Ohr. Ute hatte durchgeschlafen. Es lag ihm fern sie auch jetzt zu wecken. Wie in einer Zeitlupenwiederholung einer Fußballszene, bewegte er sich äußerst rücksichtsvoll aus dem Bett. Nachdem er die Wagentüre wieder vorsichtig ins Schloß fallen ließ, wandte er sich den Sanitären Einrichtungen zu. Nach der Verrichtung der Morgentoilette holte er seine Angelausrüstung unter dem Bus hervor, die er in weiser Voraussicht am Abend vorher da schon deponiert hatte. Dann machte er sich auf dem Weg zu der Angelstelle, die er am Abend vorher noch mit Ute zusammen, bei einem Spaziergang, ausgekundschaftet hatte.

      Erfreut stellte er fest, daß er wiederum der einzige Angler in dieser frühen Morgenstunde war.

      Als nächstes zog er Maden auf den Haken, und warf die Angel aus. Als die ersten Minuten auf seinem Angelhocker vergangen waren, umgarnte ihn wiederum das friedliche Gefühl der Ruhe. Glück war im Grunde so einfach. Manchmal waren es die einfachen und kleinen Dinge im Leben, die Glück bedeuten. Man muß sie nur erkennen. Und dies bedeutet für einige Menschen eine unüberwindbare Schwierigkeit. Nach den Erlebnissen des vergangenen Tages war er zu diesem Zeitpunkt glücklich. Er hoffte, daß dieser Zustand jetzt für den Rest seines Urlaubes anhalten würde.

      Wie viel Zeit vergangen war, konnte Nils nicht genau sagen. Das zappeln an der Schnur und der Rute weckte ihn aus seinem schläfrigem Zustand. In Sekundenschnelle war er hellwach, drehte die Rolle, und pumpte die Rute an. Das zappeln des Fisches war gering. Ohne größere Schwierigkeiten gelangte der Fisch an Land. Nils befreite den Fisch vom Haken und besah ihn genauer. Es war ein kleiner Hasel, von zwanzig Zentimeter Länge, und mochte nicht mehr als dreihundert Gramm gewogen haben. In dem hintersten Stübchen seines theoretischen Wissens kramte er hervor, war er über Hasel wußte. Es war nicht viel. Das Fleisch war nicht besonders geschätzt, weil es trocken war, und viele Gräten enthielt. Kurz entschlossen warf er den Fisch zurück ins Wasser. Dieser freute sich über seine wieder gewonnene Freiheit, und ward nicht mehr gesehen. Dann warf er erneut die Angel aus.

      Abermals nahm er Platz, und beobachtete wie ein Vogelschwarm aus einer Baumkrone eines am Ufer befindlichen Baumes abhob, in die Luft aufstieg, und über dem See nach Westen zog. Sein Blick folgte der Vogelschar, doch wurde seine Aufmerksamkeit von ihr abgelenkt, denn er vernahm hinter sich Schritte. Er drehte sich um und gewahrte Ute. Sie lächelte ihn an. Ihre Augen wirkten erfrischt. Der Schlaf schien ihr gut bekommen zu sein. Keinerlei Anzeichen ließen auf einen erst am vergangenem Tag erlebten Verlust schließen. Es hatte den Anschein, als wenn sie das Erlebte seelisch gut verarbeitet hätte.

      „Guten Morgen. Ich hoffe, ich störe dich nicht.“

      In ihrer Stimme klang im Unterton ein Spur von Frohsinn mit. Nils irritierte dies ein wenig.

      „Guten Morgen Ute. Nein, dies tust du keineswegs. Wie hast du geschlafen?“ Es gab noch einen anderen Grund, den ihn ein wenig verwirrte. Einerseits wollte er alleine sein, andererseits freute es ihm, daß sie ihn besuchte.

      „Super. Danke. Ich habe den Campingbus abgeschlossen. Hast du schon was gefangen?“

      „Ja, einen kleinen Hasel, aber die schmecken nicht, und so habe ich ihn wieder ins Wasser geworfen. Hast du denn schon gefrühstückt.“

      „Nein, noch nicht. Ich habe aber auch noch keinen Hunger.“

      Ute wollte gerade noch etwas sagen, als sie eine Bewegung an der Rute wahrnahm. Sie zeigte sofort mit dem Finger dahin und bemerkte nur

      „Da.“

      Vereint holten sie die Beute an Land, eine wohlschmeckende Äsche. Es war ein besonderes Ereignis eine Äsche zu fangen, allein dies war schon eine Seltenheit. Aber dieser See war ebenfalls mit der Havel verbunden, und somit war wiederum ein reger Fischaustausch möglich. Ansonsten ist die Äsche nämlich ein Flußfisch, und verirrt sich selten in stehende Gewässer. Nils freute sich darüber, und warf die Angel erneut aus. Die Äsche legte er in einen Eimer, und bot Ute seinen Hocker als Platz an. Er war gerade dabei ein anderes Vorfach und einen anderen Haken aus seiner Kiste herauszunehmen, die er beim nächsten mal ausprobieren wollte, als Ute wiederum zur Angel zeigte.

      „Da schau, schon wieder einer.“

      Diesmal holten sie einen prächtigen Karpfen an Land. Ute und Nils strahlten.

      „Das Essen ist gerettet. Du scheinst mir ja wirklich Glück beim Angeln zu bringen. Seit du hier bist habe ich schon zwei Prachtexemplare gefangen.“

      Sie sahen sich an, und Nils sah verlegen weg, als er bemerkte, wie sie ihn anstrahlte. Es war ihm peinlich. Verlegen befestigte er den neuen Haken am Vorfach, und diesen an der Schnur, und warf die Angel wieder aus.

      Andererseits