Thorben Korbitz

Puzzleteile des Lebens


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und unsere Nachbarin Frau H. stürmte herein. Sie beschimpfte mich auf das unflätigste, was ich für eine Rotzgöre wäre, ob ich keinen Verstand hätte, usw.

      Während sie so in Fahrt war und zornesrot auf mich zukam, stolperte sie über einen Holzkeil. Den nahm sie auf, warf ihn in meine Richtung und traf mich am Oberarm. Jetzt war es an mir mich zu verteidigen. Als ich den Holzkeil in die Hand nahm und zurückwerfen wollte suchte sie schnell aber immer noch drohend, das Weite.

      Ich schaute mich auf dem Hof um, ob denn nun jemand von meinen „Eltern“ kam. Keiner da. Nur am Schlafzimmerfenster bewegte sich die Gardine und hinter dem Fenster stand mein Stiefvater. Ich tat so als hätte ich nichts bemerkt und klopfte weiter. Nebenan hörte ich wie jemand Wäsche abnahm.

      Später wurde mir berichtet, dass die Nachbarin weiße Bettwäsche aufgehängt hatte die sie nun, dank mir, noch einmal waschen musste.

      Ärmellos im Winter

      Eines Samstags im Februar, ich hatte Ferien, mussten wieder einmal die Läufer geklopft werden. Diesmal musste ich aber an einen Baum vor dem Haus gehen.

      Es war ein richtig kalter Februartag mit Frost um die 10 Grad minus. Ich nahm die Läufer, ging vors Haus und fing an. Durch die Bewegung war mir, trotz T-Shirt und Schlappen an den Füßen, nicht kalt. Als ich fertig war ging ich zur Tür und… fand sie verschlossen. Ich ging zur großen Hofeinfahrt, verschlossen. Ich ging zum Hintereingang, verschlossen.

      Ich klingelte, klopfte und rief. Keiner machte auf. Auch hörte ich die Klingel nicht mehr, muss wohl jemand abgestellt haben; oder Stromausfall. Also wartete ich vor der Eingangstür. Mir wurde kalt. Ich zitterte am ganzen Körper.

      Einige Zeit später kam eine andere Nachbarin vorbei und bemerkte mich. Warum gehst Du denn nicht rein, Junge? Es macht mir keiner auf und die Klingel geht nicht, war meine Antwort. Dann komm mal zu mir mit, du bist ja schon ganz blau gefroren. In ihrem Wohnzimmer sah ich auf die Uhr und wusste nun, dass ich 1,5 Stunden vor der Tür gestanden haben muss.

      Meine Nachbarin ging alle 10 Minuten nachsehen ob denn eine der Türen sich wieder öffnen ließ. Nach einer Stunde war es dann soweit. Das Hoftor ließ sich öffnen und ich konnte mit den sauberen Läufern wieder ins Haus.

      Nachdem ich alle Läufer wieder an den vorgeschriebenen Platz gelegt habe bin ich in die Küche. Tja, Mittagessen war vorbei. Warte ich halt auf das Abendbrot. Obwohl meine Mutter anwesend war kam keine Frage über ihre Lippen. Es war ja auch ständig so, das ich in dem Alter fast 3 Stunden weg war zum Läufer klopfen und auch noch das Mittagessen verpasst habe.

      Also ging ich in mein Zimmer und las ein Buch.

      Ami

      Meine Uroma wurde 1902 geboren. Als Kleinkind konnte ich das Wort Oma nicht sprechen. Ich sagte immer Ami. Sie blieb meine Ami bis zum Schluss.

      Ami war eine strenge aber recht gutmütige Frau. Sie hatte „eiserne“ Regeln und war sehr konservativ. Den ersten Weltkrieg überlebt. Im zweiten Weltkrieg hatte sie ihren Mann verloren und nie wieder einen anderen gehabt. Ihrem Sohn eine gute Ausbildung ermöglicht, ihre Enkelin großgezogen.

      Gelernt hat meine Ami Köchin. Sie war auch eine kräftige Frau die sich so schnell nicht die Butter vom Brot nehmen ließ. Als ich klein war hatte ich mächtig Respekt vor ihr.

      Ami hat bis zu ihrem 82. Lebensjahr gearbeitet. Teilweise an bis zu drei verschiedenen Arbeitsstellen. Da sie neben der Rente noch weiteres Einkommen hatte, dazu sehr sparsam war, konnte sie viel Geld sparen. Einiges legte sie auf einem Sparbuch an, für mich. Dazu aber später mehr.

      Ich erinnere mich, dass ich eines Nachts aufgewacht bin und im Treppenhaus laute Stimmen hörte. Als ich die Tür einen Spalt weit öffnete sah ich Ami mit einem vollen Bierkasten in der rechten Hand vor meinem Stiefvater stehen und sagen: „Wenn Du meine Tochter noch einmal anfasst haue ich Dir den Kasten auf den Kopf!“ Stiefvater wich langsam zurück. Meine Mutter stand in der Schlafzimmertür mit zerrissenem Nachthemd und zerkratztem Dekollete´.

      Das Verhalten meiner Uroma muss meinen Stiefvater mächtig beeindruckt haben, es war kurze Zeit später wieder Ruhe im Haus.

      Als ich sieben war hat mich Ami mal beim Rauchen erwischt. Rauchen war eins von den Dingen die Ami nicht tolerierte. Also gab es was auf die Hände. Das war das einzige Mal, das ich von Ami eine Strafe bekommen habe.

      Meiner Ami hatte ich so manche Geschenke zu verdanken. So bekam ich von ihr an meinem 5. Geburtstag, mein erstes Fahrrad. Damit durfte ich noch fahren.

      An meinem 10. Geburtstag schenkte sie mir mein zweites Fahrrad. Ein 26 -er Herrenrad von „Diamant“. Damit konnte ich nur fahren, wenn mein Stiefvater nicht im Haus war. Und so stand mein Fahrrad bei Ami im Zimmer unter einer Decke.

      Den richtigen Zeitpunkt für das Radfahren abzupassen war immer das Schwierigste an dem Ganzen. Man konnte sich nie sicher sein, wann mein Stiefvater nach Hause kommt. Es ging daher nur in den Ferien gefahrlos.

      Einmal bin ich vor dem Haus mit dem Rad gefahren. Auf und ab. Der Weg war unbefestigt aber trocken. Rechtzeitig vor der geplanten Ankunft meines Stiefvaters schob ich das Rad wieder in das Zimmer meiner Oma und ging auf mein Zimmer. Wir, also meine Oma und ich, taten so als wäre nichts gewesen.

      Mein Stiefvater kam mit meiner Mutter nach Hause und kam kurze Zeit später in mein Zimmer. Ich tat als wäre ich in ein Schulbuch vertieft. Er fragte mich: „Ob ich denn vergessen hatte, das ich mit dem Fahrrad nicht fahren dürfe?“ Dabei kam er langsam auf mich zu. „Natürlich nicht!“ „Und warum bist Du trotzdem gefahren?“ Ich überlegte ganz schnell, woher er das wissen konnte.

      Hatte mich einer gesehen und verpetzt? Mir fiel so schnell keine Lösung ein. „Ich bin nicht gefahren!“ Und zack hatte ich seine Hand im Gesicht. Stiefvater nahm mich mit zwei Fingern am Ohr und zog mich die Treppe runter in den Flur. Der Flur war mit Terrazzoplatten ausgelegt und ich sah im Licht der Sonne … Reifenspuren von meinem Fahrrad. Mist, daran hatte ich nicht gedacht.

      Nachdem die Prügelattacke vorbei war hatte ich Stubenarrest, verschärftes Fahrradverbot und bekam kein Abendbrot.

      Um nun aber sicher zu gehen, dass ich auch wirklich nicht mehr Rad fahre hat mein Stiefvater die Ventile ausgebaut und mitgenommen. Also musste meine Oma erst wieder neue Ventile kaufen. Das dauerte eine Weile.

      Von jetzt an betrieben wir, meine Oma und ich, noch mehr Aufwand wenn ich Rad fahren wollte. Am Anfang Ventile einsetzen und Luft aufpumpen. Am Ende den Flur wischen und die Ventile wieder entfernen.

      Durch diese besonderen Vorsichtsmassnahmen verkürzte sich meine Zeit zum Fahren um eine weitere viertel Stunde. Aber, ich fuhr trotzdem! Ich hatte immer die Vermutung, dass mein Stiefvater Verdacht geschöpft hatte. Er konnte uns aber nichts mehr beweisen.

      Im Laufe meiner Kindheit bekam ich von meiner Ami diverse Geschenke die einem Jungen Freunde machen. Das waren zum Beispiel ein elektrisches Polizeiauto mit Blaulicht und Sirene und ein Kettenpanzer, der sogar eine Rakete abfeuern konnte. Selbstverständlich durfte auch damit nur in Abwesenheit meines Stiefvaters gespielt werden.

      Durch den gemeinsamen „Feind“ wurden Ami und ich zu Verbündeten. Am Anfang half sie mir und, je größer und älter ich wurde, half ich ihr. Ich bin der festen Überzeugung dass ich meiner Ami so Einiges verdanke. Ich habe es ihr, so gut es mir möglich war, zurückgegeben.

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