Tessa Koch

Liebe ist tödlich


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hält ihr die Tür auf und sie versteht den Wink mit dem Zaunpfahl sofort. Sie treten wieder hinaus in den Flur und sie sieht zu, wie er die Tür hinter ihr zu macht und dann verschließt. Kurz wundert sie sich, warum er das tut, doch ehe sie ihn danach fragen kann, hat er sich mit einem Lächeln schon wieder an sie gewandt. „Wollen wir etwas essen? Wir könnten uns was vom Chinesen bestellen. Oder ich koche uns schnell eine Kleinigkeit, du musst mir nur sagen, auf was du Appetit hast.“ Er legt seine Hände auf ihre Hüften und sieht sie mit einem schiefen Lächeln an. Lelas Blick huscht zurück zu der abgeschlossenen Tür. „Ach, mach dir deswegen keine Gedanken“, lacht Leon und zwingt sie sanft, ihn wieder anzusehen. „Ich will nichts vor dir verstecken oder so, aber die Chemikalien sind nicht ganz ungefährlich. Und falls Buster irgendwie die Tür aufmacht oder so …“ Er zuckt mit den Schultern. „Ich bin lieber etwas übervorsichtig, als dass am Ende tatsächlich irgendwas passiert, verstehst du?“ Er sieht sie fragend an.

      Lela muss lächeln. „Natürlich.“

      Für ein paar Sekunden sehen sie sich schweigend in die Augen. Dann beugt er sich zu ihr hinab und küsst sie. Dieses Mal ist es ein sanfter, beinahe zaghafter Kuss, doch er lässt ihre Beine nicht weniger zittrig werden. Ihr Herz schlägt mehrere Takte schneller, als er seine Lippen schließlich von ihren nimmt und sie anlächelt. „Also, etwas essen?“, fragt er und seine blauen Augen vertiefen sich in ihre. Lela fällt auf, dass seine Augen nicht einfach blau sind. Sie sind eher Türkis – sie kann sich nicht erinnern, jemals zuvor so klare und blaue Augen gesehen zu haben. Sie sind wunderschön.

      „Ja“, haucht sie, von seiner ganzen Art tatsächlich etwas benommen, „und danach eine kleine Runde mit Buster?“ Ebenso wie Leon hat sie seinen zwei Jahre alten Hund Buster, einen hellen Pyrenäenschäferhund, sofort in ihr Herz geschlossen.

      Leon muss lachen. „Wen magst du eigentlich lieber, den Hund oder mich?“

      Auch Lela lacht. „Da bin ich mir noch nicht so ganz sicher.“

      Er zieht sie fest in seine Arme und küsst sie wieder, dieses Mal mit einer drängenden Leidenschaft, die sie fast den Verstand verlieren lässt. Wie macht er das nur? Als er seine Lippen wieder von ihren löst, grinst er leicht selbstgefällig. „Das kann Buster nicht.“

      „Vielleicht hast du gewonnen.“ Sein Grinsen wird etwas breiter. „Aber nur vielleicht“, setzt sie hinzu und er tut so, als fahre ein Stich durch sein Herz, indem er sich taumelnd an die Brust greift. Lela lacht und er fällt in ihr Lachen mit ein.

      Dann zieht er sie wieder eng an sich. „Vielleicht ist es etwas verfrüht“, beginnt er und seine Augen scheinen Bände zu sprechen, „aber du bist einfach eine wundervolle und wunderschöne Frau und ich …“ Er scheint nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich glaube wirklich, dass du die Eine bist, Lela.“

      Ihr Herz macht einen Satz, der sie auf Wolke Sieben zu katapultieren scheint. Statt ihm zu antworten, küsst sie ihn nur wieder. Sie weiß, dass ihre Lippen auf seinen mehr sagen als Worte jemals hätten ausdrücken können. Denn auch sie spürt, dass er, dass das, was da zwischen ihnen ist, etwas Besonderes ist. Etwas, was sie nicht verlieren möchte.

      In dieser Nacht schlafen sie das erste Mal miteinander.

      Kapitel 9

      Er macht sie glücklich.

      Eine schlichte Tatsache, die Lela selbst sehr schnell einsieht. Auch Stella beginnt, wenn vielleicht auch etwas widerwillig, dies einzusehen. Sogar Margret sieht es und jedes Mal, wenn sie Lela und Leon zusammen sieht und ihr dabei das glückliche Lächeln ihres einstigen Schützlings auffällt, spürt sie, wie auch sie lächeln muss. Es ist schön, diese junge Liebe zu sehen.

      Inzwischen sehen Leon und Lela sich jeden Tag. Sie braucht diese Nähe zu ihm einfach, ebenso wie er sie zu ihr braucht. Natürlich können sie nicht jeden Tag Stunde um Stunde miteinander verbringen, müssen sie nun einmal beide arbeiten. Doch wenn sich Zeit bietet, dann nutzen sie diese auch aus – zusammen.

      Lela kann sich nicht erinnern, jemals eine derartige Verbundenheit und Liebe für einen ihrer Ex-Partner empfunden zu haben. Doch ihr ist schnell klar geworden, dass diese Beziehung zu Leon, er selbst, besonders und einfach besser ist. Dieses Wissen lässt sie auch glauben, dass er der Partner für ihr restliches Leben sein wird. Vielleicht ist es auch etwas verfrüht mir dreiundzwanzig Jahren zu behaupten, den Menschen gefunden zu haben, mit dem man alt werden möchte, doch Lela ist sich dennoch sicher, ihn bereits gefunden zu haben. Denn Leon ist einfach perfekt. Sollen die anderen doch denken, was immer sie wollen. Denn solange sie glücklich ist, kann es ihr egal sein, was andere Leute über sie reden. Im Gegenteil, sie kann sogar stolz darauf sein – denn warum sollen andere sich über sie und ihr Glück das Maul zerreißen, wenn sie nicht so etwas wie Neid empfinden?

      Lela zumindest weiß, auf was die anderen Frauen eifersüchtig sein können.

      Auf einen liebevollen, humorvollen, kreativen Mann, der sie auf Händen trägt, alles für sie tut, sich keiner Mühen scheut, nur um sie lächeln zu sehen. Auf einen leidenschaftlichen, feurigen Liebhaber, der ebenso romantisch und sanft sein kann. Auf einen begnadeten Koch und Hobby-Fotografen, der es liebt, in der Natur zu sein und Zeit mit ihr zu verbringen, auch wenn sie nur schweigend nebeneinander sitzen. Auf ihren Traumprinzen. Sie hat so ein festgefahrenes, durch und durch positives Bild von ihm, dass sie sich niemals habe träumen lassen, dass es mit einem Mal kleine Flecken bekommen soll, dunkle Flecken, die das Gute an ihm verdunkeln und zum Bösen werden lassen. Denn er ist doch nun mal ihr Traumprinz.

      Als sie eines Abends zusammen (natürlich zusammen) einkaufen fahren, um Zutaten für ein leckeres Abendessen zu holen, etwas Sekt und ein paar Leckerlis für Buster, scheint alles noch vollkommen in Ordnung zu sein. Natürlich ist es das. Lela ist mit Leon zusammen, Leon mit Lela, und sie sind beide glücklich über die Nähe zum jeweils anderen. So, wie es immer ist.

      Leon trägt die Sekt- und Weinflaschen und die schwereren Sachen, wie etwa den Kartoffelsack, während Lela mit einer etwas leichteren Tüte hinter ihm hergeht. Sie ist nicht viel leichter – auch wenn sie Leon gegenüber behauptet hat, kein Problem mit dem Gewicht zu haben –, doch sie will sich nicht beschweren. Sie weiß, dass Leon, hätte er einen dritten Arm gehabt, ihr die Last sofort abgenommen hätte, doch sie weiß auch, dass das Gewicht sie nicht umbringen wird. Dennoch, sie fällt schnell hinter Leon zurück, der zielstrebig auf sein Auto zugeht, das etwas abseits von den anderen im Parkhaus steht, ohne weiter auf Lela zu achten. Vermutlich glaubt er, dass sie direkt hinter ihm ist. Sie hat das Gefühl, als würden ihre Arme langsam ausleiern, doch sie sagt noch immer kein Wort. Sie schafft das schon. Es sind ja immerhin keine zehn Meter mehr.

      Doch irgendwer möchte ihr einen Strich durch die Rechnung machen.

      Sie hat keine drei weiteren Schritte geschafft, als die Papiertüte plötzlich reißt. Lela erschreckt und tritt im nächsten Moment auf eine der Konserven. Die Dose rollt unter ihrem Fuß weg, lässt sie das Gleichgewicht verlieren und im nächsten Moment fällt sie hin, direkt in die Scherben eines zerbrochenen Gurkenglases. Die Scherben schneiden in ihre Handflächen und sie schreit auf.

      Bereits im nächsten Moment ist ein Mann bei ihr, die Hände fest auf ihre Schultern gelegt. Lela sieht zu ihm auf, sieht sein freundliches, hilfsbereites Lächeln und die dunklen Augen, in denen dennoch eine Spur Besorgnis zu lesen ist. Er muss direkt hinter ihr gegangen sein, um nun so schnell bei ihr sein zu können. Er will ihr aufhelfen und greift ihr unter die Arme. Doch binnen weniger Sekunden zieht er so abrupt seine Hände zurück, dass sie wieder direkt in die Scherben stürzt. Während sie selbst schreit, hört sie auch die Schreie des Mannes.

      Ihr Blick löst sich von ihren Blut überströmten Händen und sucht den Mann, der ihr soeben noch helfen wollte. Er liegt auf dem Boden, aus seiner Nase strömt Blut. Angstvoll sieht er zu der Gestalt auf, die über ihn gebeugt ist, und es dauert, bis Lela in dem Mann, der sich hoch aufgebaut und seine Muskeln angespannt hat, Leon erkennt. Er sieht böse aus, aggressiv, gefährlich wie ein wilder Grizzly, den man zu sehr gereizt hat. „Lass meine Freundin in Ruhe!“, faucht er den Mann an, der ihn entsetzt anstarrt.