Lisa Ravenne

Spuren im Strom der Zeit


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„Zeit zurückzukommen und wieder Stephen zu sein. Verstehst du mich?“

       „Oh wirklich? Ich möchte gerne noch länger bleiben. Ich hab sie gerade erst gefunden“, war seine Antwort.

       „Erinnere dich, was du mir versprochen hast. Du kannst ein anderes Mal hierher zurückkommen. Für den Augenblick ist es genug.“

       „Ich hab es dir versprochen. Ich geh mit dir zurück.“

      Kayla nahm einen tiefen Atemzug. Gut, dass sie ihn zuvor hatte schwören lassen. Sie kannte die Verführung, die in solchen Rückschauen lag. Sie führte ihn aus der Meditation. Als er wieder völlig klar war, ließ sie ihn etwas Wasser trinken. Und vielleicht wollte er einige Kekse essen?

       Aber Stephen wollte nichts essen. Er war aufgeregt. Die Worte strömten aus seinem Mund. Die Vision war so klar gewesen, dass er es kaum glauben konnte.

      Die Szene musste sich in einem Tempel abgespielt haben. Konnte es ein ägyptischer Tempel gewesen sein? Und die Namen: Shokar, Atun, Merit. Glaubte Kayla, dass die Namen wirklich waren? Bevor sie eine Antwort geben konnte, redete er schon weiter. Und das Mädchen, sie war so wunderschön. Wenn ein Mädchen wie sie in diesem Leben bei ihm auftauchte, war er sich sicher, dass er sich sofort in sie verlieben würde.

       Stephens Worte berührten Kayla tief in ihrem Inneren. Doch sie durfte sich nichts anmerken lassen.

      Sie wartete und ließ ihn reden. Manchmal musste sie über seine Gedankengänge schmunzeln. Sie fühlte mit ihm. Sie erinnerte sich an das erste Mal, als sie selbst in ein vergangenes Leben zurückgegangen war und die freudigen Gefühle, die sie dabei empfunden hatte.

       Als er schließlich aufhörte zu sprechen, sah er sie voller Erwartung an.

       „Ich möchte es noch einmal tun. Ich möchte es gleich tun, kann ich?“

       „Nein, tut mir leid. Es ist genug für heute. Selbst wenn du es nicht glauben willst, es könnte dich überwältigen. Hast du gemerkt, dass ich Schwierigkeiten hatte, dich zu überreden, zurückzukommen? Ich musste einige meiner Tricks anwenden, damit du es gemacht hast.“ Kayla schien beunruhigt zu sein, Stephen konnte es sehen.

       „Was meinst du mit Tricks? Keine normalen Meditationstechniken?“

      Das war so erstaunlich mit Stephen. Selbst wenn er mit einer Sache beschäftigt war, schnappte er jeden Hinweis auf, über den sie reden mochte. Sie hätte es besser wissen müssen. Jetzt musste sie beichten.

       „Meditationen sind nicht das Einzige, über das ich Bescheid weiß.“

       Kayla zögerte, doch Stephen blickte sie weiter an und schien offen für alles. Er sah neugierig aus. Sie befürchtete, er könnte zu neugierig sein. Dann würde er die anderen Dinge ebenfalls lernen wollen.

       „Nun, ich benutze auch Wicca-Techniken“, meinte sie langsam.

       „Du meinst Hexenkünste, nicht wahr?“, fragte Stephen.

       „Genau das meine ich.“ Kayla beobachtete sein Gesicht, während sie dies sagte. Sie war darauf vorbereitet, dass sich sein Gesicht verschließen könnte und er aus der Tür rennen mochte, so schnell er nur konnte.

       „Cool! Kann ich das auch lernen?“, war seine überraschende Antwort. Kayla wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte. Jetzt wollte er das auch noch lernen. Sie hätte es wissen müssen.

       Jedenfalls, wenn sie diese Techniken bei ihm anwandte, musste er darüber Bescheid wissen. Sie konnte es nicht geheim halten. Es war gegen die Regeln.

       „Eins nach dem anderen. Wir haben gerade erst mit Rückerinnerungen angefangen. Und es gibt einiges, worüber wir reden müssen. Es ist wichtig.“

       „Also gut, erzähl es mir. Ich höre zu.“

      Zuerst sagte ihm Kayla, dass nur sehr wenige Menschen eine so klare Sicht in ihre vergangenen Leben hatten. Doch das beinhaltete ebenfalls die Gefahr, in der Vision eingefangen zu werden. Sie sprach von den Schwierigkeiten, die sie gehabt hatte, um ihn zurückzubringen. Dass sie ihre Wicca-Fähigkeiten benutzen musste, um ihn auf den Weg zu bringen. Und sie hatte diese Fähigkeiten anwenden müssen, ohne zuvor seine Erlaubnis erhalten zu haben.

      Stephen versicherte ihr, dass er ihr völlig vertraute. Sie konnte tun, was immer notwendig war, wenn er nur weitere Erfahrungen wie die heute machen konnte.

       „Was immer notwendig ist, sagst du? Sei vorsichtig mit deinen Versprechungen. Stephen. Ich möchte nämlich eine Erlaubnis von dir.“

       „Was ist es? Wenn es hilft, werde ich es tun.“ Stephens Antwort kam schnell. Er wollte nur dorthin zurück.

       „Also gut, ich möchte deine Erlaubnis, mit Liz darüber sprechen zu dürfen. Ich muss für nächstes Mal einige Vorsichtsmaßnahmen treffen. Die Visionen sind sehr stark. Und übrigens, die Namen, die du gehört hast, sind echt, glaub mir. Also, was sagst du?“

      Stephen dachte für einen Moment nach. „Wenn es die einzige Möglichkeit ist wie es funktionieren kann, bin ich damit einverstanden. Sie scheint freundlich zu sein. Ist sie wie du?“

       „Du meinst, eine Hexe? Natürlich ist sie das. So haben wir uns getroffen. Wir haben die Techniken gemeinsam gelernt. Wir sind wie Schwestern.“

       „Muss sie dabei sein, wenn wir die nächste Sitzung haben?“, wollte er wissen.

       „Es wäre besser. Sie könnte helfen, dich zu beschützen“, war Kaylas Antwort.

       „Dann habe ich einen Wunsch. Bevor ich ihr so vertraue, wie ich dir vertraue, würde ich sie gerne besser kennen lernen. Könnten wir uns einfach zusammensetzen und vielleicht Tee trinken?“

       Kayla schlug vor: „Ich könnte sie jetzt anrufen. Ich weiß, dass sie heute nichts Besonderes vorhat. Sie wird erfreut sein. Und wenn du jetzt mit ihr redest, hast du sieben Tage Zeit, dir zu überlegen, ob sie beim nächsten Mal dabei sein kann. Wenn du dich unbehaglich fühlst, kannst du immer noch absagen.“

       Stephen war einverstanden und Kayla rief Liz an. Sie stellte dabei den Lautsprecher an, sodass Stephen mithören konnte. Kayla gab Liz nur einige Hinweise am Telefon. Liz war wirklich erfreut, wie es Kayla vorausgesagt hatte und sie versprach, sofort zu kommen.

      „Bevor Liz hereinkommt, gibt es etwas anderes, über das wir sprechen müssen. Ich hab dir zuvor gesagt, diese Visionen sind nur sinnvoll, wenn du herausfindest, was sie für dein jetziges Leben bedeuten. Also, gibt es irgendetwas, das du nach der heutigen Vision gelernt hast?“

       Es war ein Mittel, jemand stärker mit dem gegenwärtigen Leben zu verbinden, wenn er diese Sichtweise aufrecht erhalten konnte. Es war wichtig zu wissen, dass die Visionen Vergangenheit waren

       „Es könnte erklären, warum ich immer Schauspieler werden wollte. Ich übernehme gern verschiedene Rollen und ich tauche gern in unterschiedliche Zeiten und Orte ein. Glaubst du, das ist es?“

       „Klingt, als ob du deine Lektion gelernt hast. Also können wir weiter machen.“

      In der Zwischenzeit hatte Kayla frischen Tee zubereitet und die Kekse auf den Tisch gestellt. Sie erzählte Stephen, dass es nach einer Reise wie dieser notwendig war, zu essen und zu trinken, weil es ihn die Wirklichkeit fühlen ließ. Kayla musste sicher gehen, dass er sich wieder vollkommen in der Gegenwart befand.

      Kapitel 9 - Shokar

      Atun, der Lehrer Shokars, verfolgte die Fortschritte seines Schützlings mit Wohlwollen. Allerdings ließ er ihn dies nicht spüren. Shokar sollte sich nicht zu sicher sein. Atun erwartete von ihm, dass er sich jeden Tag von neuem anstrengte, um sein Bestes zu geben.

       Bisher hatte Shokar alle ihm zugewiesenen Aufgaben genau erfüllt. Er war nie selbstzufrieden über seine Fortschritte oder ungeduldig erschienen. Genau so sollte sich ein Schüler verhalten.

       Atun dachte an die beiden anderen Anwärter, die bereits erste Schwächen gezeigt hatten. Sollte er als einziger Lehrer das Glück haben, einen vielversprechenden Kandidaten für das Priesteramt anleiten zu dürfen?

      Atun