Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger
Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger
Verwalter, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein
einziger Leidtragender. Und selbst Scrooge war von dem
traurigen Ereignis nicht so schrecklich mitgenommen, um nicht
selbst am Begräbnistag ein vortrefflicher Geschäftsmann sein und
ihn mit einem unzweifelhaft guten Handel feiern zu können.
Nun bringt mich die Erwähnung von Marleys Begräbnistag
wieder zu dem Ausgangspunkt meiner Erzählung zurück. Es gibt
keinen Zweifel, daß Marley tot war. Das muß scharf ins Auge
gefaßt werden, sonst kann in der Geschichte, die ich erzählen
will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen
fest überzeugt wären, daß Hamlets Vater tot ist, ehe das Stück
beginnt, so wäre durchaus nichts Merkwürdiges in seinem
nächtlichen Spaziergang bei scharfem Ostwind auf den Mauern
seines eigenen Schlosses.
Nicht mehr, als bei jedem anderen Herrn in mittleren Jahren, der
sich nach Sonnenuntergang rasch zu einem Spaziergang auf
einem luftigen Platz entschließt, zum Beispiel auf dem Sankt-
Pauls-Kirchhof.
Scrooge ließ Marleys Namen nicht ausstreichen. Noch nach
Jahren stand über der Tür des Speichers »Scrooge und Marley«.
Die Firma war unter dem Namen Scrooge und Marley bekannt.
Leute, die Scrooge nicht kannten, nannten ihn zuweilen Scrooge
und zuweilen Marley; aber er hörte auf beide Namen, denn es
galt ihm beides gleich.
galt ihm beides gleich.
Oh, er war ein wahrer Blutsauger, dieser Scrooge! Ein gieriger,
zusammenkratzender, festhaltender, geiziger alter Sünder: hart
und scharf wie ein Kiesel, aus dem noch kein Stahl einen
warmen Funken geschlagen hat, verschlossen und
selbstgenügsam und ganz für sich, wie eine Auster. Die Kälte in
seinem Herzen machte seine alten Gesichtszüge starr, seine spitze
Nase noch 6
spitzer, sein Gesicht runzlig, seinen Gang steif, seine Augen rot,
seine dünnen Lippen blau, und sie klang aus seiner krächzenden
Stimme heraus. Ein frostiger Reif lag auf seinem Haupt, auf
seinen Augenbrauen, auf dem starken struppigen Bart. Er
schleppte seine eigene niedere Temperatur immer mit sich herum:
in den Hundstagen kühlte er sein Kontor wie mit Eis, zur
Weihnachtszeit machte er es nicht um einen Grad mol iger.
Äußere Hitze und Kälte wirkten wenig auf Scrooge. Keine
Wärme konnte ihn wärmen, keine Kälte frösteln machen. Kein
Wind war schneidender als er, kein Schneegestöber
erbarmungsloser, kein klatschender Regen einer Bitte weniger
zugänglich. Schlechtes Wetter konnte ihm nichts anhaben. Der
ärgste Regen, Schnee oder Hagel konnten sich nur in einer Art
rühmen, besser zu sein als er: sie gaben oft im Überfluß, und das
tat Scrooge nie und nimmer.
Niemals kam ihm jemand auf der Straße entgegen, um mit
freundlichen Blicken zu ihm zu sagen:»Mein lieber Scrooge, wie
freundlichen Blicken zu ihm zu sagen:»Mein lieber Scrooge, wie
geht's, wann werden Sie mich einmal besuchen?« Kein Bettler
sprach ihn um eine Kleinigkeit an, kein Kind fragte ihn, wie spät
es sei, kein Mann und keine Frau hat ihn je in seinem Leben nach
dem Weg gefragt. Selbst der Hund des Blinden schien ihn zu
kennen, und wenn er ihn kommen sah, zog er seinen Herrn in
einen Torweg und wedelte dann mit dem Schwanz, als wol te er
sagen: »Gar kein Auge, blinder Herr, ist besser als ein böses
Auge.«
Doch was kümmerte all das den alten Scrooge? Gerade das
gefiel ihm. Allein seinen Weg durch die engen Pfade des Lebens
zu wandern, jedem menschlichen Gefühl zu sagen: »Bleibe mir
fern«; das war es, was Scrooge gefiel.
Einmal, es war von allen guten Tagen im Jahr der beste, der
Christabend, saß der alte Scrooge in seinem Kontor. Draußen
war es schneidend kalt und neblig, und er konnte hören, wie die
Leute im Hof, um sich zu erwärmen, prustend auf und nieder
gingen, die Hände aneinander schlugen und mit den Füßen
stampften. Es hatte eben erst drei Uhr geschlagen, doch war es
schon stockfinster. Den ganzen Tag über war es nicht hel
geworden, und die Kerzen in den Fenstern der benachbarten
Kontore flackerten wie rote Flecken auf der dicken braunen
Luft. Der Nebel drang durch jede Spalte und durch jedes
Schlüssel och und war draußen so dick, daß die
gegenüberliegenden Häuser des sehr kleinen Hofes wie ihre
eigenen Geister aussahen. Wenn man die trübe, dicke, alles
eigenen Geister aussahen. Wenn man die trübe, dicke, alles
verfinsternde Wolke heruntersinken sah, hätte man meinen
können, die Natur wohne dicht nebenan und braue en gros.
Die Tür von Scrooges Kontor stand offen, damit er seinen
Kommis beaufsichtigen konnte, der in einem erbärmlich feuchten,
kleinen Raum, einer Art Burgverlies, Briefe kopierte. Scrooge
hatte nur ein sehr kleines Feuer, aber des Dieners Feuer war um
so viel kleiner, daß es nur wie eine einzige Kohle aussah. Er
konnte aber nicht nachlegen, denn Scrooge hatte den
Kohlenkasten in seinem Zimmer, und jedesmal, wenn der
Kommis mit der Kohlenschaufel in der Hand hereinkam, meinte
sein Herr, es sei wohl nötig, daß sie s ich trennten.
Worauf der Kommis seinen weißen Schal umband und
versuchte, sich an dem 7
Licht zu wärmen, was aber immer fehlschlug, da er ein Mann von
nicht sehr starker Einbildungskraft war.
»Fröhliche Weihnachten, Onkel, Gott erhalte Sie!« rief da eine
heitere Stimme. Es war die Stimme von Scrooges Neffen, der so
schnel hereingekommen war, daß dieser Gruß das erste war,
was man von ihm bemerkte.
»Pah«, sagte Scrooge, »dummes Zeug!«
Der Neffe war vom schnel en Laufen so warm geworden, daß er
über und über glühte; sein