Charles Dickens

Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten


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Schläfrigkeit befallen und wußte, daß er in seinem eigenen

       Schlafzimmer war. Er gab dem Löschhut einen letzten Druck und

       fand kaum Zeit, in das Bett zu wanken, bevor er in tiefen Schlaf

       sank.

       34

       Dritte Strophe

       Der zweite Geist

       Scrooge erwachte mitten in einem tüchtigen Geschnarche und

       setzte sich im Bett auf; um seine Gedanken zu sammeln. Diesmal

       hatte niemand nötig, ihm zu sagen, daß es gerade eins sei. Er

       fühlte, daß er just zu der rechten Zeit und zu dem ausdrücklichen

       Zweck erwacht sei, um eine Zusammenkunft mit dem zweiten an

       ihn durch Jacob Marleys Vermittlung abgesandten Boten zu

       haben.

       Aber bei dem Gedanken, welche seiner Bettgardinen das neue

       Gespenst wohl zurückschlüge, wurde es ihm ganz unheimlich

       kalt, und so schlug er sie mit seinen eigenen Händen zurück.

       Dann legte er s ich wieder zurück und beschloß, genau

       aufzupassen, denn er wol te den Geist in dem Augenblick seiner

       Erscheinung anrufen und wünschte nicht überrascht und

       erschreckt zu werden.

       Leute von keckem Mut, die sich schmeicheln, es schon mit

       etwas aufnehmen zu können und immer an ihrem Platz zu sein,

       drücken den weiten Bereich ihrer Fähigkeiten mit den Worten

       aus: Sie wären gut für al es, vom Brotessen bis zum

       Menschenverschlingen, da zwischen beiden Extremen ohne

       Zweifel ziemlich viel Gelegenheit zur Betätigung ihrer Kräfte liegt.

       Zweifel ziemlich viel Gelegenheit zur Betätigung ihrer Kräfte liegt.

       Ohne gerade zu behaupten, daß es Scrooge so weit gebracht

       hätte, muß ich doch von dem Leser den Glauben fordern, daß er

       auf eine recht schöne Auswahl von Erscheinungen gefaßt war

       und daß ihn nichts zwischen einem Wickelkind und einem

       Rhinozeros al zusehr in Verwunderung gesetzt hätte.

       Eben weil er beinahe auf alles gefaßt war, war er nicht

       vorbereitet, nichts zu sehen; und daher überfiel ihn ein heftiges

       Zittern, als die Glocke eins schlug und keine Gestalt erschien.

       Fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde vergingen, aber

       es kam nichts. Die ganze Zeit über lag er auf seinem Bett, dem

       Kern und Mittelpunkt eines rötlichen Lichtes, das sich darüber

       ergoß, als die 35

       Glocke die Stunde verkündete, und das, weil es nur Licht war,

       viel beunruhigender als ein Dutzend Geister war, da es ihn

       unmöglich erraten ließ, was es bedeute oder was es wol e. Ja, er

       fürchtete zuweilen, er könnte in diesem Augenblick ein

       merkwürdiger Fall von Selbstentzündung sein, ohne den Trost zu

       haben, es zu wissen. Endlich jedoch fing er an zu begreifen, daß

       die Quelle dieses geisterhaften Lichtes wohl in dem anliegenden

       Zimmer sei, aus dem es bei näherer Betrachtung zu strömen

       schien. Wie dieser Gedanke die Herrschaft über seine Seele

       bekommen hatte, stand er leise auf und schlich in den Pantoffeln

       nach der Tür.

       In demselben Augenblick, wo sich Scrooges Hand auf die

       In demselben Augenblick, wo sich Scrooges Hand auf die

       Klinke legte, rief ihn eine fremde Stimme bei Namen und hieß ihn

       eintreten. Er gehorchte.

       Es war sein eigenes Zimmer. Daran ließ sich nicht zweifeln. Aber

       eine wunderbare Umwandlung war mit ihm vorgegangen. Wände

       und Decke waren ganz mit grünen Zweigen bedeckt, daß es

       aussah wie eine Laube, in der überall glänzende Beeren

       schimmerten. Die glänzenden, starren Blätter der Stechpalme,

       der Mistel und des Efeus warfen das Licht zurück und erschienen

       wie ebenso viele kleine Spiegel. Eine so gewaltige Flamme

       loderte die Esse hinauf, wie sie dieses Spottbild eines Kamines

       zu Scrooges oder Marleys Zeit seit vielen, vielen Wintern nicht

       gekannt hatte. Auf dem Fußboden waren zu einer Art von Thron

       Truthähne, Gänse, Wildbret, große Braten, Spanferkel, lange

       Reihen von Würsten, Pasteten, Plumpuddings, Austerfäßchen,

       glühende Kastanien, rotbäckige Äpfel, saftige Orangen,

       appetitliche Birnen, ungeheure Stollen und siedende

       Punschbowlen aufgehäuft, die das Zimmer mit köstlichem

       Geruch erfül ten. Auf diesem Thron saß behaglich und mit

       fröhlichem Angesicht ein Riese, gar herrlich anzuschauen. In der

       Hand trug er eine brennende Fackel, fast wie ein Füllhorn

       gestaltet, und hielt s ie steil in die Höhe, um Scrooge damit zu

       beleuchten, wie er in das Zimmer guckte.

       »Nur herein«, rief der Geist. »Nur herein, und lerne mich besser

       kennen.«

       Scrooge trat schüchtern ein und senkte das Haupt vor dem

       Geiste. - Er war nicht mehr der hartfühlende, nichtsscheuende

       Scrooge von früher, und obgleich des Geistes Augen hell und

       mild glänzten, wünschte er ihnen doch nicht zu begegnen.

       »Ich bin der Geist der diesjährigen Weihnachtsnacht«, sagte die

       Gestalt. »Sieh mich an.«

       Scrooge tat es mit ehrfurchtsvollem Blick. Der Geist war

       gekleidet in ein einfaches, dunkelgrünes Gewand, mit weißem

       Pelz verbrämt. Die breite Brust war entblößt, als verschmähe sie,

       sich zu verstecken. Auch die Füße waren bloß und schauten

       unter den weiten Falten des Gewandes hervor; und das Haupt

       hatte keine andere Bedeckung, als einen Stechpalmenkranz, in

       dem hie und da Eiszapfen glänzten. Seine dunkelbraunen Locken

       wallten fessel os auf die Schultern. Sein munteres Gesicht, sein

       glänzendes Auge, seine fröhliche Stimme, sein ungezwungenes

       Benehmen, alles sprach von Offenheit und 36

       heiterem Sinn. Um den Leib trug er eine alte Degenscheide

       gegürtet; aber sie war von Rost zerfressen und kein Schwert

       steckte darin.

       »Du hast meinesgleichen nie vorher gesehen«, rief der Geist.

       »Niemals«, entgegnete Scrooge.

       »Hast dich nie mit den jüngern Gliedern meiner Familie

       »Hast dich nie mit den jüngern Gliedern meiner Familie

       abgegeben; ich meine (denn ich bin sehr jung) meine