Jürgen H. Ruhr

Das RFID Komplott


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schaltete den Rechner ab. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es weit nach Mitternacht war. „Komm, Lydia, lass uns schlafen gehen. Es ist schon spät. Gut, dass ich morgen - nein heute - nicht zur Arbeit muss.“

      Er hatte Glück. Obwohl Lydia wieder wütend war, musste er die Nacht diesmal nicht auf der Couch verbringen. Frank schwor sich, am Wochenende lieb und zuvorkommend zu Lydia zu sein. Der ganze Ärger wegen eines dummen Computerspiels. Langsam senkte sich der Schlaf über ihn.

      Es wurde eine unruhige Nacht. Neben tanzenden Bären erschien das Gesicht Dr. Schwenkers immer wieder und rief ‚falsch, falsch, falsch‘. Dabei blubberten Sprechblasen aus seinem Mund und zerplatzten anschließend, um rote Farbe zu verspritzen. Frank schreckte schweißgebadet auf. Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch die Ritzen der Rollladen und verbreiteten ein diffuses Licht im Schlafzimmer. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte kurz nach sieben Uhr. Heute würde er sich mit Lydia endgültig wieder versöhnen. Frank war sich ganz sicher. Wohlig streckte er sich unter der warmen Decke aus. Sollte er Lydia jetzt schon aufwecken? Vielleicht ganz leise unter ihre Decke schlüpfen? Frank malte sich aus, wie er Lydia mit zärtlichen Küssen wecken würde. Er würde mit seinen Händen zärtlich ... Vorsichtig drehte er sich um. Aber da war keine Lydia. Frank wischte sich über die Augen. Nein, wirklich, niemand. Lydia musste schon aufgestanden sein. Also war sie immer noch böse auf ihn. Sehr böse?

      Dr. Frank Rudak überlegte. Sollte er nicht einfach jetzt im Bett liegen bleiben und vielleicht noch einmal einschlafen? Oder lieber doch aufstehen und den Kampf - oder die Versöhnung - mit Lydia aufnehmen? Frank entschloss sich für das Zweite.

      Nachdem er sich gewaschen hatte, machte er sich auf die Suche nach seiner Frau. In der Küche fand er sie nicht, auch nicht im Wintergarten. War Lydia etwa schon wieder weggegangen? Und das ohne ihm Bescheid zu sagen?

      Ohne viel Lärm zu machen, stieg er die Treppe zu seinem Arbeitszimmer hoch. Ja, Lydia musste in seinem ‚Büro‘ sitzen, es drang Licht und leises Fluchen aus dem Raum. Frank, immer noch im Schlafanzug, betrat den Raum. Lydia hatte ihn nicht kommen hören, und jetzt blickte er ihr über die Schulter. ‚System wird formatiert‘ stand da in großen Buchstaben auf dem Bildschirm. Was hatte seine Frau denn jetzt angerichtet?

      „Morgen, Lydia.“ Sie hatte sich überraschend gut in der Gewalt. Wenn er sie erschreckt hatte, so zeigte sie es nicht. Keine Regung.

      „Morgen Frank.“ Lydia drehte sich nicht einmal um. „Äh, Lydia, wärst du so nett, mir zu erklären, was du da tust? An meinem Rechner?“ Frank war sauer. Wichtige Daten, Protokolle und Unterlagen würden jetzt verloren sein, wenn Lydia die Festplatte des Computers einfach so gelöscht hatte. Es schien fast, als wüsste seine Frau, was sie da angerichtet hatte, denn jetzt klang ihre Antwort doch etwas kleinlaut.

      „Dieses doofe Spiel, Frank. Ich habe es einfach nicht lösen können. Dann dachte ich, dass es ein Virus ist, denn immer wenn ich den Rechner gestartet habe, war das Spiel direkt da. Das ist doch nicht normal. Außerdem hatte ich keine Verbindung mehr mit dem Internet.“ Jetzt drehte Lydia sich auf dem Stuhl um und sah ihn mit großen Kinderaugen an. Das kannte er bei ihr doch gar nicht.

      „Sei jetzt nicht böse Schatz, aber ich musste den Rechner löschen, denn vielleicht war es ja doch ein Virus und dann wären deine schönen Daten alle zerstört gewesen!“

      „Lydia - jetzt sind meine Daten alle nicht zerstört, sondern gelöscht.“

      Frank ließ sich nicht so einfach beschwichtigen. „Wer gibt dir denn das Recht, einfach an meinen Rechner zu gehen und Daten zu löschen? Du hättest doch erst einmal mit mir reden müssen!“

      Lydia wollte die Arme um ihn legen, aber Frank entzog sich. „Ja, aber dieses blöde Spiel. Ich habe es nicht lösen können und jetzt ist es gelöscht. Jetzt ist Ruhe.“

      Frank wunderte sich über sich selbst. Er steigerte sich jetzt immer mehr in seine Wut hinein. So einfach wollte er es Lydia nun auch nicht machen. „Und ich habe jetzt den ganzen Tag wieder zu tun, den Rechner neu einzurichten. Oder machst du das auch, liebste Lydia? Außerdem sind Protokolle und wichtige Unterlagen unwiederbringlich verloren. Das bedeutet Arbeit für mich. Also herzlichsten Dank, liebe Frau!“

      Frank schrie sie jetzt regelrecht an.

      „Schrei mich nicht so an. Wenn du keine Sicherung von deinen Daten machst, bist du selbst schuld. Dann musst du nicht irgendwelche blöden Spiele mit Viren aus dem Internet herunterladen! Du bist schuld, nicht ich.“ Lydia war mittlerweile aufgestanden und schrie ihn jetzt nach Strich und Faden an. Dann stampfte sie mit dem Fuß auf.

      „Du machst unsere Ehe kaputt. Ich werde dieses Wochenende bei einer Freundin verbringen, dann hast du Zeit über den Mist nachzudenken, den du hier fabrizierst! Und dann erwarte ich eine Entschuldigung von dir. Du suchst doch nur einen Prügelknaben für den Mist, den du produzierst!“ Lydia stieß ihn zur Seite und rannte fast aus dem Zimmer. Dann hörte er sie kurz im Schlafzimmer rumoren und kurz darauf schlug die Haustür mit einem Krachen zu.

      Frank war wie vor den Kopf geschlagen. Was war mit Lydia los? Erschöpft ließ er sich auf den Stuhl fallen und fuhr sich durch den dichten Vollbart. Hatte Lydia einen Liebhaber? Ihr Verhalten in letzter Zeit gab ihm Rätsel auf. Wollte sie den Streit, suchte sie einen Grund, ihn zu verlassen? In Gedanken schaltete Frank den Rechner ab. Leicht schwankend begab er sich auf den Weg ins Schlafzimmer, um sich erst einmal anzuziehen. Im Schlafanzug machte er eine doch recht lächerliche Figur.

      6. Die Nachricht

      Nach der dritten Tasse Kaffee ging es ihm ein wenig besser. Auch wenn sich seine Gedanken um Lydia lediglich im Kreis drehten, so dürfte sein Tag heute damit ausgefüllt sein, den Computer wieder ans Laufen zu bringen.

      Frank hasste diese Arbeiten, und einige wichtige Berichte müsste er auf jeden Fall neu verfassen. ‚Ja‘, schalt er sich selbst, ‚warum hatte ich auch keine Datensicherung? ‘ Er goss sich eine vierte Tasse Kaffee ein nahm sie mit ins Arbeitszimmer. Dann schaltete er den Rechner an und suchte schon einmal einige der notwendigen CDs für die Neuinstallation zusammen. Als er dann auf den Bildschirm sah, war die Überraschung groß. Das Spiel hatte sich wieder automatisch gestartet und eine kleine Meldung in der Mitte des Bildschirmes wies ihn darauf hin, dass, solange das Spiel im Rechner aktiv sei, kein Löschen von Daten oder kein Formatieren des Rechners möglich sei.

      „Danke Dr. Schwenker“, kam es dankbar aus Franks Mund. So ein Glück. Dr. Schwenkers kleines Spiel verhinderte das Löschen des Rechners. Alle Daten waren noch vorhanden! Frank jubelte leise. ‚Datensicherung‘, dachte er. ‚Jetzt aber schnell als erstes eine Datensicherung angelegt.‘ Retten, was zu retten war.

      Die Datensicherung war nicht so umfangreich geworden, wie Frank es befürchtet hatte. Der Tag war gerettet. Ach was, der Tag - das Wochenende. Lydia, lass uns das Wo... Ach ja, seine Frau war ja weg. Fortgerannt wegen des blöden Spiels. Frank überlegte. Irgendetwas musste doch dran sein an der Sache. Warum startete sich das Spiel immer wieder so hartnäckig und warum verhinderte es das Löschen und Formatieren der Festplatte? Den fehlerhaften Internetzugriff konnte Frank sich ja noch erklären, schließlich hatte er selbst das Kabel herausgezogen und die Verbindung damit getrennt.

      Mechanisch startete er das Spiel. Wie der dicke Bär durch den Wald zu bugsieren war, hatte er bei Lydia ja oft genug gesehen. Im Nu stand er vor dem ersten Rätsel. Frank sah sich um. Jetzt nur keine Störung. Rasch erhob er sich und schloss die Tür seines Büros ab. Doppelt. Sicher ist sicher. Diesmal würde Lydia nicht plötzlich hinter ihm stehen.

      Dann machte er sich an die Lösung des Rätsels. Zunächst gab er sein Geburtsdatum ein. Nichts, natürlich. Dann Lydias. Naja. Frank überlegte. Die Codeeingabe ließ sowohl Ziffern, als auch Zahlen zu. Damit waren nahezu unendliche Eingaben und Kombinationen möglich. Rätselraten war eigentlich noch nie so richtig sein Ding gewesen. Deswegen mochte er auch keine Computerspiele. Immer da, wo langwieriges Nachdenken erforderlich war, hatte er bisher einen Bogen drumherum gemacht. Er gab seinen Namen ein. Nichts. Außer dem tanzenden Bären. Plötzlich wurde das Bild komplett rot ‚Spiel verloren - ENDE‘.