Marie J. D. Caulfield

Indien, ich komme


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Schritt nach vorne. Das Tor hinter ihm schloss sich mit einem morschen Knarren und er konnte ein emotionsloses Lachen hinter dem Tor hören. „Lerne John, lerne, John Feelgood, lerne, lerne! Ich bin immer noch das Leben.“ hörte er von der verhallenden Stimme. John fühlte ein Herzstolpern. Seine rechte Hand fühlte zum Herz und da, wie verzaubert saß John plötzlich in einem Boot im dunkelgrauen Nebel. Durch diese neue Situation erschrak John und hielt sich an den Bootsrändern fest. „Oh verdammt“ dachte er „ich sterbe gleich. Bleib cool und halt dich fest. Das ist bestimmt wieder mal ein Test“ Er vernahm im langsamen Rhythmus Wasser an die Bootswände klatschen. Das Boot wippte etwas. Der Nebel, der ihm zuerst sämtliche Sicht versperrte, löste sich zögernd auf und seine Augen sahen in das sehr besorgte Gesicht einer Frau, die er noch nie vorher in seinem Leben gesehen hatte. John hörte irgendwo in der Nähe Glocken schlagen. Er sah etwas, was diese Frau um ihren Hals trug. Das sah doch so ähnlich wie ein Rettungsschlauch aus. Der reichte vom Hals runter bis zum Hosengürtel. Oben in der Luft sah er zwei Helikopter. Der eine hatte eine gelbe Farbe und flog eine Runde. Er konnte Buchstaben erkennen. A..D..A..C… Musste irgendeine Firma sein, die Rundflüge anbietet. Der andere Hubschrauber war dunkel. Ein rotes Kreuz sah er ganz kurz auf der Seite. Der hatte es sehr eilig und verschwand so schnell, wie er gekommen war. John musste nachdenken. Schlauch? Rettungsschlauch? Helikopter? Glocke? Rotes Kreuz? Von irgendwo her hörte John in kurzen Intervallen penetrante Töne, die Ähnlichkeiten mit denen von Polizeiwagen hatten. War das schon wieder ein Test DER STIMME und dieses Mal mit audio-visuellen Metaphern? Sollte er gerettet werden? Aber wenn ja, warum? Nein, nein, das war ihm zu einfach. John dachte nach. Hinten im Boot sah er eine andere Person. Diese Person war ein Mann und der hatte den gleichen Rettungsschlauch um seinen Hals wie sie. Die Frau sagte etwas zu ihm, was John aber nicht verstand. Was war denn das für eine Sprache? Sie redete und redete und der Steuermann antworte ihr irgendetwas in dieser gleichen Sprache. Er hörte öfters das Wort „Kruzifix“, sie sah er weiter kopfschüttelnd und hörte verängstigt etwas leiser „ O mei, O mei, aus is!!“. Hmm? Wo war er hier bloß? Mann hey, dachte er, wo bin ich denn hier gelandet? Was haben die Beiden mit der Tür von Totes Wasser zu tun? Was hat diese Szenerie damit zu tun? In was für einem Film war er hier gelandet? Wo bleibt der Regisseur und schreit CUT, die Szene steht? Hä, das wär zu einfach. Er dachte nach und dachte nach, Johnny the ever thinker. Ja, er sah tatsächlich so aus wie ein sitzendes, menschliches und denkwürdiges Fragezeichen. Das war doch alles nur ein Test. Anders konnte er sich doch diese ganze Story nicht vorstellen. Ja, und John bemerkte etwas. Das war ihm bisher gar nicht aufgefallen. Er wurde von den Beiden überhaupt nicht wahrgenommen. Keiner hatte auf ihn in dieser ganzen Zeit geschaut, in der er von Anfang an auf dem Boot war. Weder die Frau noch der Mann am Steuer hatten ihn je angesprochen. Er war schlicht und einfach Luft für sie. Er schüttelte seinen Kopf und tastete sich am Oberkörper ab. War er John? War er John Feelgood aus Fleisch und Blut oder war er so etwas Ähnliches wie ein Geist? Er bemerkte, wie sich der entfernte Nebel auflöste, der die ganze Zeit die weite Sicht um das Boot versperrte. Und in diesem Moment schlug die Frau ganz plötzlich ihre Hände vor ihr Gesicht. Irgendetwas Unverständliches rief sie aus und zeigte mit ihrem rechten Zeigefinger zu einem Haus in der Ferne. Ihr entsetzter Blick richtet sich abwechselnd von dem Mann zu diesem Haus. Dieses Haus hatte einen rötlichen Farbanstrich. Johnny bekam ganz plötzlich große Augen. Dieser See hier reichte bis zum Haus und noch viel weiter. Das Haus wurde geradezu von diesem Wasser umschlungen. Aber das konnte doch kein See sein. Er bemerkte ein dunkelgrünes und braunes Wasser mit vielen Schlieren da drauf. Das letzte Mal, das John so ein ähnliches Wasser gesehen hatte, das war bei ihm zu Hause. Er hatte einen Ölkanister gereinigt und mit Wasser ausgewaschen. Dieses Wasser kippte er in sein Abflussbecken. Auf der Wasseroberfläche sah er einen Film darauf. Das war ein Ölfilm. Und genauso einen Film sah er nun hier. Das Wasser war übersät mit diesem Ölfilm. Ja, es waren sogar größere Ölteppiche. Er sah in das Gesicht dieser Frau. Dieses Gesicht war voller Sorgenfalten, in denen sich Tränenwasser ihren Weg herunter in ihre rechte Hand bahnten, die unentwegt die Tränen abwischte. Mit dem Boot kamen sie nun dem Haus immer näher und näher. Es lag ein schwerer Geruch in der Luft. Ein Geruch der Zerstörung und der Vernichtung. Oh, da sah er plötzlich einen toten Fisch im Wasser. Hey, war das nicht ein Goldfisch? Ein paar Yards weiter schwamm schon der nächste tote Goldfisch. Die Frau fing an, am ganzen Körper zu zittern. Sie war wohl einem Nervenzusammenbruch nahe. In ihm wurden sofort die Gefühle wach, die er von seinen Eltern geerbt hatte. Helfen! Sofort helfen! Er wollte der Frau helfen und sie beruhigen. Er legte seinen Arm um ihre Schultern, aber… was war denn das? Hey! Er griff durch sie hindurch! John bekam einen Schrecken. „Ha!“ gurgelte er, was war denn da los? Er probierte es nochmal, und nochmal, wieder und immer wieder. Aber es war jedes Mal das gleiche. Und nochmal und nochmal. Er schrie ganz laut „Verdammt! For the bloody hell fucking sake! Was geht hier ab? Ich will hier raus. Was soll ich hier? “ Aber die Frau und der Mann hörten ihn erst gar nicht, sie nahmen ihn nicht wahr. Er schien wirklich nicht existent zu sein. Ja John, in dem Moment, als du durch diese Tür von Totes Wasser gegangen bist, da löste sich dein fester Körper auf. Du kamst in die Schattenwelt, in der alles nichts ist. In der der Regen dominierte und die Sonne bedeckt blieb. Das, was du gesehen hast, ist noch gar nicht passiert. Das wirst du erst dann erleben, wenn du wieder gesund geworden bist. Es liegt dann ganz an dir, im Regen die Sonne scheinen zu lassen. Ja, du wirst zwar wieder gesund, aber bis dahin wirst du noch durch viele Täler des Schmerzes gehen, aber auch durch Täler der Freude, durch Täler des Lachens und des Weinens. Du wirst viel leiden müssen, deswegen wirst du auch viel lernen. Dein Leben wird das Leben werden. Du wirst endlich dein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Höre immer auf das, was dir DIE STIMME gesagt hat. Doch noch liegst du im Koma. Ein kurzer trockener Donner bebte und ließ sein Trommelfell vibrieren, ein Blitz pflanzte sich in das Boot und in diesem Moment der erneuten Fassungslosigkeit stand er vor dem linken Tor.

       14. Das Tor Lebendig Wasser

      Mann o Mann, zitterten seine Knie. Jetzt krieg keinen Herzinfarkt, John Feelgood. Du hast Totes Wasser überstanden. Er stand nun vor dem Tor Lebendig Wasser. Das Wesen mit den blonden Haaren davor winkte ihm ebenfalls zu und sagte „Der Glaube und das Vertrauen, der Respekt und das Leben. Die Liebe und der Genuss. Sonne und kein Regen. Lerne“ Ohne erst darüber nachzudenken, hatte er doch ähnliches von DER STIMME gehört, ging er ohne Zögern durch dieses Tor. Ganz schnell war er auf der anderen Seite und das Wesen hinter ihm winkte John noch schnell zu und sagte lächelnd „Wenn dir Vögel und Fische begegnen, dann freue dich. Auch wenn sie dir zu groß erscheinen mögen. Aber pass auf den Hai Ben McKnife auf. Der ist klug. Der ist sehr klug. Der gibt nie auf. Überlege genau, was Du ihm sagst. Überlege erst und entscheide dann. Denke nach, bevor du ihm glaubst. Ein verdammt schnelles Ja könnte ein verdammt schneller Tod sein, um es mit deinen Worten auszudrücken. Valentine, die Schildkröte aus dem Meer ist alt und sehr weise. Sie kannst du alles fragen. El Sonchero ist ein großer Kämpfer. Er heißt auch El Sonchero, der Kämpfer. Der gibt nie auf. Er kann dir Tipps in allen Lebenslagen verraten, besonders, wenn es hart auf hart kommt. Fragen ergeben Antworten und durch Antworten erhältst du mehr Wissen. Mehr Wissen bedeutet leben. Nun gehe weiter, schreite über diese Schwelle der Hoffnung und der Liebe. Habe keine Angst. Noch etwas, du Menschenkind, wenn Freude und Glück den Tag dominieren, wenn das Lächeln immer lächelt, wenn die Sonne immer scheint, ohne dass Regen fällt, dann schärfe deine Sinne. Ach ja, noch etwas. Suchst du den ehrwürdigen Meister auf, dann behandele ihn mit Respekt.“ John lächelte ganz vorsichtig. Oh Mensch, was sollte denn das schon wieder bedeuten? Also ging John los und wollte über das Gesprochene von eben nachdenken, da passierte es schon. Der Nebel kam angriffslustig geräuschlos von oben hinab zu ihm und legte sich über ihn. Vom Kopf angefangen schlängelte sich dieser geheimnisvolle Dunst bis ganz nach unten zu seinen Füßen. John war eingekesselt. Er war blind. Er konnte nichts mehr sehen. Wohin sollte er jetzt gehen? Und welche Richtung bitte?

      Er überlegte kurz, blieb stehen und zögerte. Warum sollte er überhaupt weitergehen? Er konnte doch eh nichts sehen. Da flüsterte ihm eine Stimme ganz behutsam ins Ohr: „Habe keine Angst und beginne ab jetzt, an dich zu glauben. Auch, wenn du nicht sehen kannst. Du hast meine Worte gehört. Nun liegt es an dir. Glaube und vertraue mir, denn der Glauben und das Vertrauen gehört zum Leben.“ Eins war klar, das war dieselbe Stimme von dem Wesen mit dem goldgelben Haar. Es war freundlicher und vertrauenserweckender. Trotzdem, er musste nachdenken.