»Als ich lebte, war ich Euer Kompagnon, Jacob Marley.«
»Könnt Ihr Euch setzen?« fragte Scrooge und sah ihn zweifelnd
an.
»Ich kann es.«
»So tut's.«
Scrooge fragte nur, weil er nicht wußte, ob sich ein so
durchsichtiger Geist setzen könne, und er fühlte die
Notwendigkeit einer unangenehmen Erklärung, wenn es ihm nicht
möglich wäre. Aber der Geist setzte sich auf der anderen Seite
des Kamins nieder, als sei er so gewohnt.
»Ihr glaubt nicht an mich?« fragte der Geist.
»Nein«, sagte Scrooge.
»Welches Zeugnis, außer dem Eurer Sinne, wollt Ihr von meiner
Wirklichkeit haben?«
»Ich weiß nicht«, sprach Scrooge.
»Warum glaubt Ihr Euren Sinnen nicht?«
»Warum glaubt Ihr Euren Sinnen nicht?«
»Weil sie die geringste Kleinigkeit stört«, entgegnete Scrooge.
»Eine kleine Unpäßlichkeit des Magens macht sie zu Lügnern.
Ihr könnt ein unverdautes Stück Rindfleisch, ein Käserindchen,
ein Stückchen schlechter Kartoffeln sein.
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Wer Ihr auch sein möget, Ihr habt mehr vom Unterleib, als von
der Unterwelt an Euch.«
Es war nicht eben Scrooges Gewohnheit, Witze zu machen, auch
fühlte er eben jetzt keine besondere Lust dazu. Die Wahrheit ist,
daß er sich bestrebte lustig zu sein, um s ich zu erleichtern und
sein Entsetzen niederzuhalten; denn die Stimme des Geistes ließ
ihn bis ins Mark erzittern.
Diesen starren, toten Augen nur einen Augenblick schweigend
gegenüberzusitzen, wäre teuflisch gewesen, das fühlte Scrooge
wohl. Auch daß das Gespenst seine eigene höllische Atmosphäre
hatte, war so grauenerregend.
Scrooge fühlte sie nicht selbst, aber doch mußte es so sein; denn
obgleich das Gespenst ganz regungslos dasaß, bewegten sich
sein Haar, seine Rockschöße und seine Stiefeltroddeln wie von
dem heißen Dunst eines Ofens.
»Ihr seht diesen Zahnstocher«, sprach Scrooge, seinen Angriff
aus dem eben angeführten Grunde sogleich aufs neue beginnend
und von dem Wunsch beseelt, den starren, eisigen Blick des
Gespenstes, wenn auch nur für einen Augenblick, von sich
abzulenken.
»Ja«, antwortete der Geist.
»Ihr schaut ihn ja nicht an«, sagte Scrooge.
»Aber ich sehe ihn trotzdem«, sprach das Gespenst.
»Gut denn«, antwortete Scrooge. »Ich brauche ihn nur
hinunterzuschlucken und mein ganzes übriges Leben hindurch
verfolgen mich eine Legion Kobolde, die ich selbst erschaffen
habe. Dummes Zeug, sag ich, dummes Zeug!«
Bei diesen Worten stieß das Gespenst einen markerschütternden
Schrei aus und ließ seine Kette so grauenerregend und
fürchterlich klirren, daß sich Scrooge fest an seinen Stuhl halten
mußte, um nicht ohnmächtig herunterzufallen. Aber wie wuchs
sein Entsetzen, als das Gespenst das Tuch von dem Kopfe
nahm, als wär es ihm zu warm im Zimmer, so daß der
Unterkiefer auf die Brust herunterklappte.
Scrooge fiel auf die Knie nieder und schlug die Hände vors
Gesicht.
»Gnade!« rief er. »Schreckliche Erscheinung, warum verfolgst du
mich?«
»Mensch mit dem irdisch gesinnten Verstand«, entgegnete der
Geist, »glaubst du an mich oder nicht?«
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»Ich glaube«, sagte Scrooge, »ich muß glauben. Aber warum
»Ich glaube«, sagte Scrooge, »ich muß glauben. Aber warum
wandeln Geister auf Erden, und warum kommen sie zu mir?«
»Von jedem Menschen wird verlangt, daß seine Seele unter
seinen Mitmenschen wandle, in die Ferne und in die Nähe«,
antwortete der Geist; »und wenn die Seele dies während des
Lebens nicht tut, so ist sie verdammt, es nach dem Tode zu tun.
Man ist verdammt, durch die Welt zu wandern - ach, wehe mir!
- und zu sehen, was man nicht teilen kann, was man aber auf
Erden hätte teilen können und zu seinem Glück anwenden sol
en.«
Und wieder stieß das Gespenst einen Schrei aus und schüttelte
seine Ketten und rang die schattenhaften Hände.
»Du bist gefesselt«, sagte Scrooge zitternd. »Sage mir, warum?«
»Ich trage die Kette, die ich während meines Lebens
geschmiedet habe«, sprach der Geist. »Ich schmiedete sie Glied
für Glied und Elle für Elle; mit meinem eigenen freien Willen lud
ich sie mir auf, und mit meinem eigenen freien Willen trug ich sie.
Ihre Glieder kommen dir seltsam vor?«
Scrooge zitterte mehr und mehr.
»Oder willst du wissen«, fuhr der Geist fort, »wie schwer und
wie lang die Kette ist, die du selber trägst? Sie war gerade so
lang und so schwer wie diese hier, vor sieben Weihnachten.
Seitdem hast du daran gearbeitet! Es ist eine schwere Kette.«
Seitdem hast du daran gearbeitet! Es ist eine schwere Kette.«
Scrooge sah auf den Boden hinab, in der Erwartung, sich von
fünfzig oder sechzig Ellen Eisenkette umschlungen zu sehen; aber
er sah nichts.
»Jacob«, sagte er flehend. »Jacob Marley, sage mir mehr. Sprich
mir Trost zu, Jacob.«
»Ich habe keinen Trost zu geben«, antwortete der Geist. »Er
kommt von andern Regionen, Ebenezer Scrooge, und wird von
andern Boten zu andern Menschen gebracht. Auch kann ich dir
nicht sagen, was ich dir sagen möchte.
Ein klein wenig mehr ist alles, was mir erlaubt ist. Nirgends kann
ich rasten oder ruhen. Mein Geist ging nie über unser Kontor
hinaus - merke wohl auf - im Leben blieb mein Geist immer in
den engen Grenzen unsrer schachernden Höhle; und weite
Reisen liegen noch vor mir.«
Scrooge hatte die Gewohnheit, wenn er nachdenklich wurde, die
Hand in die Hosentasche zu stecken.
Über das nachsinnend, was der Geist sagte, tat er es auch