Victor Dahms

Lichter aus und Kerzen an


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ich aber wirklich platt!

      Wenn’s gar der Heiland wäre?

      Er war es auch, ich schwöre!

      Ich hab die beiden in der Nacht

      Zur Babyklappe hingebracht

      Und später alles klar gemacht

      Bald wird der Heiland adoptiert

      Und dann als Detlev Kunz geführt.

      Das gibt ein Jubilieren

      Demnächst bei uns in Düren!

      Ottmar Kunz

      … Ein Besinnungsaufsatz

      Weihnachten ist das Fest der Freude und der Liebe. Das altmodische Wort leitet sich von „Weinen“ ab, wo wie „Wahrheit“ von „Waren“ herkommt. Nach der Rechtschreibreform werden beide Begriffe darum heute ohne „h“ geschrieben. Man kann also erkennen, dass dieses schönste Fest des Jahres mit den Waren zu tun hat, die um diese Zeit vermehrt gekauft und verschenkt oder ausgetauscht werden. Und was man mir am Heiligabend beschert, ist oft zum Weinen.

      Tränen der Rührung, aber auch der Enttäuschung werden dann vergossen. Ich selber verschenke meistens Bücher, die ich selber einmal als Weihnachtsgabe bekommen hatte, die aber noch wie neu aussehen, weil ich sie im Geschenkpapier eingewickelt in einem Karton verwahre, und lege ein frisches Lesezeichen aus der Buchhandlung hinein. Es gibt aber kaum noch Leute, die Bücher aus Papier geschenkt haben wollen. Vor der Agneskirche machen sie aber im Dezember an jedem Samstag einen Bazar, und da bringe ich jetzt so Zeugs hin und tausche es gegen selbst gemachte Marmelade.

      Höhepunkt der Vorweihnachtszeit ist ein Spaziergang auf die Christkindlesmarkt, wo ich ganz viel Glühwein trinke. Meiner kleinen Schwester gebe ich auch heimlich immer einen Pappbecher voll. Sie hat deshalb das Wort „Glühweinacht“ erfunden, aber meine Eltern glauben, das hätten die Wunderkerzen am Tannenbaum bewirkt.

      Besonders gefallen hat mir auf dem Weihnachtsmarkt ein Schild mit der Aufschrift: „Eines ist doch sonnenklar Deppert’s Wurst ist wunderbar!“ Es war von zwei großen bunten Engeln eingerahmt. Alles Wesentliche steckt in dieser Reklame. Darin habe ich auf einen Blick wieder erkannt, was unser Religionslehrer über das Fest erzählt hat. Es war nämlich ursprünglich ein heidnisches Sonnwendfest. In der längsten Nacht des Jahres wird die Sonne neu geboren und das Licht nimmt wieder zu. Später wird dann der Herr als die neue Sonnen bezeichnet („sonnenklar“). Und das ist wirklich „wunderbar“.

      Aber zum Wunder und zum Wunderbaren gehört ebenfalls, sagt unser Religionslehrer, das Geheimnisvolle. Geheimnisvoll ist auch die Vergangenheit seines eigenen Lebens. Hier auf den Weihnachtsmarkt wird es in Gestalt der Bratwurst sehr schön zum Ausdruck gebracht. Denn „der Inhalt einer Worscht ist bis heute nicht erforscht“, wie Goethe sagt. Zwei Güldene Engel mit leuchtendem Flitter kommen vom Himmel herab, um mit uns gemeinsam Wurst zu essen. Oben am Dach von Deppert’s Bude schweben sie hernieder und halten in ihrer Rechten jeder eine leckere Thüringer, in denen ein rotes Lämpchen blinkt.

      Man kann aber die Art, wie wir heute Weihnachten feiern, auch kritisch sehen, sagt unser Lehrer. Weil es wird nämlich zu viel gefressen bei uns wie es Ochs und Esel im Stall den ganzen Tag tun statt wie mein Vater auch an die Neger in Afrika zu denken und eine Spende an Brot für die Ratz zu machen, die er von der Steuer absetzen darf. Denn Weihnachten ist auch das Fest des Friedens. Mein älterer Bruder mag es trotzdem nicht, obwohl er ein Gedicht darüber geschrieben hat. Es heißt „Heiligabend“. Mit diesem möchte ich hier schließen und Euch zum Fest alles Erdenkliche wünschen.

      Egon Dahms

      Heiligabend

      Mir emailt Emil zum Advent

      Die Mutter still am Herde flennt

      Der Vater auf dem Sofa pennt

      Die Schwester schmückt den Weihnachstbaum

      Und stellt die Krippe in den Raum

      Den Onkel Ernst den sieht man kaum

      Er sitzt fast dauernd auf dem Klo

      Da raucht er seine Marlboro

      Und nebenan läuft’s Radio

      Man hört Nun singet und seid froh

      Und dann In dulci jubilo

      Das alles ist mir jetzt ein Graus

      Ich schalte den Computer aus

      Und geh mit Oma aus dem Haus

      Der Herr, sagt sie, ist neu geborn

      Drauf trinken wir nen Apfelkorn

      Dann sind wir nicht mehr so verfrorn

      Sie geht und betet in der Mette

      Ich bumse derweil die Annette

      Was ich beinah vergessen hätte

      Dann geh ich heim und esse Gans

      Wir feiern froh im Lichterglanz

      Die Schwester spielt Klavier, sie kanns

      Hingegen wirklich nicht

      Wir singen all bei Kerzenlicht

      Die Mutter spricht noch ein Gedicht

      Aber leider dieses nicht

      Wir packen die Geschenke aus

      Ich kriege die Computermaus

      Dann wird es laut in unserm Haus

      Weil wir jetzt einen sitzen ham

      Drum machen alle ein Tamtam

      Und streiten ums TV-Programm

      Die Oma geht dann bald ins Bett

      Ich aber in das Internet

      Und email Emil ein Sonett.

      Wendelin Renner

      Das Fest der Freude

      Dieses Jahr krieg ich zu Weihnachten von meinem Bruder wahrscheinlich einen Camcorder! Der kostet 458 Euro! Von meiner Schwester bekomme ich ein Paar Puma-Schuhe – die sind Kult – für 140 Euro. Die verdient auch schon ganz gut. Mein Vater gibt mir Geld, ich schätze mindestens 150 Eier. Von meiner Mutter krieg ich einen Gutschein über 200 Euro für Klamotten. Nur das Päckchen von meiner Oma, das ein paar Tage vor Heilig Abend mit der Post kommt, ist eigentlich nichts wert. Die schenkt mir selbstgemachte Socken und irgendein dickes Buch. Ich lese aber nicht gern, nur wenn ich muss.

      Die Socken schmeiß ich gleich weg. Mein Freund Lars ist ein komischer Typ. Obwohl er ein Smartphone und einen E-Reader hat, liest er auch viel altmodische Bücher auf Papier und freut sich drüber. Er ist trotzdem ein netter Kerl. Darum werde ich ihm am zweiten Feiertag als Geschenk das Buch von meiner Oma überreichen. Vorher schreibe ich innen eine Widmung rein: „Zu Weihnachten Dein Freund Egon“. Dann kann er es nämlich nicht weiter verschenken.

      Einmal hatte ich ihm einen alten Schmöker mit einer gelben Wolke und einem Leuchtturm am Meer auf dem Deckel beschert, und zwei Jahre später hab ich es von ihm zurückbekommen. Das soll mir nicht nochmal passieren. Bevor ich das Buch von meiner Oma für ihn einpacke, schreib ich mit Bleistift noch einen Preis rein, wahrscheinlich 24,80. Dann radiere ich ihn wieder aus, aber so, dass man ihn noch erkennen kann. Lars schenkt mir etwas, das mindestens auch so viel kostet, wahrscheinlich zwei CDs. Eine davon kriegt mein Bruder, die andere meine Schwester. Wenn sie mir gefallen, brenne ich mir vorher Kopien. Bei Aldi kosten 10 Rohlinge 4,99. Jetzt muss ich nur noch Geschenke für meine Eltern und die Oma besorgen.