Michael Aulfinger

Urlaub inklusive Mord


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freue ich mich schon. Ach übrigens. Morgen früh können wir nach Neustrelitz fahren. Ich denke, du benötigst dringend neue Bekleidung.“

      „In Ordnung,“ antwortete sie, “aber eins will ich gleich klar stellen. Das Geld für die Klamotten bekommst du alles wieder. Das ist mir wichtig. Nicht, das ich undankbar erscheinen möchte. Aber andererseits möchte ich dir auch nicht auf der Tasche liegen, so daß der Eindruck entstehen könnte, ich würde dich finanziell ausnutzen.“

      „Da brauchst du keine Angst zu haben. Wenn es dir so wichtig ist, kannst du mir alles wieder geben, wenn es dir wieder besser geht, aber im Moment hast du nun mal kein eigenes Geld, und keine Klamotten. Das ist nun mal Fakt. Darum geht es mir. Aber es ist gut, das wir das geklärt haben.“

      Nils wandte sich seiner Angel zu, und Ute nickte einverstanden. Sie saß auf dem Hocker, und verfolgte interessiert, wie er fachmännisch mit seiner Angelausrüstung umging. Sie verloren jedes Zeitgefühl.

      Die Nachmittagssonne brannte hernieder. Ihr Stellplatz war im immer länger werdenden Schatten großer Bäume. Sie waren gerade mit dem Essen fertig. Den filetierten Fisch hatten sie in einer Pfanne auf dem Gaskocher gebraten. Gesättigt lehnten sie sich zurück, und genoßen das ruhige Treiben auf dem Campingplatz. Die meisten Urlauber waren noch unterwegs auf Ausflügen, in der Umgebung, oder am Strand. Gemeinsam bewältigten die beiden das aufräumen und gingen abwaschen.

      Anschließend nahm sich Ute von Nils Duschgel und ein Handtuch. Mit ein paar Münzen ausgestattet, ging sie dann zur Rezeption, um Duschmarken käuflich zu erwerben.

      Nils hatte es sich derweil auf der Luftmatratze bequem gemacht. Sie lag vor der Stirnseite des Campingwagens dem Wald zugewandt. Vom Weg her, auf dem die Urlauber gingen und fuhren, waren somit nur seine Beine zu sehen. Er nahm sich sein Buch zur Hand. Es war der Krimi „Mörder ohne Gesicht“ von Henning Mankell. Als er den Titel genauer betrachtete assoziierte er ihn auf Thorben, dessen Antlitz er auch nicht gewahr werden konnte. Das Buch war spannend, und bald war er von der Geschichte gefesselt. Es handelte von einem brutalen Doppelmord an einem älteren Ehepaar. Dabei waren die Spuren anfangs sehr gering. Es gab keinerlei Anhaltspunkte. Der Kommissar Kurt Wallender hatte außerdem auch seine privaten Probleme, mit seiner Tochter und seiner Exfrau.

      Doch wurde seine Aufmerksamkeit jäh abgelenkt, als er unverhofft eilige Schritte vernahm. Zwischen den Reifen, unter dem Bus hindurch schauend, gewahrte er weibliche Beine, die laufend direkt auf ihm zusteuerten. Sie hatte es wahrlich eilig. Doch blieb sie abrupt am Heck des Fahrzeugs stehen, und verrichtete dort eilig etwas, was ihm verborgen blieb. Wenige Sekunden später kam sie eilig um den Wagen, ohne Handtuch, herum gelaufen, und warf sich völlig überraschend direkt auf Nils. Diesem fiel überrumpelt das Buch aus der Hand, und er spürte den Atem von Ute. Ihre Köpfe waren nur wenige Zentimeter von einander entfernt. Aufgewühlt erschien sie ihm, und legte ihm sogleich die Handfläche auf dem Mund, die ihm zum Schweigen nötigte. Seine Augen drückten Unverständnis aus. Flüsternd erklärte sie ihm ihr Verhalten.

      „Sie sind hier. Ich habe sie von der Rezeption aus gesehen. Sie laufen rum und suchen uns. Hier liegen wir gut. Von dem Weg aus sind nur unsere Beine zu sehen. Am besten wir spielen ein Liebespaar, das ist am unauffälligsten.“

      Nils nickte, und sofort nahm sie die Hand von seinem Mund. Beide spähten sie in ihrer übereinander liegenden Position unter dem Bus hindurch. Da gewahrte Nils in seinem eingeschränkten Blickfeld zwei männliche Beinpaare, die in kurzen Hosen vorbei schlenderten. Als sie in Höhe seines Busses anhielten, stockte Nils der Atem. Er spürte wie sie zu ihnen sahen, aber nur die Beine erblicken konnten. Die Fußspitzen der beiden Männer zeigten in seiner Richtung.

      Da drehte er leicht seinen Kopf gerade, um Ute anzusehen. In dem Moment bemerkt er wie ihr Kopf sich senkte, seinem näher kam, und schon spürte er ihre Lippen auf den seinen innig gepreßt. Er begriff. Wie ein Liebespaar in einer herzergreifenden Kußszene umfaßten seine bisher herabhängenden Arme ihren Köper. Seine Hände wanderten ihren Körper entlang. Er fühlte einige Rippen unter ihrem T-Shirt. Ebenso ihre Brüste. Sofort tauschten sie auf der Luftmatratze heftige Küße aus, und ihre Hände ertasteten weiterhin den jeweils anderen Leib. Innerhalb einer Sekunde, hatten beide das Herum vollständig vergessen. Die beiden Männer, welche ihre Beine beobachteten, waren aus ihrem Bewußtsein gewichen. Schlagartig hatten sie den eigentlichen Grund der grotesken Situation vergessen. In diesen Sekunden gab es nur sie. Sonst war die Welt um sie herum aufgelöst und nicht existent.

      Aus Furcht wurde animalische Begierde. Die Lust hatte sie beide ergriffen. So etwas hatte er lange nicht mehr gefühlt, oder gar erlebt. Es war wie im Kino. Ein gelebter Traum.

      Doch genauso schnell, wie die Begierde gekommen war, ebbte sie auch wieder ab. Verwirrt lösten sich ihre Lippen, nachdem jeder seine Zunge wieder in seinen eigenen Mund zurück geführt hatte. Die Hände standen wieder still. Wie, als wenn sie aus einem Traum erwacht waren, so fühlten sie sich. Es bedurfte einige Sekunden um die Situation zu begreifen, in der sie sich in diesem Moment befanden.

      Gedenk der Realität blickten sie nun zwischen den Reifen hindurch, und sahen das die beiden Männer, deren Gestalten nun in Miniaturformat von hinten zu sehen waren, weiter gegangen waren.

      Langsam löste sich Ute von Nils, und stand auf. Sie schob langsam die Haare aus dem Gesicht. Ihre Lippen zitterten. Sie erschien völlig verwirrt. Nils ging es ebenso. Mit seiner rechten Hand fuhr er durch sein aufgewühltes Haar, und schüttelte den Kopf. Was eben geschehen war, war für ihn schwer zu glauben. So etwas war ihm noch nie passiert.

      „Das ist ein Urlaub. Der ereignisreichste, den ich je erlebt habe. Wow.“

      Ute

      „Ich kann nicht schlafen.“ Ute wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere.

      „Ich auch nicht.“ Nils wurde aus seinen Gedanken gerissen. Er hatte lange überlegt, und war endlich zu einer Entscheidung gekommen.

      „Kann ich mich bei dir anlehnen?“ Überrascht vernahm Nils die an ihn gerichtete Frage, aber nach einer Sekunde der Verwunderung stimmte er zu.

      „Ja.“

      Sie kuschelte sich an ihn, wobei ihr Kopf an der linken Seite seiner Brust zu liegen kam. Sein linker Arm lag abseits von ihrem Körper, und hatte sich noch nicht entschließen können herunterzufahren, um sie zu umarmen. Nachdem was am Nachmittag auf der Matratze passierte, war seine Verwirrung immer noch nicht gänzlich verschwunden. Den ganzen Abend über fühlte er sich unsicher, ja sogar Schuldgefühle beklemmten ihn. Hatte er die Situation ausgenutzt? Hatte er sie durch sein Verhalten dazu angestiftet? Eigentlich verneinte er die sich selbst gestellten Fragen, doch war er durch die Antworten immer noch nicht beruhigt.

      Jetzt fühlte er, wie ihre linke Hand vorsichtig seine Brust abtastete. Langsam wanderten ihre Finger gekonnt herum. Sie waren still, und kein Ton zerstörte das Schweigen. Er genoß diese Zärtlichkeit, die er schon lange nicht mehr aus weiblicher Hand erfahren hatte. Es war ein wahrhaft angenehmes Gefühl. Dann wanderten ihre Finger gemächlich in die untere körperliche Region des Mannes. Zentimeter für Zentimeter tastete sie sich vor. Doch ängstigte ihn ein Gedanke, bei den bevorstehenden Aktivitäten.

      „Nein, mach bitte nicht weiter. Ich möchte es nicht, noch nicht.“ Seine Stimme vibrierte.

      „Machen wir jetzt ein Rollenspiel? Ansonsten sind es doch immer die Frauen, die Migräne oder ähnliches vortäuschen, und keine Lust haben. Oder hast du deine Tage?“ Sie klang leicht verärgert.

      „Nein, das ist es nicht. Aber ich finde es einfach noch zu früh. Wir kennen uns ja kaum. Der Kuß heute nachmittag, das war ja, um die Kerle in die Irre zu führen. Ein Schauspiel sozusagen. Aber jetzt? Laß uns doch einfach erst besser kennen lernen.“

      „Das ist in Ordnung, o.k., dann quatschen wir. Was willst du wissen? Soll ich über mich reden? Ich bin Arzthelferin, einunddreißig Jahre alt, und wohne in Berlin. Soll ich für dich noch einen Lebenslauf in tabellarischer Form zusammenstellen?“

      Ihre Stimme klang sichtlich ironisch. Eine leichte Verärgerung klang auch in ihrer Stimme