Robert Kiauka

Wohlstand, Demokratie und weiter?


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hat. Aus deutscher Sicht so etwas wie ein (zunächst) kostenloses Konjunkturpaket. Klasse! Klar, dass das die Lösung der Wahl ist.

      Die Rettung Griechenlands zahlt sich also nicht zuletzt in Deutschland aus. Wurde auch Zeit, nachdem der Euro ja in den ersten Jahren für erhebliche Probleme hierzulande gesorgt hat, nicht wahr? Und es kommt noch besser: Wie schon gesehen, hat sich jetzt herumgesprochen, dass Anlagen im Süden doch etwas risikoreicher sind, als gedacht und das Geld fließt wieder zurück, was Wasser auf die Mühlen der deutschen Wirtschaft ist. Außerdem wirkt ja

      Schröders Agenda 2010 mittlerweile auch noch. Kein Wunder also, dass Deutschland so gut durch die Krise kommt, wie Merkel nicht müde wurde zu betonen. Und die anderen Länder? Es wird der temporäre Rettungsschirm EFSF gegründet, unter den neben Griechenland, das sein 2. Hilfspaket erhält, auch noch Irland und Portugal schlüpfen. Und Griechenland bekommt etwas später endlich einen teilweisen Schuldenschnitt, die Banken müssen jetzt doch einen Teil der Schulden abschreiben, der größte Teil ist aber verlagert auf die anderen Staaten. Jetzt müsste die immer postulierte Ansteckungsgefahr für die anderen Staaten doch gebannt sein, oder? Aber nein, entgegen allen früheren Beteuerungen sieht man sich gezwungen, einen dauerhaften Rettungsschirm einzurichten, der Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM kommt im Sommer 2012. Die rechtlichen Folgen dieses Vertrages sind durchaus umstritten, aber immerhin begrenzt das Bundesverfassungsgericht die deutsche Haftung auf zunächst 190 Milliarden Euro, für mehr muss der Bundestag entscheiden. Im Gegenzug zum ESM wird der Fiskalpakt geschlossen, ab jetzt sollen die Staatsschulden wirklich nicht mehr aus dem Ruder laufen.

      Parallel wird die EZB tätig: Die Leitzinsen werden gesenkt, die Kredite an klamme Banken werden massiv ausgeweitet, es werden Staatsanleihen aufgekauft und EZB-Chef Draghi kündigt an, das so lange und so umfangreich zu tun, wie es notwendig sein sollte. Ein speziell zu diesem Zweck aufgelegtes Programm kommt tatsächlich gar nicht zu Anwendung, hier reichte wohl die Ankündigung, um die Märkte zu beruhigen. Diese Maßnahmen der EZB sind alles andere als unumstritten, Bundesbankchef Weidmann wird mit schöner Regelmäßigkeit im EZB-Rat überstimmt50.

      Nach der Zypernkrise im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 wurde es dann ruhiger, man konnte den Eindruck gewinnen, die Krise sei weitgehend überstanden. Bis … ja bis im Januar 2015 Neuwahlen in Griechenland notwendig wurden. Zeitlich fiel das zusammen mit der bislang weitreichendsten Maßnahme der EZB.

      Die Krise 2015 Anfang des Jahres beschließt die EZB ein billionen-schweres Ankaufprogramm: Jeden Monat sollen für ca. 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere aufgekauft werden51. Und diesmal bleibt es nicht bei der Ankündigung. Begründet wird dies mit der Abwendung einer Deflationsgefahr, denn die Inflation innerhalb der Eurozone ist deutlich unter die Zielmarke von 2 % gefallen. Die Angst vor der Deflation liegt dabei darin, dass bei fallenden Preisen Investitionen aufgeschoben werden und es so zu einem Abschwung kommt, mit weiter fallenden Preisen usw. Natürlich ist auch dieses Programm nicht unumstritten, die niedrige Inflation beruht zu einem großen Teil auf dem gefallenen Ölpreis, der wiederum eine Folge des Frackingbooms in den USA ist. Als Folge sanken die Energiekosten und die Wirtschaft wuchs. Wollte man doch eigentlich. Für einen generellen Deflationstrend spricht das noch nicht unbedingt. Vielleicht sind also wesentliche Gründe für dieses Programm doch woanders zu suchen? Das auch vor dem Hintergrund, dass Inflation durchaus keine objektiv und eindeutig festgelegte Größe ist, und es immer wieder Vorwürfe gab, sie würde künstlich heruntergerechnet. Zuerst, um dem Vorwurf des „Teuro“ zu begegnen, jetzt dann, um doch monetäre Staatsfinanzierung zu betreiben? Werfen wir kurz einen Blick auf die Folgen des Programms:

       Zunächst eine Abwertung des Euro, die ja gewollt ist, um die Inflation zu erhöhen. Damit einher geht eine Stärkung des Exports aus der Eurozone, was auch gewollt ist. Der Export innerhalb der Eurozone bleibt allerdings unberührt und bei hochqualitativen Produkten, wie etwa aus dem deutschen Maschinenbau, dürfte dies teilweise auch zu Mitnahmeeffekten führen52.

       Die Zinsen der Sparer sind noch weiter gesunken, als dies ohnehin schon der Fall war. Das betrifft nicht nur unmittelbare Einlagen bei Banken, sondern etwa auch vom Staat über Riester geförderte Lebensversicherungen zur Altersvorsorge.

       Im Gegenzug wurden Aktien und weitere Vermögenswerte schlagartig aufgewertet. So gesehen fand eine Umverteilung von Sparvermögen zu Aktien u. Ä. statt.

       Durch dieses Programm wie auch schon durch die chronisch niedrigen Zinsen werden erneute Blasenbildungen begünstigt.

      Das Ankaufprogramm der EZB kann also für Otto Normalverbraucher durchaus bedeutende Folgen haben. Viel mehr Beachtung in der Öffentlichkeit fand aber das griechische Schuldendrama.

      Aber gehen wir zunächst ein gutes halbes Jahr zurück: Griechenland hat das Jahr 2014 mit einem Defizit von nur noch 3,5 % und einer Wachstumsrate von 0,8 % abgeschlossen und strebte, noch unter Antonis Samaras, eine baldige Rückkehr an den Kapitalmarkt an, wie es zuvor schon Portugal und Irland gelungen ist. Dann wurden überraschend Wahlen notwendig, aus denen Alexis Tsipras als Sieger hervorging und im Januar 2015 Regierungschef wurde. Aufgrund der angekündigten Abkehr vom Sparkurs akzeptierte die EZB griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit, versorgte aber stattdessen die griechischen Banken mit Notfallkrediten in einer Höhe von rund 90 Milliarden Euro und hielt damit die Wirtschaft in Griechenland aufrecht. Erst als die Kredite zum Ablauf des 2. Programms, wo man um die Auszahlung von 7,4 Milliarden gefeilscht hat, nicht weiter erhöht werden, kommt Bewegung in die Sache und jetzt geht es gleich um ein 3. Hilfspaket im Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro für die nächsten 3 Jahre53. Sicherlich hat der Zick-Zack-Kurs von Tsipras zu wirtschaftlichen Einbrüchen geführt, aber ein solcher zusätzlicher Bedarf für die Staatskasse in nur 6 Monaten scheint doch etwas hoch gegriffen (zum Vergleich: Die gesamte Staatsschuld beträgt Ende 2014 rund 320 Milliarden Euro). Kaum zu glauben, dass sich die Lage für die Insider noch Ende 2014 so viel besser dargestellt hat, als man ein 3. Hilfspaket noch kategorisch ausgeschlossen hat. Kann es also sein, dass Tsipras jetzt als Sündenbock für eine Wahrheit dient, die man dem eigenen Wähler vorher nicht eingestehen wollte? Und das Schauspiel wird aufrechterhalten: Während jetzt unter Fachleuten weitgehend Einigung herrscht, dass es bei den Zahlungen um Transfers geht, d. h. die Kredite nicht komplett zurückgezahlt werden können, heißt es von Seiten der Politik, man könne eventuell die Fristen strecken und die Zinsen senken, aber es komme alles zurück. Auch in Bezug auf andere Staaten klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander: Ende Mai 2015 äußerte Wolfgang Schäuble in einem Interview, die anderen Staaten seien auf Wachstumskurs und erklärte die Eurokrise mit Ausnahme von Griechenland für weitgehend ausgestanden. Erinnert an den ehemaligen französischen Präsidenten Francois Hollande, der schon im Februar 2013 die Krise für beendet erklärt hatte54, kurz vor der Zypernkrise. Im Folgenden dazu einige Zahlen:

      Frankreich weist für 2014 mit 4 % ein immer noch zu hohes Defizit auf und hatte für die beiden folgenden Jahre von der EU-Kommission grünes Licht für weitere Defizit-Überschreitungen bekommen55. Ebenfalls 2014 beträgt die Staatsschuldenquote 95 % und die Arbeitslosenquote liegt im Mai 2015 mit 10,3 % zwar im europäischen Mittelfeld, ist aber der höchste Wert in Frankreich seit Beginn der Aufzeichnungen. Spanien weist seit 2008 jeweils noch höhere Defizite als Frankreich auf, zuletzt 5,8 % für 2014, die Schuldenquote beläuft sich auf 97,7 % und die Arbeitslosenquote wird mit 22,5 % in Europa nur noch von Griechenland übertroffen. Italiens Defizite liegen in den letzten Jahren bei knapp 3 % und damit etwas niedriger, dafür beträgt die Schuldenquote aber 2014 schon stattliche 132 % und Italiens Wirtschaft schrumpft seit 2012 leicht, während Frankreich moderate Wachstumsraten zwischen 0,2 % und 0,7 % aufweist. Nach den vielen Zahlen noch ein paar mehr, für einen Blick auf die gesamte Eurozone (19 Länder), seit 2011: Die Schuldenquote stieg jedes Jahr bis auf 92,0 % Ende 2014, es gab in jedem Jahr ein Defizit, welches von 4,2 % in 2011 auf 2,6 % in 2014 fiel, das Wachstum schwankte zwischen 1,5 % in 2011 und -0,9 % in 201256. Berücksichtigt sind dabei jeweils nur die expliziten Staatsschulden, die implizite Verschuldung, die z. B. durch zukünftige Pensionsansprüche einer alternden Gesellschaft steigt, ist dabei noch gar nicht mit einbezogen.

      Was zeigen die Zahlen? Der Fiskalpakt stellt sich damit als ähnlich zahnloser Tiger wie die Stabilitätskriterien