Marie J. D. Caulfield

Indien, ich komme


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Johnny hören sollte, da vernahm er eine ihm vertraute Stimme. Sie sprach väterlich und ruhig „Lerne, liebe und lebe. Lerne, Liebe und Lebe“ In ihn kehrte wieder Ruhe ein. Er fühlte eine wohlbringende Geborgenheit. Er fühlte sich wie in sicheren Armen. So hatte er sich als Baby gefühlt. John verlor die Ängste und sein Herz erreichte wieder den normalen und gesunden Schlagrhythmus. Das ihm gewohnte Schweben brachte den Hauch einer Hollywoodschaukel, in der er immer als Highschool Schüler zu gern mit seinem Hund Sammy saß, wenn er seine Hausaugaben zu flüchtig hinter sich gebracht hatte. Die waren ihm immer und grundsätzlich ein Gräuel. Seine Mom nahm sich tatsächlich die Zeit und kontrollierte sie und das jeden Wenn sie dann noch die Lateinvokabeln abhören wollte, naja. Gelernt hatte er sie selten. Nur dann, wenn er genau wusste, Mom würde kommen und abfragen. Ja John, das ist nun sehr lange her. Du sitzt nicht in der Schaukel, dein Sammy ist nicht da und, ja, du liegst noch im Koma. Nur das weißt du noch nicht. Du liegst im tiefen Koma und beinahe hättest du den Löffel abgegeben, als dein Herz vor ein paar Minuten aussetzte. Mann hey, da hast du Glück gehabt, dass die Ärztin Dr. McAllister schnell reagierte und dich mit Erfolg reanimierte. Sei froh, dass du so eine robuste Gesundheit hast. Die hast du nämlich von deiner Mutter geerbt. Plötzlich vernahm John eine ganz leise Musik.

      Diese Musik kommt aus einem Musikstudio. Dennis Princewell sitzt auf einem Hocker. Geschlossene Augen. Hochsensible Finger bewegen die Saiten der Lied- und der Bassgitarre. Der Ton des Schlagzeugbeckens beschreibt die Wellen, die sanft den Sandstrand erreichen. Mr. Probz zaubert Meeresstimmung mit einfühlsamer Stimme. „Waves!!“

      Ganz vorsichtig tastete sich der Song an seine Ohren. Die Melodie erzeugte in ihm ein mildes und sanftes Meeresrauschen. Ja. sie klang nach Meeresrauschen und nach einer Brandung. John sah sich am Strand sitzen und beobachtete die Möwen am Himmel, wie sie durch die Luft sanft mit ihren Flügeln segelten und in alle Richtungen schauten. Ihre Stimmen glichen den Stimmen des Meeres. John war fasziniert von dieser maritimen Natur. Seine Hände gruben sich feinfühlig durch den Sand, den er langsam auf seine Beine rieseln ließ. Auf seinen Lippen bildete sich ein gemütliches und ein sehr entspanntes Lächeln. Ja, er war verliebt in die Mutter Natur. Diese Liebe zur Natur teilte er schon immer zusammen mit Cher, seiner Jugendfreundin. Diese Liebe hatte nie aufgehört zu leben. Sie existierte immer noch. Ja, alle Frauen, die er nach Cher kennenlernte, haben nicht das gehabt, was diese young Lady ausstrahlte. Ob lachend oder weinend, ob gut oder mies drauf, sie strahlte für John immer das herzlichste und ehrlichste Leben aus, wonach er sich immer sehnte. John kam auf einmal wieder ins jugendliche Schwärmen.

      Noch während er weiter träumen wollte, schickte ihn wieder mal das Koma, in dem er ja immer noch nach seinem Unfall lag, in die schwarze Unendlichkeit. In die todesähnliche Stimmung ohne Meeresrauschen, ohne Brandung und ohne Möwen. Ein weiter greller Blitz, im gleichen Moment stand er plötzlich vor zwei großen Toren.

      Von der Größe glichen sie dem Eingangstor einer Ritterburg. Das linke Tor war ein besonderes Tor, denn es war lebendig. Die beiden stützenden Pfeiler bestanden aus massivstem Gestein und um jeden Pfeiler bewegten sich sehr lebendige Schlingpflanzen. Das Tor selbst war das riesige Blatt einer Seerose. Es wurde angestrahlt von ungeheuer vielen, kleinen und leuchtende Insekten. Das rechte Tor war dunkel. Die Pflanzen der Pfeiler bewegten sich nicht. Waren sie tot? Das Blatt der Seerose sah verdorben aus. Es flogen keine Tierchen umher. An beiden Toren sah er ein Hinweisschild. Auf dem linken Schild stand: „Trittst du durch das lebendige Tor, dann gelangst du zu Lebendig Wasser“, auf dem rechten Schild las John: „Trittst du durch das tote Tor, dann gelangst du zu Totes Wasser“ Was in aller Welt war denn das? Totes Wasser? Lebendig Wasser? Was hieß Totes Wasser? Hatte das etwas mit dem Toten Meer zu tun? Er hatte in Geografie nie richtig aufgepasst, aber einiges wusste er noch. Das Tote Meer hatte doch seinen Namen daher, weil das Leben in diesem Wasser null Chance hatte. Seine Mom hatte dort ihren ersten Urlaub nach Dads Tod verbracht. Bei ihrem ersten Telefonanruf aus dem Hotel, in dem sie untergebracht war, hatte sie begeistert davon erzählt, sie könne Zeitung im Meer lesen. Tatsächlich konnten Menschen nicht untergehen, weil sie durch das viele Salz an der Oberfläche des Wassers gehalten wurden. 28% Salzgehalt im Toten Meer und nur knapp 4% im Mediterranean Sea. Darin Kartoffeln zu kochen, wäre bestimmt eine Delikatesse. Unter anderem waren Europa und Afrika seine Lieblingsgebiete in der Highschool. Besonders aber hat ihm von Europa Deutschland gefallen. In Büchern las Johnny vom River Rhein, von Berlin, Beethoven und von dem Land der Lederhosen und der Dirndl. Das Oktoberfest in Munich musste er unbedingt mal sehen. Okay, unter den Fremdsprachen war Deutsch sein Lieblingsfach, wenn er überhaupt eins hatte. Nun denn, hier hieß das Tor „Totes Wasser“.

      Eine leuchtend helle Kugel mit einem Schweif dahinter in Form einer kleinen Sternschnuppe erschien plötzlich aus dem Nichts und kam vor dem rechten Tor herunter. Das Licht blendete ihn. Mit der Hand vor seinen Augen sah er, wie aus dem Licht eine Gestalt kam. Diese Gestalt wurde immer klarer und klarer. Er erkannte ein Wesen mit langen, schwarzen Haaren, um die Stirn ein lila Stirnband und dazu ein aschfahles Gesicht, etwas kindlich gehalten mit einem Lächeln, was einen leicht gequälten Eindruck machte. Es trug dazu ein langes Gewand, das versuchte, einen faden grauen Glanz auszustrahlen. Dieses Wesen winkte ihm zu und öffnete das Tor zu Totes Wasser. Es winkte John zu und sagte mit einer traurigen Miene: „Der Glaube und das Vertrauen, der Respekt und das Leben. Die Liebe und der Genuss. Sonne und Regen. Trete ein“ Ah, dachte er, hatte er das nicht schon irgendwo gehört? Waren das nicht die ähnlichen Worte, die er von DER STIMME gehört hatte, auf die er achten sollte? John wusste nicht so recht, ob er hinein gehen sollte, schaute erst zum anderen Tor, vor der ein grüner Lichtkegel mit einer atemberaubenden mehrfarbigen Corona erschien. Aus dem sah er ebenfalls ein Wesen herauskommen, das dem anderen in seiner Statur zwar sehr ähnlich war, aber die schulterlangen und lockigen Haare wehten im Wind ihren goldgelben Glanz, das ebenfalls durch ein lila Stirnband gebändigt wurde. Dieses Wesen sah um vieles sympathischer aus. Der feine Unterschied zum anderen Wesen war, dass das Gewand mit feinen Blättern von Bäumen aller Arten und mit den Farben der Jahreszeiten überdeckt war, von einem erfrischenden Knospengrün bis hin zum vielfarbigen Herbstblatt. Dieses Naturwesen sprach mit einem atemberaubenden Charme und einem Lächeln, Leonardo da Vinci hätte Mona Lisa links stehen gelassen: „Der Glaube und das Vertrauen, der Respekt und das Leben. Die Liebe und der Genuss. Sonne und kein Regen. Trete bitte ein“. „Hey, wer immer du auch bist, du redest wie die andere. Hmm, wer bist du überhaupt? Wer seid Ihr?“ fragte John etwas verwirrt. „Wir kommen aus dem Leben und wir sind das Leben. Unsere Farben sind das Leben. Das eine Leben lebt. Das andere Leben stirbt. Entscheide, welches Leben du zuerst leben möchtest.“ antworteten alle beide Wesen zugleich. „Hmm, wohin John, wohin?“ dachte er, „ich muss nachdenken“ War das ein Test? Wollte DIE STIMME ihn testen? Wo sollte er zuerst hinein gehen? Totes Wasser? Lebendig Wasser? Okay, er hatte in seinem Leben immer nur das Gute dem Schlechten vorgezogen. Sollte er in diesem Fall seine Prioritäten ändern? Hmm, wenn Die Stimme mich wirklich testen will, dann gehe ich doch erst durch dieses tote Tor. Durch das Tor Totes Wasser, lieber John. „Verdammt, das ist wirklich nicht so einfach“ dachte er und in seinem Gesicht zeichnete sich eine ernste und eine tief nachdenkende Miene ab. Links ist definitiv das Schöne, rechts wiederum das Schlechte, in diesem Fall sogar das Tote, aber in beiden Fällen sagten die Wesen dasselbe mit dem kleinen Unterschied, dass das Naturwesen „keinen Regen“ erwähnte. „Hmm, okay“ sagte er „for the hell sake! John, reiß dich zusammen und gehe erst nach Totes Wasser. Sicher? „I am bloody sure“ sprach John mit etwas zweifelnder Gestik und durch seine Unsicherheit bekam er ein leichtes Herzflattern. Leichte Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. „Verdammt, geh endlich, John Feelgood. Reiß Dich zusammen. In seinen Gedanken spielten sich Horrorszenarien ab. „Oh no! Shit happens every second“ Eine Gänsehaut überfiel ihn am ganzen Körper. Leicht gequält lächelte er das Wesen an. Das Wesen lächelte nicht. Es zeigte mit seiner Hand eine fordernde Einladung. „Okay, wenn es sein soll, okay, okay“ entschied sich John zu einem….

       13. Das Tor Totes Wasser

      Seine Muskeln, besonders die der Ober- und Unterschenkel zogen sich zusammen und ganz zaghaft machte er zuerst einen ersten Schritt mit dem linken und dann einen mit dem rechten. Seinen Blick richtete er leicht verängstigt auf die nun veränderte motivationsfreudige Miene des Wesens, das ihren Ausspruch wiederholte und ergänzte „Der Glaube und das Vertrauen,