Esther Hazy

Schmetterlingsscherben


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danke», lächelte ich. «Ich krieg das schon alleine hin.»

      «Wenn du einen Tipp willst: Tüte einfach etwas aus den vollen Mülleimern um, das merkt sowieso keiner und man kriegt den Beutel schneller voll.»

      Ich lachte. «Danke, das werde ich mir merken.»

      «Sag mal, gehst du Freitag zu Jennys Party?»

      «Äh… Ich wurde nicht eingeladen, also denke ich eher nicht.»

      «Du könntest mit mir hingehen», schlug er vor und beobachtete mich abwartend. Gott, der stand doch nicht etwa auf mich, oder?! Niemand wollte mit einer geistesgestörten Psychopathin ausgehen! So verzweifelt konnte er doch nicht sein.

      «Äh, danke… äh…»

      «Nils!», half er mir auf die Sprünge. Nils. Nein, da klingelte bei mir gar nichts. «Also Nils, ich kann eh nicht, Freitagabend. Tut mir leid.» Ich lächelte entschuldigend und er zuckte mit den Schultern. «Kein Problem, dann sehen wir uns vielleicht ein anderes Mal.»

      Winkend verschwand er und drehte sich sogar nochmal zu mir um. Ich atmete erleichtert aus, als er um die Ecke verschwunden war. Kurz darauf kam Dora aus dem Schulgebäude und ließ sich auf der Tischtennisplatte nieder.

      «Schon fertig?», fragte ich irritiert, weil sie keine halbe Stunde drin gewesen war. Sie nickte. «Wir haben nur die Aufgaben verteilt, ich kann eh am besten alleine arbeiten.»

      «Na wenn du meinst», nickte ich und hob ein ekelig verschmiertes Eispapier mit der Greifzange auf, um es in den Beutel zu stopfen, den ich hinter mir her schleifte.

      «Dieses Wochenende gibt Jennifer eine Kostümparty», grinste sie.

      «Ich hab schon gehört», nickte ich, sah Dora aber trotzdem zweifelnd an. «Aber… eine Kostümparty?! So was macht man hier noch?»

      «Na klar, Jenny macht jedes Jahr eine und an Karneval wird sich auch immer verkleidet!» Dora strahlte. «Das macht total Spaß.»

      «Äh… Ja. Geht.» Ich spieß ein angegessenes Butterbrot auf.

      «Gehst du mit mir hin?» Dora beäugte mich schräg und ich lachte los. «Auf keinen Fall.»

      «Wieso nicht?!» Sie sah mich leicht verärgert an. Nicht, dass Dora jemals wirklich verärgert gewesen wäre. Es war mehr so ein trotziger Grimm, den man nicht wirklich ernst nehmen konnte.

      «Weil ich weder Lust auf eine Party habe, noch weniger auf Verkleidung und schon gar nicht darauf, Leute aus unserer Schule auch noch privat treffen zu müssen.»

      Dora verdrehte die Augen. «Lennard wird nicht da sein, falls es das ist, was dir Sorgen bereitet. Der ist das Wochenende über verreist.»

      «Das ist mir völlig egal», antwortete ich. War es nicht. Aber ich wollte trotzdem nicht auf diese Party. Niemand wollte mich da haben und ich würde bestimmt nicht einfach ungebeten dort aufkreuzen. Mal abgesehen davon, dass ich Nils gerade eine Abfuhr deswegen erteilt hatte, was er bestimmt irgendwie falsch auffasste, wenn ich doch kam.

      «Bitte, Lou! Da gehen alle hin! Das ist die größte Party des Jahres. Es fällt gar nicht auf, wenn da ein oder zwei Leute mehr sind, weil die meisten noch Kumpels von außerhalb mitbringen. Ich will da nicht alleine hin!»

      «Wieso gehst du denn dann überhaupt?», fragte ich verständnislos und ließ die Zange sinken, um Dora besser ansehen zu können.

      «Weil ich muss», murrte sie und scharrte mit dem Fuß auf dem Boden herum. «Meine Mutter hat von Jennys Mutter davon gehört, und weil unsere Eltern total gut befreundet sind, denken sie, das muss natürlich auch bei ihren Kindern der Fall sein. Also werde ich hingehen.»

      «Das kann sie doch gar nicht kontrollieren», erwiderte ich blinzelnd. «Geh einfach abends aus dem Haus und tu so, als würdest du hingehen. Meinetwegen kannst du auch bei mir vorbeischauen.»

      «Mama bringt mich direkt hin und holt mich wieder ab. Und sie hilft mir beim Kostüm. Also könnte ich entweder einige Stunden in einem dämlichen Koboldkostüm in der Wildnis herumlaufen, oder ich verdrück mich bei Jenny mit Knabberzeug und einem Glas Punsch in dem hintersten Teil ihres Gartens und sitze da die Zeit ab.» Sie schnitt eine Grimasse. «Da ist mir Letzteres immer noch lieber. Aber wenn du mitkommen würdest, dann wäre es bestimmt viel lustiger!»

      «Dann säßen wir zu zweit im Garten rum», grinste ich. Dora zuckte mit den Schultern. «Ich könnte ein Kartenspiel einpacken.»

      Ich seufzte laut auf. «Und als was soll ich mich verkleiden?! Ich hab blöderweise keine Zwangsjacke zu Hause rumliegen, obwohl das ein perfekter Witz wäre!»

      Dora lachte los. «Du kannst ein Kostüm von mir haben, das ich vor zwei Jahren getragen habe! Das dürfte dir noch passen, du bist ja so klein und zierlich.»

      «Und was ist das für ein Kostüm?», fragte ich spöttisch. «Prinzessin?»

      «Ein Schmetterling!» Dora strahlte und ich verzog das Gesicht.

      «Bitte, Lou Lou!», rief sie nun und setzte diesen fiesen Hundeblick auf, bei dem niemand Nein sagen konnte. Außerdem wollte ich nicht riskieren, dass sie den Spitznamen, den sie sich ausgedacht hatte, auch noch verdreifachte.

      «Also fein», knurrte ich und fing an, ein paar Teile aus dem Mülleimer in meinen Beutel rüber zu schaufeln. Das klappte wirklich ganz hervorragend.

      «Du bist die Beste!» Dora sprang strahlend von dem Tisch und drückte mich unerwartet an sich. «Am besten, du kommst Freitag gleich nach der Schule mit zu mir, meine Mutter macht freitags immer Nudelauflauf, der schmeckt phantastisch! Und dann kann sie uns mit den Kostümen helfen, falls noch was umgenäht werden muss oder so.»

      «Alles klar», nickte ich und sammelte ein paar große Papierstücke auf, die auf dem Boden herumflogen.

      «Wir sehen uns morgen in der Schule!» Damit verschwand sie in Richtung Haltestelle, um den Bus zu nehmen, der jetzt nach der achten Stunde fuhr. Kurz darauf ertönte auch bereits die Schulglocke und ein paar Schüler aus der Oberstufe kamen aus dem Gebäude, die länger Unterricht gehabt hatten.

      Ein paar Idioten rempelten mich im Vorbeigehen mit voller Absicht an, was ich ignorierte.

      «Du hast was übersehen, Psycho!», grinste einer von ihnen und warf mir einen Papierknäuel an den Kopf. Ich wollte gerade etwas erwidern, als jemand hinter mich trat und seine Hand auf meine Schulter legte. «Verzieh dich, Meyer», sagte Lennards ruhige Stimme und ich zuckte kaum merklich zusammen. Die Hand auf meiner Schulter war wahnsinnig warm und ich spürte sie so deutlich wie meine eigene Haut.

      Die Jungen vor mir lachten nochmal und schubsten sich dann gegenseitig in Richtung Bus.

      Ich fegte Lennards Hand von meiner Schulter und drehte mich zu ihm um. «Ich hab dir gesagt, dass du mich nicht anfassen sollst», knurrte ich. «Und ich brauche deine Hilfe nicht, also leb dein Samaritersyndrom an irgendjemand anderem aus!»

      Er lachte los und hob abwehrend die Hände. «Was hast du angestellt?» Er hob den Papierball auf und warf ihn in meinen Beutel.

      «Der Aschermann geht mir auf die Nerven», antwortete ich schulterzuckend. «Außerdem kann er mich nicht leiden.»

      «Mich auch nicht.» Lennard grinste breit und ich sah ihn vielsagend an. «Na klar, sicher! Dich kann doch jeder leiden.»

      «Mit Ausnahme von dir.» Er zwinkerte mir zu und ich hatte das starke Bedürfnis, ihm das Auge auszustechen.

      «Weil ich nicht auf deine Schwiegersöhnchen-Vorzeigeschleimer-Masche hereinfalle.» Ich ging weiter Richtung Rasenfläche, um dort den liegengebliebenen Müll aufzusammeln. Dieser dämliche Müllsack war aber auch riesig. Er wollte einfach nicht voll werden.

      «Ich glaube, du bist der einzige Mensch, der mich wirklich kennt», rief er mir hinterher und ich blieb abrupt stehen. Mein Herz schlug schneller, als ich seine Schritte hörte und ich seinem Schatten mit den Augen folgte, als er langsam näher kam. Ich hatte Angst vor dem, was jetzt kommen würde, also