Robert Kiauka

Wohlstand, Demokratie und weiter?


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In anderen Wirtschaftszonen sieht es ähnlich aus. Ziehen wir nun einige Schlüsse:

       Folgerungen und Ausblicke

      Wem hat denn der Euro nun genutzt? Sicherlich nicht den Arbeitnehmern in Deutschland, die zeitweise ihren Job verloren haben, zu schlechteren Konditionen weiterbeschäftigt wurden oder Gehaltseinbußen hinnehmen mussten. Den Inhabern oder Anteilseignern von Exportfirmen, deren Gewinne in die Höhe schossen, schon eher. Der griechischen Krankenschwester oder Reinigungskraft, die zunächst vielleicht etwas besser bezahlt wurde, jetzt aber massiv unter den Sparmaßnahmen leidet, wohl auch eher weniger. Dem hochrangigen Beamten aus Athen mit besten Beziehungen oder dem Reeder, der sein Geld auf einem Schweizer Bankkonto oder in Immobilien in besten Lagen Berlins oder Londons bunkert, sicherlich sehr. Auch der Arbeitnehmer eines eigentlich kerngesunden Betriebes, der von Heuschrecken in Form von Hedgefonds mit billigem Geld, das Anlagemöglichkeiten sucht, aufgekauft und ausgeschlachtet wird, wird mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes die Gewinne der Spekulanten bezahlen65. Ebenso wie schon Steuerzahler über die Bankenrettung und vorwiegend Kleinanleger mit ihren Verlusten für die exorbitanten Gehälter von Bankmanagern und Gewinne von Insidern bezahlt haben, die ihre Gewinne schnell genug realisiert haben. Unter dem Strich bleibt ein Effekt, der gerne mit Umverteilung von unten nach oben oder auch von den Fleißigen zu den Reichen beschrieben wird. Das ist aber noch nicht die ganze Wahrheit, tatsächlich sind die Vermögen stärker gestiegen, als sie an anderen Stellen abgenommen haben, die Differenz machen gerade die Schulden aus, die ja im Rahmen von Banken- und Eurokrise rasant gewachsen sind. Und genau hier liegt das Problem: Wenn irgendwann die Zweifel an der Tragfähigkeit der Schulden die Oberhand gewinnen, droht ein Crash, mit erheblichen Wirtschaftseinbrüchen, Massenarbeitslosigkeit und sozialen Unruhen, unkontrolliert im Unterschied zu einem Schuldenschnitt. Denkbar ist stattdessen auch eine weitere schleichende Verstetigung der Krise, mit immer neuen Verwerfungen, auch nicht gerade eine Wunschvorstellung. Bleiben wir aber noch beim Crash, womit wir bei der zentralen Frage dieses Buches wären: Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen, das muss eine Demokratie nicht unbedingt aus der Bahn werfen, kann aber je nach Schwere sicher eine Gefahr darstellen, die noch größer werden kann, wenn weitere Faktoren hinzukommen. Die meisten Demokratien etwa haben die Krise der 1930er Jahre als Demokratien überstanden, in Deutschland wurde die Weimarer Republik durch das Dritte Reich abgelöst.

      Abgesehen von einem möglichen Crash zeigen sich weitere Problemfelder unserer Demokratie: Da wäre zum einen die EZB. Offensichtlich müssen dort immer wieder weitreichende Entscheidungen getroffen werden, bei denen es durchaus erheblichen Entscheidungsspielraum gibt. Die Rechnung, dass die Zentralbank einfach nur unabhängig sein muss und dann entsprechend ihrem Auftrag ihre Aufgaben erledigt wie ein Zug, der auf einem Gleis fährt, geht nicht auf. Es stellt sich die Frage nach mehr demokratischer Legitimation der Führung der Zentralbank. Veränderungen scheinen besonders notwendig vor dem Hintergrund, dass bislang jedes Mitgliedsland im Euro die gleichen Mitspracherechte hat, unabhängig von Einwohnerzahl oder auch Kapitalanteil bei der EZB.

      Im Unterschied zur Führung der EZB sind die nationalen Regierungen gewählt, aber wie kann der Bürger eine begründete Wahl treffen, wenn die wesentlichen Fragen kaum thematisiert werden, wie Ende der 80er/Anfang der 90er die mit der Einführung des Euro notwendige politische Einigung? Wenn plötzlich dringende und weitreichende Entscheidungen anstehen, wie ab 2010 die Euro-Rettungsmaßnahmen, an die vorher wahrscheinlich nicht einmal die zur Wahl stehenden Politiker gedacht haben? Sehr problematisch ist auch der nach Belieben und Tagesform ausgerichtete Umgang mit Verträgen. Ein ehemaliger EU-Kommissar trieb das stellvertretend für viele auf die Spitze, als er im Juli 2015 von der Gruppe der Euro-Staaten als einer unauflöslichen Schicksalsgemeinschaft sprach. Auch Angela Merkel sprach nach einer Meldung im Zusammenhang mit den Griechenland-Hilfspaketen von Europa als einer Schicksalsgemeinschaft und als solche von einer Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft66. War doch über die No-bail-out-Klausel ganz anders vorgesehen. Sehr problematisch erscheint auch, dass die Politiker überhaupt einerseits sehr dazu neigen, irreversible Verträge abzuschließen, andererseits aber hauptsächlich einen Horizont nur bis zu den nächsten Wahlen haben. Regelungen, wer welche Verträge schließen und wer sie wieder lösen kann, wären wünschenswert. Dass die Politik sich für fehlerfrei hält und sich damit zunächst weitgehend der Möglichkeit von Korrekturen beraubt, um dann später bei Bedarf unberechenbar doch die Regeln über Bord zu schmeißen, sollte kein Dauerzustand sein.

      Und moralische Folgen gibt es auch: Auch befeuert durch die geschilderten problematischen Entwicklungen zeigen sich zunehmend Euroskepsis und nationale Ressentiments und stellen eine Gefahr für den europäischen Zusammenhalt dar, die über unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhänge hinausgeht.

      Nachdem bislang viel von auf und ab der Wirtschaft die Rede war und speziell die Banken etwas beleuchtet wurden, wird es Zeit, sich auch Nicht-Finanzunternehmen anzuschauen und Mechanismen in der Wirtschaft allgemeiner zu betrachten.

      Leistung und Innovation

       Vorüberlegungen

      Vorbild Natur Ein Eichhörnchen, das mehr Nüsse findet, sie besser versteckt oder später besser wiederfindet, lebt besser als ein anderes ohne diese Vorzüge. Für einen Bären ist es notwendig, erfolgreich Beute zu machen, diese ggf. gegen andere zu verteidigen oder auch selber anderen Tieren die Beute abzunehmen, z. B. einem Wolf. Je besser ihm das gelingt, desto besser lebt er. Man kann das so sehen: Je mehr diese Tiere leisten, desto besser geht es ihnen. Das gilt auch für den Wolf, der lebt aber meistens in Rudeln, wo es insbesondere auch um das erfolgreiche Zusammenspiel bei der Jagd geht. Neben der Einzelleistung, wie etwa bei den Rangkämpfen innerhalb des Rudels, ist die gemeinsame Leistung des Rudels von Bedeutung und von dieser profitieren auch die schwächeren Rudel-Mitglieder. Löwen leben auch in Rudeln, aber hier verschaffen sich die Männchen häufig einen Vorteil, indem sie neugeborene Männchen gleich töten und sich so potenzieller späterer Konkurrenten entledigen. Kannibalismus gibt es auch. Haie etwa zögern nicht, einen Artgenossen zu vertilgen, wenn dieser sich nicht wehren kann, wenn er etwa an einem Angelhaken festhängt. Auch irgendwie eine Leistung. Ganz allgemein gilt das reale Leistungsprinzip: Je besser ein Individuum die Umstände, in denen es sich befindet, nutzt, desto besser geht es ihm. Von Vorteil kann es dabei sein, ein Sozialgefüge aufzubauen und Regeln zu etablieren. Gemeinsam auf die Jagd zu gehen und dann nach einer Rangfolge zu teilen, bringt für alle mehr, als wenn jeder für sich jagt und sich dann die Beute gegenseitig streitig gemacht wird. Konkurrenten in den Kinderschuhen töten, Kannibalismus oder einem anderen seinen Teil der Beute sind dann keine Optionen mehr.

      Menschen und Unternehmen Eine menschliche Gesellschaft ist nun genauso ein Sozialgefüge mit Regeln. In einer zivilisierten Gesellschaft kann man nicht einfach jemand anderem etwas wegnehmen, weil man der Stärkere ist. Tut man es doch, zählt das nicht als Leistung, sondern als Regelverstoß. Man muss also selber jagen oder sammeln oder allgemein und modern etwas produzieren. Allerdings nicht unbedingt genau den Eigenbedarf, denn es gibt ja Tauschhandel und Geld. Demnach kann man ein ideales Leistungsprinzip formulieren:

       Entsprechend dem, was man selber zur Deckung der Bedürfnisse der Gesellschaft beiträgt, kann man auch konsumieren bzw. erhält Geld.

      Jetzt produziert ja nicht jeder selber für sich alleine, sondern es gibt Unternehmen und auch für diese sollte das Leistungsprinzip als Anspruch stehen. Wenn ein Unternehmen dementsprechend seine Einnahmen steigern will, muss es also mehr produzieren und verkaufen. Wenn die Nachfrage schon gesättigt ist, hilft es nicht, einfach die Produktion auszuweiten, sondern das Unternehmen muss sein Produkt verbessern oder rationeller, d. h. billiger, herstellen, unter Einbeziehung von Nebenwirkungen der Produktion. Kurz: Das Unternehmen muss innovativ sein. Gelingt ihm das, steigen die Einnahmen und das Unternehmen kann wachsen. Andere aus der Branche werden auch auf diese oder eine ähnliche Idee kommen oder verdrängt, am Ende wird das bessere oder billigere Produkt angeboten, wovon die Gesellschaft insgesamt profitiert. Außer denjenigen, die wenig oder gar nichts zur Produktion beitragen können. Diesen hilft die Gesellschaft, indem sie ihnen das Notwendige ohne Gegenleistung zukommen lässt, dafür geben alle anderen etwas ab. Damit sind wir bei