und dennoch hatte das
Gesicht keine einzige Runzel, und um das Kinn bemerkte man
den zartesten Flaum. Die Arme waren lang und muskulös, die
Hände ebenso, als läge in ihnen eine ungeheure Kraft. Seine
Füße, zart und fein geformt, waren entblößt, gleich den Armen.
Der Geist trug einen Talar vom reinsten Weiß; um seinen Leib
schlang sich ein Gürtel von wunderbarem Glanz. Er hielt einen
frisch-grünen Stechpalmenzweig in der Hand; aber in seltsamem
frisch-grünen Stechpalmenzweig in der Hand; aber in seltsamem
Widerspruch mit diesem Zeichen des Winters war das Kleid mit
Sommerblumen verziert. Das Wunderbarste aber war, daß von
seinem Scheitel ein heller Lichtstrahl in die Höhe schoß, der al es
ringsum erleuchtete, und der gewiß die Ursache war, daß der
Geist bei weniger guter Laune einen großen Löschhut, den er
jetzt unter dein Arm trug, als Mütze aufsetzte.
Aber selbst dies war nicht seine seltsamste Eigenschaft. Denn
wie der Gürtel des Geistes bald an dieser Stelle glänzte und
funkelte und bald an jener, und wie das, was im Augenblick hell
gewesen war, plötzlich dunkel wurde, so verwandelte sich auch
die Gestalt selbst, man wußte nicht wie: bald war es ein Ding mit
einem Arm, bald mit einem Bein, bald mit zwanzig Beinen, bald
sah man nur zwei Füße ohne Kopf, bald einen Kopf ohne Leib;
und wie einer dieser Teile verschwand, blieb keine Spur von ihm
in dem dichten Dunkel zurück, das ihn verschlang. Und das
größte Wunder dabei war: die Gestalt blieb immer dieselbe.
»Sind Sie der Geist, dessen Erscheinung mir vorhergesagt
wurde?« fragte Scrooge.
22
»Ich bin es.«
Die Stimme war sanft und wohlklingend und so leise, als käme
sie nicht aus dichtester Nähe, sondern aus einiger Entfernung.
»Wer und was sind Sie?« fragte Scrooge, schon etwas mehr
Mut fassend.
»Ich bin der Geist der vergangenen Weihnacht.«
»Einer lange vergangenen?« fragte Scrooge, seiner zwerghaften
Gestalt gedenkend.
»Nein, einer deiner vergangenen.«
Vielleicht hätte Scrooge, wenn ihn jemand befragt hätte, nicht
sagen können, warum, aber doch fühlte er ein ganz besonderes
Verlangen, den Geist unter seinem Hut zu sehen; und er bat ihn,
sich zu bedecken.
»Was?« rief der Geist. »Willst du so bald mit irdisch gesinnter
Hand das Licht, das ich spende, verlöschen? Ist es nicht genug,
daß du einer von denen bist, deren Leidenschaften diese Mütze
geschaffen haben und mich zwingen, durch lange, lange Jahre
meine Stirn damit zu verhüllen?«
Scrooge entschuldigte sich ehrfurchtsvoll, er habe nicht die
Absicht gehabt, ihn zu beleidigen, und behauptete, nicht zu
wissen, daß er irgend einmal in seinem Leben dem Geist Ursache
gegeben habe, sich zu bedecken. Dann war er so frei, zu fragen,
was ihn hierher führe?
»Dein Wohl«, sagte der Geist.
»Dein Wohl«, sagte der Geist.
Scrooge drückte ihm seine Dankbarkeit aus, konnte sich aber
doch nicht des Gedankens erwehren, daß ihm eine Nacht
ungestörten Schlafes mehr genützt hätte. Der Geist mußte ihn
haben denken hören, denn er sagte sogleich:
»Deine Besserung. Nimm dich in acht!«
Er streckte seine starke Hand aus, als er dies sprach, und ergriff
sanft seinen Arm.
»Steh auf und folge mir.«
Vergebens würde Scrooge eingewendet haben, Wetter und
Stunde seien schlecht geeignet zum Spazierengehen, das Bett sei
warm und das Thermometer ein gutes Stück unter dem
Gefrierpunkt, er sei nur leicht in Pantoffeln, Schlafrock und
Nachtmütze gekleidet und habe gerade jetzt den Schnupfen.
Dem Griff, war er auch sanft wie der einer Frauenhand, war
nicht zu widerstehen. Er stand auf; aber als er sah, daß der Geist
nach dem Fenster schwebte, faßte er ihn flehend bei dem
Gewand.
»Ich bin ein Sterblicher«, sagte Scrooge, »und könnte fal en.«
»Laß meine Hand dich hier berühren«, sagte der Geist, indem er
die Hand auf das Herz legte, »und du wirst größere Gefahren
die Hand auf das Herz legte, »und du wirst größere Gefahren
überwinden, als diese hier.«
Als er diese Worte gesprochen hatte, drangen die beiden durch
die Wand und standen plötzlich im Freien auf der Landstraße,
rings von Feldern umgeben. Die Stadt war ganz verschwunden.
Keine Spur war mehr davon. Die Dunkelheit und der Nebel
waren mit ihr verschwunden, denn es war jetzt ein klarer, kalter
Wintertag und der Boden mit weißem reinem Schnee bedeckt.
»Gütiger Himmel!« rief Scrooge, die Hände faltend, als er um
sich blickte.
»Hier wurde ich geboren. Hier lebte ich als Knabe.«
23
Der Geist schaute ihn mit milden Blicken an. Seine sanfte
Berührung, obgleich sie nur leise und flüchtig gewesen war, bebte
immer noch nach in dem Herzen des alten Mannes. Er fühlte, wie
tausend Düfte die Luft durchwehten, jeder mit tausend
Gedanken und Hoffnungen und Freuden und Sorgen verbunden,
die lange, lange vergessen waren.
»Deine Lippen zittern«, sagte der Geist. »Und was glänzt auf
deiner Wange?«
Scrooge murmelte mit einem ungewöhnlichen Mollton in der
Stimme, es sei ein Wärzchen, und bat den Geist, ihn zu führen,
Stimme, es sei ein Wärzchen, und bat den Geist, ihn zu führen,
wohin er wol e.
»Erinnerst du dich des Weges?« fragte der Geist.
»Ob ich mich seiner erinnere?« rief Scrooge mit Innigkeit.
»Blindlings könnte ich ihn gehen!«
»Seltsam, daß du ihn so viele Jahre hindurch vergessen hast«,
sagte der Geist.
»Komm!«
Sie schritten den Weg entlang. Scrooge erkannte jedes Tor,