Charles Dickens

Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten


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und dennoch hatte das

       Gesicht keine einzige Runzel, und um das Kinn bemerkte man

       den zartesten Flaum. Die Arme waren lang und muskulös, die

       Hände ebenso, als läge in ihnen eine ungeheure Kraft. Seine

       Füße, zart und fein geformt, waren entblößt, gleich den Armen.

       Der Geist trug einen Talar vom reinsten Weiß; um seinen Leib

       schlang sich ein Gürtel von wunderbarem Glanz. Er hielt einen

       frisch-grünen Stechpalmenzweig in der Hand; aber in seltsamem

       frisch-grünen Stechpalmenzweig in der Hand; aber in seltsamem

       Widerspruch mit diesem Zeichen des Winters war das Kleid mit

       Sommerblumen verziert. Das Wunderbarste aber war, daß von

       seinem Scheitel ein heller Lichtstrahl in die Höhe schoß, der al es

       ringsum erleuchtete, und der gewiß die Ursache war, daß der

       Geist bei weniger guter Laune einen großen Löschhut, den er

       jetzt unter dein Arm trug, als Mütze aufsetzte.

       Aber selbst dies war nicht seine seltsamste Eigenschaft. Denn

       wie der Gürtel des Geistes bald an dieser Stelle glänzte und

       funkelte und bald an jener, und wie das, was im Augenblick hell

       gewesen war, plötzlich dunkel wurde, so verwandelte sich auch

       die Gestalt selbst, man wußte nicht wie: bald war es ein Ding mit

       einem Arm, bald mit einem Bein, bald mit zwanzig Beinen, bald

       sah man nur zwei Füße ohne Kopf, bald einen Kopf ohne Leib;

       und wie einer dieser Teile verschwand, blieb keine Spur von ihm

       in dem dichten Dunkel zurück, das ihn verschlang. Und das

       größte Wunder dabei war: die Gestalt blieb immer dieselbe.

       »Sind Sie der Geist, dessen Erscheinung mir vorhergesagt

       wurde?« fragte Scrooge.

       22

       »Ich bin es.«

       Die Stimme war sanft und wohlklingend und so leise, als käme

       sie nicht aus dichtester Nähe, sondern aus einiger Entfernung.

       »Wer und was sind Sie?« fragte Scrooge, schon etwas mehr

       Mut fassend.

       »Ich bin der Geist der vergangenen Weihnacht.«

       »Einer lange vergangenen?« fragte Scrooge, seiner zwerghaften

       Gestalt gedenkend.

       »Nein, einer deiner vergangenen.«

       Vielleicht hätte Scrooge, wenn ihn jemand befragt hätte, nicht

       sagen können, warum, aber doch fühlte er ein ganz besonderes

       Verlangen, den Geist unter seinem Hut zu sehen; und er bat ihn,

       sich zu bedecken.

       »Was?« rief der Geist. »Willst du so bald mit irdisch gesinnter

       Hand das Licht, das ich spende, verlöschen? Ist es nicht genug,

       daß du einer von denen bist, deren Leidenschaften diese Mütze

       geschaffen haben und mich zwingen, durch lange, lange Jahre

       meine Stirn damit zu verhüllen?«

       Scrooge entschuldigte sich ehrfurchtsvoll, er habe nicht die

       Absicht gehabt, ihn zu beleidigen, und behauptete, nicht zu

       wissen, daß er irgend einmal in seinem Leben dem Geist Ursache

       gegeben habe, sich zu bedecken. Dann war er so frei, zu fragen,

       was ihn hierher führe?

       »Dein Wohl«, sagte der Geist.

       »Dein Wohl«, sagte der Geist.

       Scrooge drückte ihm seine Dankbarkeit aus, konnte sich aber

       doch nicht des Gedankens erwehren, daß ihm eine Nacht

       ungestörten Schlafes mehr genützt hätte. Der Geist mußte ihn

       haben denken hören, denn er sagte sogleich:

       »Deine Besserung. Nimm dich in acht!«

       Er streckte seine starke Hand aus, als er dies sprach, und ergriff

       sanft seinen Arm.

       »Steh auf und folge mir.«

       Vergebens würde Scrooge eingewendet haben, Wetter und

       Stunde seien schlecht geeignet zum Spazierengehen, das Bett sei

       warm und das Thermometer ein gutes Stück unter dem

       Gefrierpunkt, er sei nur leicht in Pantoffeln, Schlafrock und

       Nachtmütze gekleidet und habe gerade jetzt den Schnupfen.

       Dem Griff, war er auch sanft wie der einer Frauenhand, war

       nicht zu widerstehen. Er stand auf; aber als er sah, daß der Geist

       nach dem Fenster schwebte, faßte er ihn flehend bei dem

       Gewand.

       »Ich bin ein Sterblicher«, sagte Scrooge, »und könnte fal en.«

       »Laß meine Hand dich hier berühren«, sagte der Geist, indem er

       die Hand auf das Herz legte, »und du wirst größere Gefahren

       die Hand auf das Herz legte, »und du wirst größere Gefahren

       überwinden, als diese hier.«

       Als er diese Worte gesprochen hatte, drangen die beiden durch

       die Wand und standen plötzlich im Freien auf der Landstraße,

       rings von Feldern umgeben. Die Stadt war ganz verschwunden.

       Keine Spur war mehr davon. Die Dunkelheit und der Nebel

       waren mit ihr verschwunden, denn es war jetzt ein klarer, kalter

       Wintertag und der Boden mit weißem reinem Schnee bedeckt.

       »Gütiger Himmel!« rief Scrooge, die Hände faltend, als er um

       sich blickte.

       »Hier wurde ich geboren. Hier lebte ich als Knabe.«

       23

       Der Geist schaute ihn mit milden Blicken an. Seine sanfte

       Berührung, obgleich sie nur leise und flüchtig gewesen war, bebte

       immer noch nach in dem Herzen des alten Mannes. Er fühlte, wie

       tausend Düfte die Luft durchwehten, jeder mit tausend

       Gedanken und Hoffnungen und Freuden und Sorgen verbunden,

       die lange, lange vergessen waren.

       »Deine Lippen zittern«, sagte der Geist. »Und was glänzt auf

       deiner Wange?«

       Scrooge murmelte mit einem ungewöhnlichen Mollton in der

       Stimme, es sei ein Wärzchen, und bat den Geist, ihn zu führen,

       Stimme, es sei ein Wärzchen, und bat den Geist, ihn zu führen,

       wohin er wol e.

       »Erinnerst du dich des Weges?« fragte der Geist.

       »Ob ich mich seiner erinnere?« rief Scrooge mit Innigkeit.

       »Blindlings könnte ich ihn gehen!«

       »Seltsam, daß du ihn so viele Jahre hindurch vergessen hast«,

       sagte der Geist.

       »Komm!«

       Sie schritten den Weg entlang. Scrooge erkannte jedes Tor,