ruft, höre ich das liebevolle Klirren von Bierflaschen auf Beton.
Seufzend greife ich das erste Mal an diesem Abend zu Eimer, Besen und Wasserkanne.
Als ich kurz darauf den Shop betrete, wirft mir mein Kollege bereits einen gequälten Blick zu und warnt mich davor, zu nah am Schnapsregal vorbei zu gehen. Zu spät.
Ich bleibe mit dem Schuh am Boden kleben und bemerke in dem Moment den charakteristischen Geruch von Jägermeister. Entschuldigend zuckt mein Kollege mit den Schultern: "Da hat vorhin einer eine Flasche fallen gelassen. Ich habe schon mehrfach gewischt und gelüftet, aber du weißt ja, wie das Zeug ist."
Mir entfährt erneut ein tiefer Seufzer und ich nicke nur.
Ja, es ist Samstagabend...
Der Kunde ist König
Seit unsere Vorfahren vor einigen tausend Jahren von den Bäumen gefallen, pardon, gestiegen sind und zur Fanfare aus "2001 - Odyssee im Weltraum" auf die Steinsäule eingeprügelt haben, gelten unter uns bestimmte und gesellschaftlich anerkannte Verhaltensregeln.
Die Zeiten, als wir Männer einer Frau als Sympathiebezeugung die Keule übergezogen haben, um sie danach in unsere Höhle zu schleifen, sind längst vorbei. Heutzutage sind es eher die Ehemänner, die von ihren Frauen mit dem Nudelholz (einer leichteren, griffigeren und seltsamerweise sozial akzeptierten Keulenform) eine liebevolle Ermahnung verpasst bekommen, wenn ihnen an einem Samstagnachmittag die Nachspielzeit von Dortmund gegen Schalke wichtiger erscheint als ein voller Mülleimer oder der für kleinere Elefantensafaris geeignete Rasen im Garten.
Nichtsdestotrotz haben wir uns im Laufe der Zeit in Sachen Kommunikation und Interaktion von Grunzlauten, gegenseitigem Lausen und am After schnuppern zu gesprochenen Worten, Händeschütteln und Küsschen-links-Küsschen-rechts weiterentwickelt.
Im Normalfall sind diese Konventionen allseits bekannt und werden uns bereits im Kleinkinderalter von unseren Eltern vorgelebt, im Kindergarten verfeinert und spätestens während der Schulzeit zu Automatismen im Umgang miteinander verinnerlicht.
Jedenfalls sollte es eigentlich so sein.
Früher fand die "Evolution der Interaktion" deutlich langsamer statt und vollzog sich über Jahrhunderte, was eigentlich auch kein Wunder ist, wenn man die allgemeinen Umstände damals in Betracht zieht.
Vor die Wahl gestellt, entweder vor einem König niederzuknien oder enthauptet zu werden, haben sich doch erstaunlich viele die Hosen schmutzig gemacht - an den Knien. Logischerweise hat die Erfindung der Guillotine während der französischen Revolution gerade diesen Entwicklungsprozess noch einmal deutlich verlangsamt.
Da wir inzwischen in Deutschland aber alle zivilisiert sind (jedenfalls im Vergleich zu den eingangs erwähnten Keulen schwingenden Vorfahren), wurden solche publikumswirksamen und beliebten Massenveranstaltungen zu Gunsten langweiliger Gerichtsverfahren abgeschafft. Da bei letzteren aber ohnehin meist eine schwere Kindheit, der übermäßige Konsum alkoholischer oder sonst wie bewusstseinsverändernder Mittel und dazu ein ganz furchtbarer Heuschnupfen das Urteil ins Lächerliche ziehen, kann sich auch unserer Miteinander einfacher und schneller ändern. Ohne entsprechende Repressalien sehen viele eben keinen Grund, den Normen und Verhaltensregeln zu folgen.
Oder um es bildlich darzustellen: wenn ich morgens vor meinem Arbeitgeber keinen Kotau veranstalte, wird er mir deswegen nicht mit einem breiten Küchenmesser alles oberhalb der Schultern amputieren, sondern nur wieder einmal völlig entnervt mit den Augen rollen. Diese reichlich sinnlose Geste bereitet mir aber bereits seit Jahren keine schlaflosen Nächte mehr.
Ich bin mir fast sicher, dass er sich manchmal die "gute, alte Zeit" zurück wünscht...
Ich selbst stamme aus einer wohl durchaus in Erziehungsfragen als konservativ geltenden Familie.
Eine Begrüßung gehört daher, wenn ich hinter der Kasse stehe, selbstredend zu der Interaktion mit dem Menschen vom Planet Kundschaft. Ohne ein "Guten Tag" fehlt mir einfach der Einstieg.
Natürlich habe ich viele Kunden, die mich fragen würden, was ich geraucht habe, wenn ich ihnen mit "Guten Tag, was kann ich für sie tun?" käme.
Die meisten von ihnen kennen mich schon viele Jahre oder sind noch relativ jung, so dass ein einfaches "Hallo" vollkommen ausreichend ist. Gut, bei manchen nehme ich auch gerne grinsend ein "Nicht du schon wieder!" oder "Muss das sein?" - dies aber dann doch nur bei Kunden, von denen ich mir sicher bin, dass sie mit Höflichkeiten wie "Dein Kollege wäre mir auch lieber gewesen." oder "Warum soll es dir besser gehen als mir?" antworten.
Entgegen dazu scheint die Interaktion vieler Mitmenschen inzwischen auf Twitter, Facebook und SMS beschränkt zu sein.
Oft kommt auf meine Begrüßung keine Reaktion oder sogar nur ein verdutzter Blick.
Wenn man lange genug mit Kunden zu tun hat, sollte man sich dementsprechend eines relativ schnell abgewöhnen: von Kunden die gleiche Höflichkeit und den gleichen Respekt zu erwarten, die man ihnen gegenüber an den Tag legt.
Ich selbst bin Ende dreißig und trotz mehrerer Jahre, die ich diesen Beruf hier nun schon ausübe, sind graue Haare und Falten bisher unerwarteter Weise an mir vorbei gegangen. Ich kann wohl nichtsdestotrotz mit Fug und Recht behaupten, kein "Junge" mehr zu sein, was aber den Durchschnittskunden natürlich nicht im Geringsten daran hindert, mich erst mal zu duzen.
Vielleicht bin ich einfach schon zu alt, wurde zu spießig erzogen oder bin einfach zu versnobt, aber grundsätzlich halte ich mich im Umgang mit anderen Menschen an gewisse Grundregeln.
Fremde duze ich zum Beispiel nicht einfach, sofern sie nicht garantiert noch minderjährig sind oder mit dem Duzen angefangen haben.
Selbstverständlich erntet man von eben diesen Kunden, die einen zwei Sekunden vorher selbst noch geduzt haben meist völlig empörte Blicke, wenn man sie dann einfach dreist zurück duzt. Es gibt zwar auch diejenigen, die dann plötzlich merken, dass sie selbst den Grund dafür geliefert haben und sich mit einem Nicken oder schiefen Grinsen entschuldigen, bzw. mein Duzen akzeptieren, aber der Großteil unserer Kunden gehört leider nicht zu dieser Kategorie.
Im Stillen hege ich den Verdacht, dass die Chance auf Zugehörigkeit zu dieser Gruppierung proportional zu Einkommen, PS-Zahl und Größe des Auspuffs am Auto des Kunden ist. Sollte sich irgendwann ein Sponsor dafür finden, werde ich zu diesem Thema sicherlich eine wissenschaftlich fundierte Studie erstellen.
Natürlich bin ich mit vielen Kunden auch ganz normal längst beim Du angekommen.
Einige wenige kenne ich privat, die meisten aber einfach auf Grund der langen Zeit, die sie schon meine Kunden sind.
Wenn ich hinter der Kasse stehe, sind sie jedoch keine Freunde für sobald sie den Shop betreten, - sie sind meine Kunden, die mir am Monatsende die Zahlung meiner Miete ermöglichen, während ich ihnen bei der Erfüllung ihrer Einkaufswünsche und kleinen Probleme behilflich bin.
Ich wünsche mir oft, Kunden würden das genauso sehen...
Mit dieser Einstellung zu Begrüßungen und der Anrede des Gesprächspartners dürften leider nur maximal 50% der Kunden konform gehen.
Selbstverständlich reicht es aus, mich nur anzuschauen oder sogar völlig zu ignorieren, bis man mir an der Kasse das Geld schweigend hinwirft, aber so richtig angenehm ist das eigentlich nicht.
Erstaunlicherweise scheint die mathematische Formel der Duzer von eben auch hier in fast unveränderter Form ihre Anwendung finden zu können.
Während der Krawatte tragende BMW-Fahrer, dessen motorisierte Genitalverlängerung ich bereits Kilometer bevor er mich erreicht hören kann, nicht mal ein einfaches Nicken auf meinen Gruß erwidert, wird die junge Studentin mit ihrem alten gebrauchten Golf mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit neben dem Gruß noch ein Lächeln für mich haben.
Natürlich rede ich mir gerne ein, dass dieses Lächeln seine Herkunft in meinem guten Aussehen und meinem großen Charme hat (neben meiner famosen