Charles Dickens

Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten


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zeigte sich: aber

       wie das alles geschah, wußte Scrooge ebensowenig wie ihr. Er

       wußte nur, daß alles stimmte und sich ganz so zugetragen habe,

       und daß er's nun wieder sei, der dort al ein sitze, während die

       andern Knaben nach Hause gereist waren zur fröhlichen

       Weihnachtsfeier.

       Weihnachtsfeier.

       Er las nicht, sondern ging wie in Verzweiflung im Zimmer auf und

       ab.

       Scrooge blickte den Geist an und schaute mit einem traurigen

       Kopfschütteln und in banger Erwartung nach der Tür.

       Da ging sie auf und ein kleines Mädchen, viel jünger als der

       Knabe, sprang herein, schlang die Arme um seinen Hals, küßte

       ihn und begrüßte ihn als ihren

       »lieben, lieben Bruder«.

       »Ich komme, um dich mit nach Hause zu nehmen, lieber

       Bruder!« sagte das Kind, fröhlich mit den Händen klatschend.

       »Dich mit nach Hause zu nehmen, nach Hause, nach Hause!«

       »Nach Hause, liebe Fanny?« fragte der Knabe.

       »Ja!« antwortete die Kleine in überströmender Freude. »Nach

       Hause und für immer! Der Vater ist so viel freundlicher als sonst,

       daß es bei uns wie im Himmel ist. Eines Abends, als ich zu Bett

       ging, sprach er so freundlich mit mir, daß ich mir ein Herz faßte

       und ihn fragte, ob du nicht nach Hause kommen dürftest -, und

       er sagte ja, und schickte mich im Wagen her, um dich zu holen.

       Und du sollst jetzt dein freier Herr sein«, sagte das Kind und

       blickte ihn bewundernd an, »und nicht mehr hierher

       zurückkehren; aber erst sol en wir alle zusammen das

       Weihnachtsfest feiern und recht lustig sein.«

       »Du bist ja eine ordentliche Dame geworden, Fanny!« rief der

       Knabe aus.

       Sie klatschte in die Hände und lachte und versuchte, bis an

       seinen Kopf zu reichen; aber sie war zu klein, und lachte wieder

       und stellte sich auf die Zehen, um ihn zu umarmen. Dann zog sie

       ihn in kindlicher Ungeduld zur Tür, und er begleitete sie mit

       leichtem Herzen.

       Eine schreckliche Stimme im Hausflur rief: »Bringt Master

       Scrooges Koffer herunter!« Es war der Lehrer selbst, der

       Master Scrooge mit brutal hochnäsiger Herablassung anstierte,

       und ihn in großen Schrecken setzte, als er ihm die Hand drückte.

       Dann führte er ihn und seine Schwester in ein feuchtes,

       fröstelnerregendes Empfangszimmer, an dessen Wänden

       Landkarten und in dessen Fenster die Erd- und Himmelsgloben

       vor Kälte glänzten. Hier brachte er eine Flasche merkwürdig

       leichten Wein und ein Stück merkwürdig schweren Kuchen

       herbei und regalierte die Kinder schonend sparsam mit diesen

       auserlesenen Leckerbissen. Auch schickte er eine hungrig

       aussehende Magd hinaus, um dem Postillion ein Gläschen

       anzubieten, wofür dieser aber mit den Worten dankte, wenn es

       von demselben Faß wie das vorige sei, möchte er lieber nicht

       kosten. Während dieser Zeit war Master Scrooges Koffer auf

       den Wagen 26

       den Wagen 26

       gebunden worden, und die Kinder nahmen ohne Rührung von

       dem Schulmeister Abschied, setzten sich in den Wagen und

       fuhren so schnel zum Garten hinaus, daß der Reif und der

       Schnee wie Schaum von den immergrünen Gebüschen

       hinwegstob.

       »Sie war immer ein zartes Wesen, das von einem Hauch hätte

       verwelken können«, sagte der Geist. »Aber sie hatte ein großes

       Herz.«

       »Ja, das hatte sie«, rief Scrooge. »Ich will nicht widersprechen,

       Geist. Gott verhüte es.«

       »Sie starb als Frau«, sagte der Geist, »und hatte Kinder, glaube

       ich.«

       »Ein Kind«, antwortete Scrooge.

       »Ja«, sagte der Geist. »Dein Neffe.«

       Scrooge schien unruhig zu werden und antwortete kurz: »ja.«

       Obgleich sie die Schule kaum einen Augenblick hinter s ich

       gelassen hatten, befanden sie s ich doch plötzlich mitten in den

       lebendigsten Straßen der Stadt, wo schattenhafte Fußgänger

       vorübergingen, wo gespenstige Wagen und Kutschen um Platz

       stritten und wo das ganze wirre Leben einer wirklichen Stadt

       stritten und wo das ganze wirre Leben einer wirklichen Stadt

       herrschte. Am Aufputz der Läden sah man, daß auch hier

       Weihnachten war; aber es war Abend und die Straßenlaternen

       brannten.

       Der Geist blieb vor dem Eingang eines Lagerhauses stehen und

       fragte Scrooge, ob er dies kenne.

       »Ob ich es kenne?« sagte Scrooge. »Hab ich hier nicht gelernt?«

       Sie traten ein. Beim Anblick eines alten Herrn in einer

       Stutzperücke, der hinter einem so hohen Pult saß, daß er mit

       dem Kopf hätte an die Decke stoßen müssen, wäre er zwei Zoll

       größer gewesen, rief Scrooge in großer Aufregung:

       »Ha, das ist ja der alte Fezziwig, Gott segne ihn, es ist Fezziwig,

       wie er leibt und lebt!«

       Der alte Fezziwig legte seine Feder hin und sah hinauf nach der

       Uhr, deren Zeiger auf sieben stand. Er rieb die Hände, zog seine

       geräumige Weste herunter, schüttelte sich vor heimlichem Lachen

       von Kopf bis Fuß und rief mit einer behäbigen, voll und doch

       mild tönenden heiteren Stimme: »Hallo, dort!

       Ebenezer! Dick!«

       Scrooges früheres Selbst, jetzt zu einem Jüngling geworden, trat

       flink herein, begleitet von seinem Mitlehrling.

       »Dick Wilkins, wahrhaftig!« sagte Scrooge zu dem Geist.

       »Wahrhaftig, er ist es. Er war mir sehr zugetan, der Dick. Der

       arme Dick! Du meine Güte!«

       »Hallo, meine Burschen«, rief Fezziwig. »Feierabend heute.

       Weihnachten, Dick! Weihnachten Ebenezer! Macht die Läden

       zu, schnel ! Ehe einer Jack Robinson sagen kann.« So rief der

       alte Fezziwig, munter die Hände zusammenschlagend.

       Kaum zu glauben, wie rasch und munter die beiden Jungen

       darangingen. Sie liefen mit den Läden hinaus -eins, zwei, drei -

       hatten sie eingesetzt - vier, fünf, sechs -