Mona Busch

Aufgeflogen


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      „Gut, dann ab!“, befahl der Kriminaldirektor.

      Kurz darauf packten kräftige Hände sie an Handgelenken und Oberarmen und zogen sie vom Stuhl hoch, ohne ihr die Handschellen abnehmen zu müssen. Es war nicht gerade sehr angenehm, aber sie biss die Zähne zusammen, denn sie hatte noch etwas auf dem Herzen – ihren „Auftrag“: „Warten Sie – was ist denn nun mit dem Brief, den ich Herrn Amper geben soll?“

      Der Kriminaldirektor seufzte und sagte zu einem ihrer Bewacher: „Nehmen Sie ihren Rucksack mit. Wir haben ihn durchsucht und eine Waffe sichergestellt. Das ist jetzt okay. Frau Caspari haben wir auch durchsucht. Ich benachrichtige Herrn Amper. Sie kann ihm den Brief dann in seinem Büro übergeben – aber bleiben Sie dabei!“

      „In Ordnung“, ertönte neben ihr eine tiefe Stimme.

      Dann begannen die zwei Männer sie an den Armen vorwärtszuziehen – doch schon nach zwei Schritten fiel Isabella noch etwas ein und sie bremste: „Halt! Meine Schuhe!“

      Auf dem glatten Boden rutschte sie in den Socken.

      Die Männer hielten an. Vermutlich starrten nun alle auf ihre Füße. Irgendwoher hörte sie unterdrücktes Lachen.

      Eine Stimme meinte: „Die stehen drüben im Nebenraum.“

      Der Kriminaldirektor wies an: „Holen Sie sie!“

      Dann kam er noch einmal näher zu Isabella und bohrte: „Warum haben Sie ihre Schuhe überhaupt ausgezogen, wenn Sie uns doch gar nicht belauschen wollten?“

      Isabella wurde rot: „Das habe ich doch eigentlich schon gesagt: Erwischen lassen wollte ich mich halt auch nicht. Ich hatte Angst, was dann passiert.“

      Jemand griff nach ihrem Fußgelenk. Isabella verstand, hob den Fuß und schlüpfte nach kurzem Tasten in den leichten Schuh.

      Als sie beide Schuhe trug, wiederholte der Kriminaldirektor knapp: „Ab! Und wir fangen gleich an zu beraten.“

      Der Zug an Isabellas Armen verstärkte sich wieder. Sie ließ sich vorwärts ziehen. Kurz darauf schloss sich eine Tür hinter ihnen. Sie war alleine mit den zwei Leuten von der Haussicherheit auf dem Gang.

      Nachdem sie eine Minute lang schweigend gegangen waren und Isabella sich dabei ständig unsicher vorwärtstastete, bat sie: „Könnten Sie mir nicht die Augenbinde abnehmen? Das ist ein verdammt ungutes Gefühl, nicht zu wissen, wohin man beim nächsten Schritt tritt.“

      Von links ertönte eine Stimme: „Eigentlich spricht nichts dagegen. Sehen wird sie uns sowieso noch.“

      Von rechts kam darauf die Antwort: „Richtig, aber gedulden Sie sich noch einen kleinen Moment! Wir sind gleich da.“

      Isabella schwieg. Kurz darauf zogen die Männer sie um eine Ecke.

      Nun spürte Isabella, wie ihr rechter Arm losgelassen und der Krawattenknoten an ihrem Hinterkopf gelöst wurde. Dann senkte sich endlich der Stoff, der sie für eine gefühlte halbe Stunde in das schwarze Reich der Dunkelheit verbannt hatte. Erleichtert atmete sie auf, als er über ihre Nase herabrutschte und dann ganz weg war. Blinzelnd öffnete sie die Augen, von der plötzlichen Helligkeit geblendet. Mit leicht schmerzenden Augen sah Isabella sich um: Vor ihnen lag ein offenbar nicht genutztes Büro.

      Nun fasste der Mann sie wieder am rechten Arm und zog sie vorwärts. Isabella musterte ihn verstohlen: Er überragte sie um einen ganzen Kopf. Sie fühlte sich sehr klein neben ihm.

      Ihre Wächter führten Isabella in das karg möblierte Büro. Der Größere mit der tiefen Stimme nahm ihr nun die Handschellen ab und sagte: „Verhalten Sie sich ruhig! Wir bringen Sie dann zu Herrn Amper.“

      Mit einem durchdringenden Blick verstärkte er seine Mahnung.

      7. Kapitel

      Tief aufseufzend ließ Isabella sich auf einen Stuhl fallen und rieb sich die Handgelenke, in deren Haut die Handschellen rote Druckspuren hinterlassen hatten.

      In was für eine verrückte Geschichte war sie da nur wieder hineingeraten? Was heute Morgen als ganz normaler Tag begonnen hatte, war jetzt zum absoluten Chaos geworden. Isabella musste an ihren Freund David denken, der ihr den Auftrag gegeben hatte, den Brief hier abzugeben. Tränen stiegen ihr in die Augen.

      Ein Telefon klingelte. Einer der beiden Männer von der Haussicherheit sprach kurz: „In Ordnung, wir bringen sie hin.“

      Dann forderte er Isa auf: „Kommen Sie – und nehmen Sie die Briefe mit!“

      Die beiden ergriffen Isa an den Armen und führten sie wiederum durch etliche Gänge bis zum Büro von Herrn Amper – genau das Büro, das Isa zuvor so verzweifelt gesucht hatte. Sie versuchte, sich den Weg zu merken – und warf einen Blick auf die Zimmernummer: 314. So wie David es ihr gesagt hatte.

      Sobald ihre Wächter an die Tür geklopft hatten, rief jemand: „Herein!“

      Daraufhin führten die beiden sie in das Büro. Ein etwa vierzigjähriger Herr mit kurz geschnittenen braunen Haaren, randloser Brille und dunklem Anzug saß auf einem Drehstuhl am Schreibtisch und musterte die junge Frau. Er schien vorher informiert worden zu sein, denn er begrüßte sie mit den Worten: „Guten Tag. Ich bin Wilhelm Amper. Sie haben einen Brief für mich von…?“

      Isabella ergänzte: „Von David Wolf.“

      Er nickte ihr aufmunternd zu, zeigte sonst aber keine Reaktion.

      Isabella öffnete ihren Rucksack und zog die Briefe heraus.

      „Dürfte ich Ihren Ausweis sehen?“, bat sie fest.

      Der eine Mann von der Haussicherheit hob die Augenbrauen, aber Herr Amper nickte und zeigte ihr seinen Dienstausweis. Isabella begutachtete diesen und überreichte ihm dann die beiden Briefumschläge. Der große Umschlag war nun, da die Waffe nicht mehr darin war, deutlich leichter und dünner.

      Herr Amper öffnete den kleinen Umschlag, zog einen Bogen Papier heraus und las. Dabei drehte er sich so, dass weder der Sicherheitsmann noch Isabella die Schrift sehen konnten.

      Gespannt wartete sie auf seine Reaktion, doch sein Gesicht zeigte kaum eine Regung.

      Schließlich sah er nochmals in den Umschlag hinein und entnahm diesem mit zufriedenem Nicken einen USB-Stick. Dann faltete er den Brief wieder zusammen und steckte beides zurück in das Kuvert. Nachdem er auch einen Blick in den großen Umschlag geworfen hatte, fragte er Isabella: „Sie sind also nur deshalb hergekommen, um mir diese Umschläge zu übergeben?“

      Sie bejahte und versuchte, aus seiner Miene etwas abzulesen.

      Er erhob sich und meinte: „Gut, vielen Dank dafür! Kriminalkommissar Wolf hat gute Arbeit geleistet, scheint aber nun zu befürchten, dass seine Tarnidentität aufgeflogen ist, sonst hätte er nicht so gehandelt. Ich muss jetzt einige Dinge erledigen und werde auch mit dem Kriminaldirektor über Sie sprechen. Wenn wir unsere Entscheidung gefällt haben, bekommen Sie Bescheid. Solange warten Sie! Auf Wiedersehen.“

      Rasch rief Isa: „Warten Sie! Können Sie Kontakt mit David aufnehmen? Ich möchte wissen, ob er okay ist.“

      „Ich werde es versuchen. Sie werden es erfahren, wenn ich ihn erreicht habe“, versprach er.

      Die Sicherheitsmänner griffen wieder nach Isabellas Armen, zogen sie aus Herrn Ampers Büro und führten sie zurück in das karge, leere Büro, in dem sie schon zuvor gesessen hatte. Nun musste sie wieder dort ausharren, bewacht von den beiden Männern der Haussicherheit – nachdenklich und in Sorge um David.

      15 Minuten später klopfte Herr Amper an die Tür des verhängnisvollen Konferenzraumes. Nach dem „Herein!“ betrat er den Raum, stellte sich vor und setzte sich zu dem Kriminaldirektor und den drei Polizisten.

      „Nun?“, fragte der Kriminaldirektor.

      Herr Amper runzelte die Stirn und berichtete: „Mein Ermittler, Kriminalkommissar David Wolf, scheint