Robert Kiauka

Wohlstand, Demokratie und weiter?


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flexibel und unverzichtbare Mitarbeiter können auch über die Soll-Stunden hinaus arbeiten, wenn das Unternehmen es für sinnvoll hält. Aber der Anreiz, grundsätzlich schon eingestellte Arbeitnehmer lieber Überstunden machen zu lassen, als neue einzustellen, könnte umgekehrt werden. Weiterhin müsste die so flexibler gestaltete Arbeitszeit bei den Löhnen und Gehältern berücksichtigt werden. Denkbar wären etwa Tarifverhandlungen über die Entlohnung nicht von festen Arbeitszeiten, sondern von den Soll-Stunden-Zahlen.

      Das wäre eine konkrete Möglichkeit, andere, alternative oder ergänzende Maßnahmen, wie Weiterbildungen, sind sicher auch denkbar. Insgesamt sollte es so möglich zu sein, im Falle von Innovationen in Form von Automatisierungen der Gesellschaft insgesamt durch Verteilung der weniger werdenden Arbeit mehr Freizeit zu ermöglichen, und zwar an Stelle eines Zwangs zu mehr Konsum als Ausgleich für die wegfallende Arbeit. Auch vor dem Hintergrund, dass in vielen Berufen die Luft immer dünner wird, bzw. die Anforderungen und der Stress immer weiter steigen, obwohl die Technik den Menschen das Leben doch angenehmer machen sollte, wäre eine solche Änderung der Arbeitswelt sinnvoll. Durch die sich schnell und schneller entwickelnde Technik werden in Zukunft mehr und mehr Berufsfelder von der Automatisierung erfasst werden. Selbstfahrende Autos sind bislang noch ein Pilotprojekt, aber ihr Durchbruch scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Ärzte, Anwälte und weiteren werden voraussichtlich auch wesentliche Arbeitsschritte von Computern abgenommen werden.

      Neben der Verteilung von Arbeit geht es bei einer Kompensierung der Automatisierung wesentlich auch um eine Verteilung von Erträgen. Ein etwas anders gelagerter Ansatz als der oben beschriebene sieht die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens vor18. Damit alleine würde die bisherige Problematik aber wohl nur verschoben werden. Auch jetzt hat man in Deutschland Anspruch auf die Sicherung des Existenzminimums, wenn man keine Arbeit findet. Ein höheres Grundeinkommen nimmt lediglich die Pflicht, sich um Arbeit zu bemühen, was auch ungewollte Effekte mit sich bringen kann, wie den, das unliebsame Arbeiten kaum noch jemand übernehmen will. Und für diejenigen, die trotz Grundeinkommen arbeiten wollen, etwa, um sich mehr leisten zu können oder einen höheren sozialen Status zu erlangen, bliebe das grundsätzliche Problem des Drucks durch die Automatisierung bestehen.

      Es scheint also eine Änderung des Wirtschaftssystems möglich und angebracht, in der Automatisierung durch weniger Arbeitszeit ausgeglichen werden kann. Wachstum wäre dann keine Notwendigkeit zur Kompensation von Automatisierung, sondern bräuchte nur angestrebt zu werden, um das Wohlergehen insgesamt zu steigern.

      Wettbewerb um Wachstum

      Die Wirklichkeit ist komplex und manchmal kann es helfen, sich Zusammenhänge an einem vereinfachten Modell klarzumachen. Stellen wir uns dazu eine fiktive, frühmittelalterliche Gesellschaft vor. Die Menschen leben in Siedlungen und betreiben hauptsächlich Landwirtschaft, Handwerk gibt es auch. Man kommt über die Runden, hätte aber gerne manchmal etwas mehr und die Arbeit ist mühsam. Was tun? Da fällt einem ein, dass um das Nachbardorf herum das Wetter im letzten Jahr doch viel besser war. Ungerecht, die sollen etwas abgeben! Es wird eine Truppe von schlagkräftigen Kerlen zusammengestellt, Mistgabeln und Keulen finden sich auch. Das Ganze wird zu einem vollen Erfolg und man beschließt, diese Art des Erwerbs auszubauen. Es wird also dauerhaft eine Truppe von Raubrittern abgestellt, unter Waffen gehalten und trainiert. Nach und nach ziehen die anderen Siedlungen nach, sei es, weil sie auch etwas dazu verdienen wollen, sei es, weil sie sich schlicht und einfach gezwungen sehen, sich zu verteidigen. Am Ende hat jede Siedlung eine Truppe unter Waffen, die sich an der Produktion nicht beteiligt, aber unterhalten werden muss. Die Menschen verstehen im Laufe der Zeit, dass die Situation insgesamt schlechter geworden ist, aber wie da wieder herauskommen? Nötig wären Verhandlungen und da sind da ja auch noch die Raubritter, die gar keine Lust haben, wieder hart zu arbeiten und drohen, sich selbstständig zu machen.

      Zurück zur Wirklichkeit: Auch hier geht es für Gemeinschaften, in erster Linie Staaten, aber z. B. auch Gemeinden, nicht nur darum, Produktion durch Effizienz zu steigern, sondern auch darum, diese von woanders herzuholen oder die eigene dazuhalten. Anders als im Mittelalter-Modell sind die Grenzen dabei fließend, aber man kann sagen, wo sie klar überschritten sind. Das war der Fall, wenn z. B. Monaco hochkarätige Spitzensportler mit extrem niedrigen Steuersätzen lockte. Jetzt kann Otto Normalverbraucher in der Regel seinen Wohnsitz nicht mal so einfach verlegen wie Boris Becker und Co, für Unternehmen ist das aber schon wieder einfacher, besonders wenn der Umzug nur auf dem Papier bzw. Briefkasten stattfindet. An dieser Stelle fallen einem die Cayman Islands, Luxemburg oder Panama ein. Andere Staaten haben aber auch kräftig an der Schraube der Unternehmenssteuern gedreht, sei es, um selber mitzumischen, oder sei es, um den eigenen Standort notgedrungen zu verteidigen. Vielleicht ist auch im Rahmen der Verteidigung die eine oder andere Schraube etwas überdreht worden. Staaten liefern sich also einen ruinösen Wettbewerb bei den Steuern, mit denen sie bei den Unternehmern einen Teil der Produktion abschöpfen, um ihre Aufgaben zu finanzieren. Ebenfalls einen Einfluss hat der Wettbewerb um Produktion auf die Entscheidungen über Maßnahmen zur Eindämmung der Nebenwirkungen der Produktion: In einem weniger regulierten Land mit unterentwickeltem Arbeiter- und Umweltschutz lässt sich eben mehr Gewinn machen. Als Beispiele für Faktoren des Wettbewerbs, wo es i. A. nicht um Raubrittertum geht, sei hier erinnert an eine effiziente Verwaltung und eine leistungsfähige Infrastruktur.

      Zusammenfassende Betrachtung

      Produktion ist nicht gleich dem Wohlergehen, aber eine Grundvoraussetzung dazu. In dem Maße, in dem eine Gesellschaft sich weiterentwickelt, technologisch, aber auch kulturell, kann auch die Produktion nachhaltig wachsen und dabei das Wohl steigern. Aufgrund von Unsicherheiten über die Folgen von Technikanwendungen in der Produktion und über die technischen Möglichkeiten in der Zukunft lässt sich aber nicht sicher sagen, was wie nachhaltig ist, sondern es wird, mehr oder weniger bewusst, ein gewisses Risiko eingegangen. Maßnahmen zum nachhaltigen und gerechten Wachstum sind insbesondere Verbote und Ausgleichsabgaben nach dem Verursacherprinzip. Die Gestaltung dieser Maßnahmen steht in einem Spannungsfeld mit dem Wettbewerb der Staaten um Anteile der Produktion und mit dem Bemühen, Wachstum zu erreichen. Die Notwendigkeit dazu ergibt sich im gegenwärtigen Wirtschaftssystem zum einen, um Automatisierung durch Mehrproduktion auszugleichen, um wiederum Arbeitsplätze zu erhalten. Zum anderen wird Wachstum als notwendig gesehen, um Schulden im Rahmen zu halten, die nicht zuletzt entstanden sind bei dem Versuch, Wachstum zu steigern. Der so im Wirtschaftssystem angelegte permanente Wachstumszwang legt die Vermutung nahe, dass bei der Steuerung der Produktion im Allgemeinen zu sehr in das Risiko gegangen wird, dass also bei der Festlegung von Verboten und Ausgleichszahlungen die Schäden durch die Produktion unterbewertet und dass die technischen Möglichkeiten in der Zukunft überschätzt werden. Lenkungsmaßnahmen zur gleichmäßigeren Verteilung von Arbeit wären ein möglicher Ansatz, um der Notwendigkeit von Wachstum aufgrund von Automatisierung zu begegnen. Auch eine Berücksichtigung der durch die Produktion entstandenen Schäden im Produktionsindikator wäre ein Schritt zu mehr Nachhaltigkeit.

      Teil 2: Wirtschaft und Gesellschaft – Kapitel: Banken

      Ging es Ihnen vielleicht auch so? Bis etwa 2008 nutzte ich Banken für Überweisungen und ein wenig Anlage, ansonsten spielten diese keine große Rolle für mich. Dann kam der Lehman-Crash und die Krise nahm ihren Lauf. Auf einmal wurde man ständig mit diesen ganzen Begriffen konfrontiert wie Hypothekenblase, faule Kredite, systemrelevant, Bankenrettung, Bad Bank, Bankenrun, Schattenbanken, Ratingagenturen, usw. und es wurde schlagartig klar, dass Banken und die Finanzbranche insgesamt nicht einfach nur irgendwelche Aufgaben erfüllen, sondern, dass auch bedeutende Gefahren für die gesamte Gesellschaft von ihnen ausgehen können. Was hat man seitdem getan? Welche Konsequenzen hat man gezogen? Wurden geeignete Maßnahmen ergriffen, um solche Gefahren für die Zukunft auszuschließen? Schauen wir uns dazu etwas genauer an, was eigentlich passiert ist: Zunächst mal gab es Finanzkrisen schon häufiger im Laufe der Geschichte, nicht zuletzt wurde ja 2008 immer wieder an 1929 erinnert und Maßnahmen damit begründet, eine solche Krise wie damals unbedingt vermeiden zu müssen. Infolge der Krisen hat man diverse Regeln aufgestellt, um der Gefahr solcher Fehlentwicklungen zu begegnen. Etwa Mitte