Marianne Christmann

Falsche Spuren der Rache


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Teil zwei in Angriff nehmen. Er sah sich nach allen Seiten um, kein Mensch war zu sehen.

       Er nahm die Handtasche und alle persönlichen Sachen der Frau an sich, die wollte er später entsorgen. Dann lief er zu ihrem Auto, beugte sich durch das offene Fenster hinein, löste die Handbremse und stellte den Schalthebel auf Leerlauf. Er schob das Auto vorsichtig in das Maisfeld, dort, wo es bereits eine breite Fahrspur gab, die vermutlich von einem Traktor herrührt. Dann stieg er in sein Auto, wendete und fuhr den Weg zurück, den er gekommen war.

       Er hatte kurz gezögert und überlegt, ob er die Leiche verstecken sollte bis er zurückkam aber dann entschied er sich dagegen.

       Als er die Stadt erreicht hatte, stellte er sein Auto an dem Ort ab, den er vorher dafür ausgewählt hatte. Er öffnete den Kofferraum und holte sein Fahrrad heraus, dann schloss er den Deckel wieder.

       Er sah sich nach allen Seiten um ob ihn jemand beobachtet hatte, aber niemand war zu sehen. Er stieg auf und radelte dann zügig zurück zum Unfallort. Dort angekommen verstaute er sein Fahrrad im Kofferraum des Wagens der Frau.

       Die ganze Aktion hatte nur eine Viertelstunde gedauert und er lief nicht Gefahr, entdeckt zu werden. Hierher verirrte sich kaum je ein Mensch, auch keine Spaziergänger. Das hatte er vorher ausgekundschaftet. Nur die Bauern, denen die Maisfelder gehörten benutzten diesen Weg. Aber die Erntezeit hatte noch nicht begonnen und so konnte er sicher sein, dass alles nach Plan laufen würde.

       Er startete das Auto und fuhr es ebenfalls dorthin, wo er auch sein eigens abgestellt hatte. Dort würden sie garantiert nicht gefunden werden. Wieder lächelte er zufrieden.

      Kapitel 2

      Seit zwei Stunden saß Paul Martini schon in dieser Kneipe und starrte vor sich hin. Zwei leere Biergläser standen vor ihm auf dem Tisch. ‚Was für ein Scheißtag‘, dachte er. Kurz vor der Mittagspause hatte er seine Kündigung erhalten.

      Dass sich etwas zusammenbraute, hatte er schon die ganze Zeit bemerkt. Schon als vor einem halben Jahr der Juniorchef die Firma übernommen hatte, hatte er mit Veränderungen gerechnet. Allerdings nicht damit, dass er entlassen würde.

      Vielleicht, dass er einen anderen Arbeitsplatz bekam, der ihm weniger Freude bereitete oder dass er etwas ganz Anderes machen müsste. Mit allem hatte er sich auseinandergesetzt aber nicht damit.

      Er hatte zwar mitbekommen, dass bereits einige Arbeitnehmer entlassen worden waren, aber das war in der Verwaltung gewesen, nicht bei ihm in der Fertigung.

      Nils Lehmann war bei ihm aufgetaucht und hatte gesagt:

      „Herr Martini, wir müssen Stellen abbauen. Ihr Bereich, die manuelle Fertigung, wird umgestellt auf Elektronik, d.h. wir sparen Arbeitsplätze ein und Ihrer ist dabei. Es tut mir leid, dass es auch Sie trifft, aber es ist nichts daran zu ändern. Kommen Sie später zu mir ins Büro, dann besprechen wir alles.“

      Dann war er gegangen.

      Es war ihm klar gewesen, dass der Junior ihn nicht leiden konnte. Warum, wusste er nicht. Mit dessen Vater, Julius Lehmann, hatte er sich immer gut verstanden. Der hatte seine Arbeitskraft und seinen Einsatz zu schätzen gewusst. Aber seit sein Sohn den Betrieb übernommen hatte, war alles anders geworden.

      Nils setzte auf moderne Technik, Computer, Elektronik und allem, was dazugehörte. Er umgab sich mit lauter jungen Computerfreaks, die gerade von der Uni oder der Hochschule kamen. Ältere Mitarbeiter, so wie er, waren da fehl am Platz. Sie waren ein Störfaktor und Hemmschuh in der Weiterentwicklung der Firma.

      Das meinte jedenfalls Nils und hatte das auch deutlich durchblicken lassen. Er kochte immer noch vor Wut, wenn er an das Gespräch in Nils Lehmanns Büro dachte. Dieser hatte ihn sehr herablassend behandelt.

      „Sie haben noch Resturlaub zu bekommen, nehmen Sie den ab sofort. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.“

      ‚Wer’s glaubt‘, hatte Paul gedacht es aber nicht laut ausgesprochen.

      „Das können Sie doch nicht machen, Herr Lehmann“, hatte Paul versucht noch etwas zu ändern, „ich bin schon lange in der Firma, habe großes Hintergrundwissen und mich mit Ihrem Vater immer gut verstanden. Das sollten Sie bedenken.“

      Nils kniff die Augen zusammen.

      „Richtig, Herr Martini, Sie sind schon lange in der Firma. Sehr lange. Zu lange. Und Ihr Hintergrundwissen, wie Sie es nennen, kann sich in keiner Weise mit dem Wissen eines Computers messen. Oder wollen Sie etwas Anderes behaupten?“

      Nils Lehmann hatte ihn angesehen als wäre er ein ekliges Insekt.

      „Sie sind ein Trottel“, entfuhr es Martini, dann hatte er die Bürotür hinter sich zugeknallt und war gegangen.

      ‚Was für ein Schnösel‘, hatte er gedacht, ‚in spätestens vier Monaten hat er die Firma an die Wand gefahren.‘

      Er hatte seine Sachen zusammengepackt und dann die Firma verlassen, in der er mehr als zehn Jahre gearbeitet hatte. Auf dem Parkplatz stieg er in sein Auto und fuhr durch das Tor auf die Straße. Was jetzt? Nach Hause wollte er noch nicht, da fiel ihm die Decke auf den Kopf.

      So war er ziellos herumgefahren bis er schließlich in dieser Kneipe gelandet war.

      Jetzt musste er wohl oder übel zum Arbeitsamt und sich einen neuen Job suchen. Er war fast fünfzig und seine Chancen standen schlecht. ‚Einige Zeit komme ich klar aber trotzdem brauche ich so schnell wie möglich eine neue Arbeit‘, dachte er.

      Er trank den letzten Rest seines Bieres und dachte dabei noch einmal an die vergangenen zehn Jahre. Zwischen ihm und Julius Lehmann hatte sich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und eine fast schon familiäre Atmosphäre geherrscht. Der Chef hatte ihm ziemlich viel Raum für Eigeninitiative gelassen. Er hatte ihn zum Vorarbeiter und schließlich zum Vorgesetzten von fünf Arbeitern gemacht.

      „Sie machen das schon, Paul. Ich verlasse mich auf Ihr Können und Ihr Geschick.“

      Er war mit allen seinen Untergebenen gut ausgekommen, nein, mit fast allen.

      „Haste mal Feuer, Kumpel?“

      Paul schreckte aus seinen Gedanken auf und sah einen Mann, mittelgroß, mit einem Dutzendgesicht vor sich stehen, der eine Zigarette in der Hand drehte und ihn fragend ansah.

      „Nein, tut mir leid, ich rauche nicht.“

      Der Mann brummte etwas und trollte sich davon. Paul sah ihm nach, wie er durch die Tür ging. Sein Gang kam ihm bekannt vor aber er war sich nicht sicher. Hatte er den Kerl schon mal gesehen? Oder sollte er ihn kennen? Nein, nicht dass er wüsste. Er wandte sich wieder seinen eigenen Sorgen zu.

      Kurze Zeit später trank er sein Glas leer, legte das Geld für seine Biere auf den Tisch und ging hinaus. Die frische Luft war genau das, was er jetzt brauchte. Er atmete tief ein um das Brummen in seinem Kopf loszuwerden. Ahh … das tat gut. Er fühlte sich schon etwas besser.

      Langsam ging er die Straße hinunter bis zu der Stelle, an der er sein Auto abgestellt hatte. Er schloss gerade die Tür auf, als er einen üblen Geruch wahrnahm, der ihm die Sinne raubte und spürte etwas in seinem Gesicht. Ihm wurde übel, alles begann sich zu drehen, dann stürzte er in ein schwarzes Loch …

       Er hatte sein Opfer schon lange im Visier. Seit er damals arbeitslos geworden war. Natürlich war es nicht seine Schuld gewesen, dass er entlassen wurde sondern die seines Vorgesetzten. Was musste der sich auf die Lauer legen und ihn überraschen? Wollte sich wohl vor dem Chef profilieren. Als ob die paar Kleinigkeiten, die er sich angeeignet hatte, ins Gewicht gefallen wären. Das merkte die Firma nicht einmal.

       Sie hatten ihm ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, so dass er keine neue Arbeit gefunden hatte. Seitdem war sein Geld immer knapp. Er würde es ihnen heimzahlen, das hatte er sich geschworen. Allen, die daran beteiligt gewesen waren. Und heute war nun der