Robert Kiauka

Wohlstand, Demokratie und weiter?


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Die Banken sind gewachsen und mit ihnen die Einkommen der Banker. Und die Wirtschaft insgesamt ist auch gewachsen, aber nicht nachhaltig. Um einen gewaltigen Einbruch zu verhindern, sind die Staaten eingesprungen, am Ende sind die Schulden teilweise also doch wieder beim Steuerzahler gelandet. Und durch die Bankenrettung hat man sich der Gefahr ausgesetzt, dass die Banker daraus lernen: Wenn sie sich verspekulieren und zahlungsunfähig werden, werden sie wieder gerettet, vorausgesetzt, ihr Institut ist wichtig genug, also systemrelevant. Bankmanager könnten also ganz bewusst hohe Risiken eingehen: Im Erfolgsfall, oder sei es auch nur wieder bis zum Knall, kassieren sie hohe Boni, nach dem Knall übernimmt der Staat, sprich Steuerzahler. Kurz: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren, auch als Moral Hazard29 bezeichnet.

      Um sich die Situation klar zu veranschaulichen, kann man sich Geldkuriere vorstellen, die das Bargeld, was in Supermärkten anfällt, einsammeln und zur Bank fahren. Wer ständig so viel Geld in den Händen hält, denkt sicher manchmal, wäre doch schön, etwas davon für sich zu behalten. Und auch gerecht, schließlich hat man ja eine große Verantwortung. Man muss mit den Leitern der Supermärkte darüber verhandeln. Und zum Nachdruck könnte man ja die Routen ändern, eine längere Fahrzeit bedeutet ein höheres Risiko und mehr Verantwortung. Für einen einfachen Geldkurier wohl nicht realistisch, aber den Bankmanagern ist genau das gelungen. Und bei ihrem Umweg wurden sie irgendwann ausgeraubt, zu Lasten der Supermärkte.

      Wie hat die Politik reagiert? In Europa wurden folgende Maßnahmen ergriffen bzw. diskutiert:

      1 Zunächst einmal wurde versprochen, die Boni der Banker zu begrenzen, schließlich waren die ja offensichtlich eine wesentliche Triebfeder für die Misere. In Deutschland etwa sollten die Vorstände der geretteten Banken maximal 500 000 Euro im Jahr bekommen. Später wurde berichtet, dass man bei der konkreten Ausgestaltung die zweite Führungsebene nicht mit einbezogen hatte, die bekamen immer noch mehr. Ein Versehen? Ob wohl auch der Vertrag, mit dem man Axel Wieandt bedacht hatte, ein Versehen war? Er übernahm die Leitung der HRE nach deren Verstaatlichung in 2008. Nach eineinhalb Jahren trat er zurück, in etwa nach dem Motto - Ich kann so nicht arbeiten! - und hatte dabei Pensionsansprüche von 238 000 Euro jährlich erworben30. Auch andere Banker verdienen wieder oder noch hervorragend. So wies die auch gerettete Commerzbank für 2013 einen Gewinn von 78 Millionen Euro aus, nachdem 300 Millionen Euro an Boni verteilt wurden31.

      2 Immer wieder wurden Stresstests durchgeführt, schließlich sind ja auch noch viele zweifelhafte Kredite im System. Der Finanzexperte Daniel Stelter bezifferte dazu 2014 den Rekapitalisierungsbedarf der europäischen Banken auf mindestens 800 Milliarden Euro32, im Juni 2017 wird die Höhe der faulen Kredite, die die europäischen Banken noch in ihren Büchern haben, auf rund 1 Billion Euro geschätzt33. Vor dem Hintergrund, dass z. B. 2011 die französisch-belgische Dexia Bank als Gewinner eines solchen Stresstests gekürt und einige Monate später gerettet werden musste, sowie weiterer ähnlicher Fehler sind doch Zweifel an diesen Tests angebracht. Und im Oktober 2014 meldet das ZDF-Magazin Frontal 21, dass Fehlverhalten von Führungspersonen bei den Stresstests überhaupt nicht einkalkuliert ist34.

      3 Seit Langem wird eine Finanztransaktionssteuer diskutiert, insbesondere, um die Risiken durch Geschäfte mit kleinen Margen aber großen Volumen, wie den Hochgeschwindigkeitshandel, zu begrenzen. So, wie sie mittlerweile in der EU vorgesehen ist, ähnelt sie einer Börsenumsatzsteuer, wie es sie in Deutschland bis Anfang der 90er schon gab35. Der Unterschied besteht darin, dass Letztere nur auf an der Börse getätigte Geschäfte erhoben wird, während eine echte Finanztransaktionssteuer auf alle Finanzgeschäfte anfallen soll, egal wo diese stattfinden. Damit wären auch sogenannte Over-the-Counter-Geschäfte erfasst. Anscheinend handelt es sich bei der neuen Steuer um einen Etikettenschwindel, der von Großinvestoren leicht zu umgehen sein wird.

      4 Unter großer Bekanntmachung wurde eine Bankenabgabe eingeführt, um in Zukunft mit diesen Mitteln und nicht durch den Steuerzahler Rettungsmaßnahmen, wenn denn notwendig, zu finanzieren. Die Höhe dieser Abgabe wurde in Deutschland zunächst auf jährlich 1 Milliarde Euro veranschlagt, die tatsächlich geleisteten Abgaben waren laut Weik und Friedrich aufgrund eines Fehlers bei der Berechnungsgrundlage im Gesetz deutlich niedriger. Zum Vergleich: Der SoFFin wurde mit einem Volumen von 480 Milliarden Euro eingerichtet, bis Ende 2014 sind Verluste von 21,9 Milliarden angefallen36. 2016 steht der deutsche Steuerzahler noch mit 225 Milliarden Euro in der Haftung37. 2013 schätzten Professoren aus dem Fachbereich die Gesamtkosten der Bankenrettung in Deutschland mit 30 bis 70 Milliarden Euro ein38. Im Rahmen der Bankenunion wird die Bankenabgabe jetzt europaweit erhoben und in einen Topf geworfen. Vor dem Hintergrund des aus der aktuellen Krise resultierenden Finanzbedarfs von 800 Milliarden Euro der Banken in Europa stellt sich die Frage, ob hier ein wirksames Instrument geschaffen wurde, oder ob eher die Demonstration entschlossenen Handelns im Vordergrund stand.

      5 Beschlossen sind Erhöhungen der Anforderungen an das Eigenkapital der Banken, bekannt als Basel III. Auch hier wird die Wirkung kritisch beurteilt, weil zwar mehr Eigenkapital in Relation zur Bilanz vorgehalten werden muss, aber bei der Vereinheitlichung der Regeln, was als Eigenkapital zählt, eher schwache Standards beschlossen wurden und weil jahrelange Übergangsfristen eingeräumt wurden.

      6 2016 wurden die Anforderungen an die Vergabe von Krediten zur Immobilienfinanzierung verschärft. Der Kredit darf nur vergeben werden, wenn der Kreditnehmer voraussichtlich in der Lage sein wird ihn zu bedienen, ohne die Immobilie veräußern zu müssen. Das ist eine wirksame Maßnahme gegen bestimmte Auswüchse, wie sie Praxis in den USA im Rahmen der Immobilienblase waren. Kritiker bemängeln, dass allerdings auch die häufig nach einigen Jahren notwendige Anschlussfinanzierung von Immobilien gefährdet sein kann39.

      Bei den letzten drei Maßnahmen zeigt sich ein Dilemma: Je höher die Bankenabgabe und je höher die Eigenkapitalanforderungen sind, desto geringer ist der Spielraum der Banken für pure Spekulation, was dann ja gewollt ist. Aber desto geringer ist auch der Spielraum bei der Vergabe notwendiger Kredite an die Wirtschaft. Ähnlich bei der Immobilienfinanzierung. Maximale Wirtschaftsförderung und gleichzeitig Begrenzung des Risikos der Spekulation sind also nicht möglich. Das Problem mit den Banken ist nun, dass die gerne bereit sind, Kredite zu geben, wenn die Wirtschaft gerade gut läuft und gerade dann zögern, wenn die Kredite umso notwendiger wären. Bildlich: Sie bieten einen Regenschirm immer dann, wenn die Sonne scheint. Aufgabe der Politik wäre nun, Regularien einzuführen, um den dadurch ausgelösten Schweinezyklus zu durchbrechen. Dazu und zur Eindämmung sonstiger Risiken einige Vorschläge:

      1 Eine Begrenzung von Boni nicht nur für die Zukunft, sondern auch eine Haftung mit schon gezahlten Boni bzw. Einkommen für die Auswirkungen von Geschäften, die jemand zu verantworten hat. Das wäre zunächst einmal Banken-intern eine sinnvolle Sache. Schauen wir uns dazu die Deutsche Bank an. Deren Aktienkurse gingen nach der Hochphase der Finanzkrise auf einen jahrelangen Sinkflug und verloren über 80 % ihres Wertes. Die Ursachen liegen aber in früheren, häufig rechtlich zweifelhaften Geschäften, deren Folgen sich erst später zeigen. Demnach haben einige der früher tätigen Manager und Führungskräfte, insbesondere Josef Ackermann als langjähriger Chef, wohl doch keine so gute Arbeit geleistet und damit auch ihre Millionen-Einkommen nicht wirklich verdient. Wenn die Banken eine sinnvolle Regelung für sich nicht hinbekommen, sollte zumindest aber der Staat, wenn er aus gesamtwirtschaftlichen Gründen eingreift, sich das Recht eines Zugriffs auch auf frühere Einkommen nehmen. Um seriös arbeitenden Managern Sicherheit zu gewähren, könnte zu gegebener Zeit eine Behörde wie die BaFin eine Entlastung erteilen. Folgen: Cassano und Co. hätten ihre exorbitanten Einkommen wieder zurückzahlen müssen. Auch wäre Georg Funke, Ex-Chef der HRE, nicht vor Gericht gegangen, um seine noch ausstehenden Millionen-Gehälter einzufordern, nachdem man ihn nach der Verstaatlichung der HRE entlassen hatte, sondern hätte rückwirkend seine früher erhaltenen, offensichtlich weitgehend leistungslosen Riesen-Bezüge wieder abgeben müssen. Das wäre zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein der Gesamtverluste gewesen, aber kommende Banker wüssten, dass sich nur nachhaltiges Wirtschaften lohnt.

      2 Eine Prüfung und Zulassung bzw. Besteuerung von neuen Finanzprodukten nach dem Vorsorgeprinzip. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Dienstleitungen nicht nur ökologische Nebenwirkungen haben können. Bei der Zulassung von z. B. neuen Chemikalien oder Medikamenten