Lisa Ravenne

Spuren im Strom der Zeit


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„Liz weiß, dass ich dir Meditationstechniken beibringe und dass du mir im Haus hilfst. Sie weiß nicht, welche Meditationen wir durchführen oder welche Probleme du hast. Du kannst sicher sein, dass ich deine Privatsphäre respektiere. Liz ist selbst eine erfahrene Meditationslehrerin. Über unsere Schüler reden wir nicht. Wir plaudern keine Geheimnisse aus.“

      Soweit stimmte Kaylas Aussage. Doch sie war nicht völlig aufrichtig gewesen. Schließlich wusste Liz etwas über Stephen, das ihm selbst noch nicht bekannt war. Aber sie konnte darüber mit ihm noch nicht reden. Und sie hatte es in einer eigenen Meditation erst selbst erfahren. Aber mit Liz hatte sie darüber gesprochen.

      Stephen war erleichtert. „Tut mir leid, dass ich gefragt habe. Aber ich musste es einfach wissen.“

       „Besser wir sprechen über diese Dinge, als dass sie uns beunruhigen. Das könnte mentale Barrieren aufbauen, die wir dann in den Meditationen wieder entfernen müssen. Das würde uns so sehr beschäftigen, dass wir die wichtigen Dinge nicht erledigen könnten.“

       „Also, was sind die wichtigen Dinge für heute?“, fragte Stephen.

      Kayla wusste, er hatte die Idee mit der Rückerinnerung nicht aufgegeben. Er hoffte immer noch, dass er in der Zwischenzeit genügend Techniken erlernt hatte, um sie durchführen zu können. Er strengte sich sehr an, Kayla nicht ständig an seinen Wunsch zu erinnern. Er wollte geduldig sein, bis Kayla ihre Erlaubnis dazu gab. Aber die Möglichkeit, dies zu tun, faszinierte ihn. Es war, als ob er an einem Seil hing, das ihn ständig in diese Richtung zog.

       Kayla erkannte, dass es an der Zeit war. Er kannte genügend Grundtechniken, um sich weiter zu helfen, wenn die Dinge schwierig wurden. Kayla fand keinen Grund mehr, die Sache weiter hinauszuzögern. Sie würde in den Meditationen über ihn wachen, egal, welche Situationen sich ergeben mochten. Sie wusste Bescheid über das, was kommen konnte.

      An wie viel würde Stephen sich erinnern? Sie durfte ihm keine Hinweise geben. Er musste es allein herausfinden. Auf jeden Fall würde es eine Menge zwischen ihnen beiden verändern. Würde er damit fertig werden?

       Dennoch war es sein größter Wunsch und sicherlich war es der Grund dafür, dass sie sich überhaupt begegnet waren. Stephen sah sie immer noch geduldig an. Er wusste, dass er nichts erzwingen konnte. Er konnte Kayla nie zu etwas überreden, das sie nicht tun wollte.

       Stephen hatte dies zuvor schon bei mehreren Gelegenheiten ausprobiert, in sehr subtiler Weise, wie er dachte. Doch er hatte nie Erfolg damit gehabt. Wie es schein, waren seine Versuche nie subtil genug gewesen. Sie hatte immer gewusst, was er gerade versuchte und sorgfältig die Klippen umschifft.

      „Also heute, und ich glaube, dass du immer noch den Wunsch hast, könnten wir mit Rückerinnerungen anfangen. Wenn du dafür bereit bist, meine ich. Was denkst du?“

       Kayla konnte sehen, wie Freude in Stephens Gesicht aufglomm. Er kam zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

       „Wenn ich dafür bereit bin? Ich glaube, ich bin bereit, seit ich das erste Mal hier aufgetaucht bin. Können wir sofort anfangen?“

       Es tat gut, Stephen so aufgeregt zu sehen. Und er hatte sie geküsst! Nein, sie würde jetzt nicht erröten, wie ein siebzehnjähriges Mädchen. Sie drehte sich weg. Sie bekam das Gefühl, dass am Ende doch noch alles gut werden würde.

      „Bevor wir sofort anfangen können, wie du es willst: Es gibt einige Regeln. Wenn du diese Regeln nicht befolgst, kann es gefährlich für dich werden. Was bedeutet, du könntest geistigen Schaden nehmen. Du gehst zurück in andere Leben, die du einmal gelebt hast. Und vielleicht möchtest du nicht zurückkommen, weil du glaubst, diese Welt, die du gerade betrachtest, wäre so aufregend. Aber das Leben jetzt ist deine Realität. Also wirst du schwören, dass du immer hierher zurückkommst. Schwöre es!“ verlangte sie und bot ihm ihre Hand.

       „Ich schwöre, dass ich immer hierher zurückkommen werde, weil das hier meine Realität ist.“ Es war Stephen ernst, sie konnte es fühlen, als er seine Hand in ihre legte.

       „Deine Vergangenheit zu betrachten hat nur einen bestimmten Grund: Du sollst etwas für dein Leben hier und jetzt lernen. Verstehe, warum du dich manchmal auf eine bestimmte Weise verhältst. Lerne aus Fehlern in der Vergangenheit, damit du diese Fehler in der Gegenwart vermeiden kannst. Finde heraus, welche Wünsche du in dir trägst. Vielleicht gibt es Sehnsüchte, die du dir nicht erklären kannst. Lass dich von mir führen. Vertraust du mir genug, dass ich dir sagen kann, wann du für den Augenblick aufhören sollst? Es dient deiner Sicherheit und Gesundheit.“

       „Ich vertraue dir, Kayla. Du hast mich immer auf den richtigen Weg geführt. Also werde ich auch auf diesem Weg mit deiner Hilfe sicher sein.“

       Kayla war sich sicher, dass Stephen die Regeln beachten würde, soweit sie sie ihm erklärt hatte. Es gab weitere Regeln, aber nicht jetzt. Es wurde Zeit, anzufangen.

      Später würde sie erkennen, dass sich einige Dinge nach einem eigenen Plan entwickeln konnten, egal, welche Absicht man im Voraus hatte. Es gab nicht nur ihre Absichten. Für den Moment war sie zuversichtlich, es kontrollieren zu können.

       Kayla wies Stephen an, sich auf den Teppich zu legen. Sie gab ihm ein Kissen und deckte ihn zu, um ihn warm zu halten.

       „Was auch immer geschieht, du liegst hier auf sicherem Boden und kannst nicht fallen. Mach dir das klar.“

      Dann führte sie ihn durch die ersten Schritte der Meditation, bis sie sagte: „Jetzt sieh dich um und sag mir, was du siehst. Beobachte sorgfältig. Stell jetzt keine Fragen. Lehn dich zurück, als ob du einen Film siehst.“

       Stephen atmete ruhig. Er war in tiefer Trance. Dann begann er zu sprechen:

      „Ich sitze auf einem Hocker. Jemand steht hinter mir. Er rasiert mir alle Haare vom Kopf. Ich kann sehen, wie die Strähnen rings um meine Füße herabfallen. Jetzt ist er fertig und stellt sich vor mich. Er sieht aus wie ein Priester. Er redet mit mir. Er sagt einen Namen. Ich kann ihn nicht deutlich verstehen.“

      Stephen machte eine Pause und Kayla half ihm, weil sie bemerkte, dass sein Atem schneller wurde.

       „Es ist in Ordnung. Beruhige dich. Du musst etwas warten. Der Name wird zu dir kommen. Entspann dich.“

       „Shokar! Das ist der Name. Er sagt Shokar. Er will wissen, ob ich ihn als Lehrer anerkenne. Atun! Das ist sein Name.“

       Wieder musste Kayla Stephen beruhigen. War es schon Zeit, für heute aufzuhören? Aber Stephen begann erneut zu reden und der Augenblick, ihn zu aufzuhalten, war vorüber.

       „Ich nehme ihn als Lehrer an. Da ist ein Mädchen in einer Tunika. Sie hat sehr langes, schwarzes Haar. Atun gibt ihr ein Zeichen und sie fegt die Haare auf dem Boden zusammen. Da ist eine Feuerschale, worin sie die Haare verbrennt. Das stinkt vielleicht! Schrecklich! Sie muss eine Dienerin sein. Aber sie ist so wunderschön. Sie kann nicht mehr als sechzehn Jahre alt sein. Wie ist ihr Name? Ich will ihn wissen.“

      Kayla hielt den Atem an und versuchte, kein Geräusch zu machen, um Stephen nicht zu stören. Aber er war so tief in Trance, dass er überhaupt nichts hören konnte.

      „Atun ruft sie: Merit! Was für ein schöner Name! Atun befiehlt ihr, meine Dienerin zu sein. Sie neigt den Kopf und stellt sich einen Schritt hinter mich. Atun sagt etwas zu ihr und sie führt mich aus dem Raum.“

       Kayla wusste, es war Zeit, Stephen zu stoppen.

       „Stephen! Es ist Zeit für dich, zurückzukommen. Es ist genug für heute.“

      Aber es gab keine Reaktion. Stephen hörte sie nicht. Er war in seiner Vision gefangen. Sie versuchte erneut, ihn mit ihren Worten zu bewegen, die Sicht zu beenden. Er reagierte immer noch nicht.

       Kayla begann, sich unwohl zu fühlen. Stephen hatte versprochen, auf ihre Anweisung hin zurückzukommen, doch eine starke Kraft schien ihn in seiner Vision zu halten. Trotzdem, es musste beendet werden.

      Kayla berührte seine Schulter. Sie benutzte eine stärkere Methode, ihn zurückzuholen. Dies war keine Meditationsmethode, aber es gab keinen anderen Weg. Gut, dass Kayla noch über andere Fähigkeiten verfügte. Zuerst bekam sie auch damit keine Reaktion. Aber dann hatte