Katja Piel

Vampire Island - Die dunkle Seite des Mondes (Band 1)


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Sie hatte ihm alles durchgehen lassen, weil sie ihn abgöttisch liebte. Er hob den Zettel und las die wenigen Zeilen, die auf ihm standen.

       Bitte räche deinen Vater, Gordon, und passe auf Shane auf.

       Ohne Victor kann ich nicht weiterleben. Bitte verzeih mir.

      Sie hatte sich selbst getötet.

      Gordon stellte sich an die Mauer, an der sein Vater so oft gestanden hatte, und blickte hinunter aufs Meer, das gegen die Felsen rauschte.

      »Ich werde euch rächen. Ihr seid nicht umsonst gestorben.«

      Und in dem Moment hörte er Shanes gellenden Schrei im Schlafzimmer.

      Kapitel 13

      Sie kehrten sehr spät von der Show ins Hotel zurück. Cassandra täuschte Müdigkeit und leichte Kopfschmerzen vor. »Vermutlich der Sangria und die Sonne«, redete sie sich heraus.

      Als sie im Ambrosia allein wieder an den Tisch zurückgekehrt war, hatte ihre Schwester nur kurz die Augenbraue gehoben. Sie hatte keine weiteren Fragen gestellt, was Cassandra ungewöhnlich fand. Lange hatte sie noch in der Lounge gesessen. Sie konnte nicht aufstehen, hatte Angst, sein Geruch würde dann verschwinden. Immer wieder berührte sie ihre Lippen mit den Fingern. Ein einzigartiger Mann.

      Frisch geduscht und eingecremt saß Cassandra nun noch auf dem kleinen Balkon und trank ein Glas Wein. Sie musste diesen Mann wiedersehen. Sie musste. Und es war deutlich einfacher geworden, seit sie wusste, dass der Club ihm gehörte.

      Dass er dann plötzlich neben ihr stand, erschreckte sie so sehr, dass sie das Glas fallen ließ.

      »Wie um Himmels willen sind Sie hier hochgekommen?« Sie starrte mit zitternden Händen an ihm vorbei.

      »Ich kann ganz gut klettern«, sagte er und deutete auf den zweiten Stuhl. »Darf ich?«

      »Sind Sie verrückt? Sie haben mich zu Tode erschreckt.« Gordon setzte sich dennoch und sah sie schweigend an.

      Jetzt tat ihr der Ausbruch leid. »Verzeihung. Es ist etwas Schlimmes passiert, nicht wahr?«

      »Meine Eltern sind gestorben.«

      »Das tut mir schrecklich leid. Was ist passiert? Hatten sie einen Unfall?« Cassandra wusste nicht, ob sie die richtigen Worte fand. Sie war noch nie gut in diesen Dingen gewesen. Und die Situation verwirrte sie. Wenn seine Eltern tot waren, was machte er dann bei ihr?

      »Danke. Das Groteske ist: Ich kann nicht aufhören, an Sie zu denken.« Ein verletzter Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Plötzlich wusste sie nicht mehr, was sie von allem halten sollte. Wenn ihre Eltern gestorben wären, würde sie jedenfalls nicht an jemand anderen denken.

      Welches Geheimnis verbarg dieser Mann? Was war es, was ihn so anziehend machte?

      »Das schockiert Sie, nicht wahr?«

      »Etwas«, flüsterte sie. Sein Blick huschte über ihre kurze Hose und ihr Top, das sie zum Schlafen angezogen hatte. Und dann war es doch nicht mehr unangenehm oder unpassend. Sie war bereit. Bereit, Steve zu betrügen. Bereit, zu weit gehen.

      »Küssen Sie mich, Gordon.«

      Er schmunzelte. Es war so sexy. »Sollten wir nicht aufhören mit den Höflichkeitsfloskeln?«

      Cassandra nickte und er stand auf, legte seine Arme unter ihre Beine und trug sie hinein ins Zimmer. Ihr Herz klopfte wild, alles in ihr wollte ihn. Ihn in sich aufnehmen, ihn küssen, ihn spüren.

      Sekunden später lag sie auf dem Bett, Gordon legte sich neben sie und schleuderte die Kissen hinunter. Fast schon brutal hielt er ihre Handgelenke fest.

      »Das wollte ich die ganze Zeit schon tun«, murmelte er rau und fuhr mit den Lippen über ihr Gesicht, berührte sanft ihre Schläfe, glitt dann hinunter zu ihrem Mund. Sie öffnete sich seinem Kuss, der nach Verlockung, Verführung und nach seinem grenzenlosen Begehren schmeckte. Das Blut raste durch ihre Adern.

      Er ließ sich Zeit. Lange genoss er es einfach, sie zu küssen. Dann eroberte er mit sanften Lippen ihren Hals, die Schultern, von denen die Träger hinunter gerutscht waren. Ungeduldig drängte sich Cassandra an ihn. Sie wollte mehr.

      Mit Bedacht schob er das Top nach oben, liebkoste mit der Zunge ihre Brustwarzen und legte aufstöhnend die Hände um ihre Brüste. Sie vergrub die Finger in seinem Haar, lehnte den Kopf zurück und atmete stoßweise ein und aus.

      Dann erst begann er, ihr die Hose herunter zu ziehen. Hastig entledigte er sich seiner eigenen Kleidung, und sie bewunderte all diese wundervollen Muskeln und starrte auf seinen Schwanz, der hart pulsierend nach oben stand. Er kam wieder zu ihr, küsste erneut ihre Brüste, ihren Rippenbogen und fuhr mit den Fingerspitzen über den Beckenknochen. Sanft bog er ihre Schenkel auseinander und strich mit dem Mund über ihren Hügel. Sie erschauerte. Und plötzlich ließ er von ihr ab, war blitzschnell wieder angezogen, stand auf dem Balkon und blickte mit verzerrtem Gesicht zu ihr.

      »Es tut mir leid«, hörte sie ihn noch sagen, bevor er über die Balustrade sprang. Cassandra blieb noch einen Augenblick liegen, richtete ihr Top und zog die Hose hoch. Ihr Körper vibrierte vor unerfüllter Lust.

      »Hallo? Du kannst doch nicht einfach aufhören …?«

      Kapitel 14

      Gordon kam sanft unten auf, blickte noch einmal nach oben und raste dann ziellos durch die Pinienwälder. Tausend Gedanken schossen durch seinen Kopf. Er konnte das nicht tun. Er war drauf und dran, nicht nur Lust zu empfinden. Vater war getötet worden. Mutter hatte sich selbst getötet. Shane war am Boden zerstört. Und dann gab es da noch Patriz, den er verwirrt zurückgelassen hatte.

      Er würde den Mörder finden. Er würde sich ein paar Leute zur Unterstützung holen, und dann würden sie die Mörder bezahlen lassen.

      Kapitel 15

       20. Juli 1969

       Apollo 11

      Es war eine Reise ins Ungewisse. Niemals zuvor hatte ein Mensch das gewagt, was er heute wagen würde. Niemals gesehen, was er sehen würde. Ihm war eisig kalt. Dass man eine wohlige Wärme spüren würde, hatte man ihm im Training gesagt. Es stimmte nicht. Seine Füße fühlten sich an, als würden sie in Eiswasser baden.

      Neil betrachtete das abgegriffene Foto seiner Frau und seiner beiden Söhne. In weniger als sechs Stunden würde er den Mond betreten. Mit den Fingerspitzen strich er über das Bild. Er fror entsetzlich. Vermutlich sein Kreislauf. Aber er durfte vor seiner Crew keine Schwäche zeigen. Er war Profi und sollte wirken wie einer.

      »Houston, hier ist die Tranquility Base. Der Adler ist gelandet.« Knacken und Rauschen durch den Äther. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis sich jemand zurückmeldete. »Houston hier. Roger.«

      Neil schnallte sich ab und spürte jetzt die Schwerelosigkeit noch deutlicher, weil er frei in der kleinen Kapsel aufstieg. Noch sechs Stunden. Dann würde er als erster Mensch den Mond betreten. Er war aufgeregt. Aber er hatte auch Angst. Tiefe Angst, seine Familie nicht mehr wieder zu sehen.

      Kapitel 16

       21. Juli 1969 um 02:56:20 Uhr

       Der Mond

      In seinen Ohren rauschte es, er hörte seinen eigenen Atem. Voller Ehrfurcht blickte er sich langsam um. Neil stand auf dem Mond. Er wollte etwas sagen, seine Gefühle zum Ausdruck bringen, stattdessen lauschte er seinem eigenen Atem, der in dem Raumanzug fast beruhigend wirkte, und ging einen weiteren Schritt. Dieser Moment gehörte ihm, bevor er ihn mit der Erdbevölkerung teilen wollte.

      Diese Leere, die vor ihm lag. Neil stand auf dem Mond. Auf einem Trabanten, der die Erde begleitete. Es war unvorstellbar.

      Was sollte er sagen?