Charles Dickens

Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten


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Augen glänzten und sein Atem rauchte.

       »Weihnachten dummes Zeug, Onkel?« sagte Scrooges Neffe.

       »Das kann nicht Ihr Ernst sein.«

       »Es ist mein Ernst«, sagte Scrooge. »Fröhliche Weihnachten?

       Was für ein Recht hast du, fröhlich zu sein? Was für einen

       Grund, fröhlich zu sein? Du bist arm genug.«

       »Nun«, antwortete der Neffe heiter, »was für ein Recht haben

       Sie, grämlich zu sein? Was für einen Grund, mürrisch zu sein? Sie

       sind reich genug.«

       Scrooge, der im Augenblick keine bessere Antwort darauf bereit

       hatte, sagte noch einmal »Pah!« und brummte hinterher

       »Dummes Zeug!«

       »Seien Sie nicht böse, Onkel«, sprach der Neffe.

       »Was sol ich anderes sein«, antwortete der Onkel, »wenn ich in

       einer Welt voll solcher Narren lebe? Fröhliche Weihnachten!

       Der Henker hole die fröhlichen Weihnachten! Was ist

       Weihnachten für dich anderes, als eine Zeit, in der du

       Rechnungen bezahlen sol st, ohne Geld zu haben, eine Zeit, in

       der du dich um ein Jahr älter und nicht um eine Stunde reicher

       findest, eine Zeit, in der du deine Bücher abschließest und in

       jedem Posten durch ein volles Dutzend von Monaten ein Defizit

       siehst? Wenn es nach mir ginge«, setzte Scrooge heftig hinzu, »so

       müßte jeder Narr, der mit seinem ›Fröhliche Weihnachten‹

       herumläuft, mit seinem eigenen Pudding gekocht und mit einem

       Stechpalmenzweig im Herzen begraben werden.«

       »Onkel!« bat der Neffe.

       »Neffe«, antwortete der Onkel erbost, »feiere du Weihnachten

       nach deiner Art und laß es mich nach meiner feiern.«

       »Feiern!« wiederholte Scrooges Neffe. »Aber Sie feiern es ja

       nicht.«

       »Laß mich ungeschoren«, brummte Scrooge. »Mag es dir

       Nutzen bringen. Es hat dir ja immer schon Nutzen gebracht.«

       »Es gibt viele Dinge, die mir hätten nützen können und die ich

       nicht genutzt habe, das weiß ich«, antwortete der Neffe, »und

       Weihnachten ist eins davon.

       Aber ich weiß gewiß, daß ich Weihnachten, abgesehen von der

       Verehrung, die wir seinem heiligen Namen und Ursprung

       schuldig sind, immer als eine gute Zeit betrachtet habe, als eine

       liebe Zeit, als die Zeit der Vergebung und Barmherzigkeit, als die

       einzige Zeit, die ich in dem ganzen langen Jahreskalender kenne,

       da die Menschen einträchtig ihre verschlossenen Herzen auftun

       und die andern Menschen ansehen, als wären sie wirklich

       Reisegefährten 8

       Reisegefährten 8

       nach dem Grabe und nicht eine ganz andere Art von

       Geschöpfen, die einen ganz andern Weg gehen. Und daher,

       Onkel, wenn es mir auch niemals ein Stück Gold oder Silber in

       die Tasche gebracht hat, daher glaube ich doch, es hat mir Gutes

       getan, und es wird mir Gutes tun, und ich sage ›Gott segne das

       Weihnachtsfest!‹«

       Der Diener in dem Burgverlies draußen applaudierte

       unwillkürlich; aber im Augenblick darauf fühlte er auch die

       Unschicklichkeit seines Betragens, schürte die Kohlen und

       löschte dadurch die letzten kleinen Funken unwiederbringlich.

       »Wenn Sie da drin mich noch einen einzigen Laut hören lassen«,

       sagte Scrooge, »so feiern Sie Ihre Weihnachten mit dem Verlust

       Ihrer Stel e. - Du bist ein ganz gewaltiger Redner«, fügte er dann

       hinzu, sich zu seinem Neffen wendend. »Es wundert mich, daß

       du noch nicht ins Parlament gekommen bist!«

       »Seien Sie nicht böse, Onkel. Essen Sie morgen mit uns.«

       Scrooge sagte, daß er ihn erst verdammt sehen wol e; ja

       wahrhaftig, er sprach sich so deutlich aus.

       »Aber warum?« rief Scrooges Neffe. »Warum denn?«

       »Warum hast du dich verheiratet?« fragte Scrooge.

       »Weil ich mich verliebte.«

       »Weil er sich verliebte!« brummte Scrooge, als sei dies das

       einzige Ding in der Welt, das noch lächerlicher als eine fröhliche

       Weihnacht ist. »Guten Abend!«

       »Aber Onkel, Sie haben mich ja auch vorher nie besucht.

       Warum sol es da ein Grund sein, mich jetzt nicht zu besuchen?«

       »Guten Abend!« sagte Scrooge.

       »Ich brauche nichts von Ihnen, ich verlange nichts von Ihnen,

       warum können wir nicht gute Freunde sein?«

       »Guten Abend!« sagte Scrooge.

       »Ich bedaure wirklich von Herzen, Sie so hartnäckig zu finden.

       Wir haben nie einen Zank miteinander gehabt, an dem ich schuld

       gewesen wäre. Aber ich habe den Versuch gemacht,

       Weihnachten zu Ehren, und ich will meine Weihnachtsstimmung

       bis zuletzt behalten. Fröhliche Weihnachten, Onkel!«

       »Guten Abend!« sagte Scrooge.

       »Und ein glückliches Neujahr!«

       »Guten Abend!« sagte Scrooge.

       Trotz allem verließ der Neffe das Zimmer ohne ein böses Wort.

       Trotz allem verließ der Neffe das Zimmer ohne ein böses Wort.

       An der Haustür blieb er dann stehen, um mit dem Glückwunsch

       des Tages den Kommis zu begrüßen, der trotz der Kälte

       dennoch wärmer war als Scrooge, denn er gab den Gruß

       freundlich zurück.

       »Das ist auch so ein Kerl!« brummte Scrooge, der es hörte.

       »Mein Kommis, mit fünfzehn Shilling die Woche und Frau und

       Kindern, spricht von fröhlichen Weihnachten. Ich gehe nach

       Bedlam ins Irrenhaus.«

       Der Kommis hatte, als er den Neffen hinaus ließ, zwei andere

       Personen eingelassen. Es waren zwei behäbige, wohlansehnliche

       Herren, die jetzt, mit dem Hut in der Hand, in Scrooges Kontor

       standen. Sie hatten Bücher und Papiere unterm Arm und

       verbeugten sich.

       9

       »Scrooge und Marley, glaube ich«, sagte einer der Herren,

       indem er auf seine Liste sah. »Hab ich die Ehre, mit Mr. Scrooge

       oder mit Mr. Marley zu sprechen?«

       »Mr. Marley ist seit s ieben Jahren tot«, antwortete Scrooge. »Er

       starb heute vor sieben Jahren.«