Ann Bexhill

Mord im Dorf


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taktvoll sie sei nicht mehr die Jüngste und müsse sich geirrt haben. Und nett wie ich bin empfahl ich ihr einen guten Augenarzt in Elberfeld.« Frau Gerstein war zehn Jahre jünger als Tante Agatha, die mittlerweile ihren 72 Jahrestag begangen hatte. »Anstatt also ihren Fehler einzusehen, stürmte sie erbost davon und offenbar direkt in die Schenke, wo Heribert Freitag sich wieder einmal betrank.«

      »Oh je auch der noch!« Heribert Freitag gehört zu den Menschen, die sich ein Vergnügen daraus machen für Wirbel zu sorgen er würde die Sache so groß machen das dagegen ein Bankraub mit Geiselnahme, wie das Mopsen eines 50 Pfennig Stücks aus der Spendendose wirken würde. Er war der Prototyp eines garstigen Menschen. Zudem war er der reichste Mann im Ort hatte sich in den Jahren als er Nazi Bürgermeister war ein Vermögen zusammengerafft und erpresst. Meine Tante besaß den Tante Emma Laden in West Berndorf, in dem mein kleiner Bruder Peter ab und zu aushalf, bis er wusste, was er studiert. »Nun Tantchen Spaß wird es geben, wenn er dir seinen Fehdehandschuh hinwirft, weil ihm die Gegner ausgegangen sind, hat er sich wohl die Falsche ausgesucht.« Und das hatte Heribert Freitag, Tantchen war resolut und ihre Zunge galt als tödliches Instrument außerdem verfügte sie über ihre Camorra, die alten Weiber von West Bernburg, wenn man es sich mit einer verdarb, war man schneller isoliert, als ein Leprakranker seinen Daumen verlor. »Das Wort, das er gebrauchte, als er zusammen mit Frau Gerstein wie ein Verrückter angestürmt kam und einen Blick in meine Ladenkasse werfen wollte war, Veruntreuung!« Tantchen war der lauterste Mensch in der Gegend. »Niemand bei Verstand wird dich verdächtigen, Tantchen«, sagte ich. »Was hast du heute vor?«, fragte ich um sie vom leidigen Thema Heribert Freitag abzulenken. Der Mensch machte nicht nur Ihr Kummer, wie bedauerlich musste es erst seiner Familie ergehen mit so einem Menschen bestraft zu, sein. »Meine Pflicht«, sagte Agatha tugendhaft, »meine repräsentative Pflicht als Tante eines berühmten Neffen, der ein hohes Tier in der Schlagerbranche ist und deshalb kommen einige Damen zum Kaffee.« Meine Tante meinte meine Karriere als vor Jahren prominenter Unterhaltungskünstler früher ZDF goldener Schlagerparade, jetzt auf Betriebsversammlungen und mittelständischen Unternehmens Geburtstagen tingelnd mache sie zur First Lady des Dorfes. »Also deshalb der Kuchen! Wer kommt alles?« Im Innern des Hauses hatte ich das Gefühl, zu Hause zu sein. In die Kindheit versetzt zu sein. Die Zeit war hier drin einfach stehengeblieben. Ich befand mich inmitten einer gedämpften bürgerlichen Behaglichkeit und draußen herrschte das geschäftige Treiben des Neuen. Die Neuerungen in Tante Agathas Haus fielen mir kaum ins Auge. »Frau Stein, Frau von Leyster, Frau Arnold und diese schreckliche Frau Doktor Spiegel«, zählte sie das who is who in West Bernburg auf. »Ich mag sie«, sagte ich. Frau Spiegel war die junge Frau des Zahnarztes eine sehr attraktive Person, die sich auch nicht zu fein dazu war, im Garten ihrer Villa ein Sonnenbad im Badeanzug zu nehmen. »Ja das kann ich mir gut vorstellen Franz. Naja hoffen wir das sie nicht wieder anfängt von, Adligen zu reden. Das einzige Thema, das sie zu interessieren scheint.« Frau Doktor Spiegel liebte alles, was mit dem Hochadel zu tun hatte, ganz egal ob finnisches Königshaus oder spanische Monarchie. Sie liebte es nicht nur sie musste uns anderen auch davon alles bis ins kleinste darüber erzählen. Ich habe den Verdacht den Stapel Zeitschriften, den sie weg liest, wie ein Fresssüchtiger einen Teller Frikadellen, das goldene Blatt, die Krone, Adel und Du, die Fürstin, überdecken eine unbefriedigte Ehe. Die Frau besitzt eine selten dümmliche Ausstrahlung, was sie beileibe nicht ist. »Über was werdet ihr reden?« Tantchen machte sich immer Stichpunkte zu Themen, die gerade interessant waren. Tante Agatha setzte sich und überflog ihre Unterhaltungskarten, wie der Moderator einer Quizsendung vor der Show. »Wahrscheinlich nichts, was dich angeht, Franz.« Agatha lächelte, strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und sagte: »Das Übliche die Skandale von gestern oder die von Morgen wer weiß, was Frau von Leyster wieder herausgefunden hat.«

      Frau von Leysten besaß die Gabe trotz ihrer Sternen Grübelei mit einer für ihren Jahrgang 1910 beeindruckenden Sehschärfe alles, um sie herum wahrzunehmen. »Davon gibt es hier genug nehme ich an«, entgegnete ich sarkastisch. Wir lebten in einem Dorf in dem eine Zigaretten rauchende Frau einen ungeheuren Skandal auslösen konnte. Einem Dorf, in dem die Automarke die jemand fuhr, Anlass zu wüsten Spekulationen war. Es war nicht viel los in West Bernburg, genau das Richtige für meine angekratzte Seele.

      2

      Als ich vom Küchentisch aufstand, war ich in der richtigen Stimmung, einen wirklich zündenden Schlager zu schreiben, was vermutlich am vielen Zucker in Tantchens Kuchenteig lag. Der Titel hatte schon platz in meinem Kopf genommen. Irgendetwas mit süßer Heimat und Moderne Agrartechnologie etwa, “die Gerda auf dem Traktor olalala“. Ich müsste mich schämen zu gestehen mit dem Käse mein Geld zu verdienen oder mich fremdschämen für meine Fans, aber zum Glück kannten mich die Meisten nur unter meinem Künstlernamen Robert Starck die Schunkelkanone. Ich hatte einmal von meinem Tod geträumt, ich stand an der Himmelspforte und ein ungeheurer wichtig aussehender Engel musterte mich mit Unterdrückten Zorn und sagte: »Schlagersänger was? Nicht bei uns hier oben!« Ich ging in mein Arbeitszimmer mit Blick auf den Garten. Die Haselnusssträucher den Schuppen, den alle aus einen mir nicht einsehbaren Grund Pavillon nennen und dem hinter dem Garten liegenden Gemeindeanger mit dem Ententeich und dem Birkenwäldchen. Nach einem Blick auf die Idylle machte mich an den Rohentwurf eines Schlagertextes, den ich einem angestellten Komponisten oder wen den ich gerade in der Plattenfirma erwischte absegnen lassen musste. Gerade als ich mich wieder auf die stupide Arbeit des Schlagers fabrizieren konzentrierte, flatterte Bettina Freitag herein. Sie ist ein sehr hübsches Mädchen, groß und blond und völlig gedankenlos. Sie segelte durch die Glastür wie ein verirrter Schmetterling, sah mich an und rief mit einer Art Tadel in der Stimme: »Ach! Sie?« Wenn man vom Gemeindeanger kommt, führt der kürzeste Weg ins Dorf mitten durch das Haus. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt Eintrittsgeld zu verlangen aber Tantchen erzählte mir vom uralten Wegerecht. Was kam Großvater auch auf die dumme Idee sein Haus mitten auf dem Weg zu, bauen? Nur weil er meinte, Land gekauft zu haben bedeute auch es zu, besitzen. Die meisten Leute kommen nicht einmal auf die Idee wenigstens ums Haus herum, statt mitten durchs Arbeitszimmer durch die Diele hinaus zur Dorfstraße gehen. »Wen hast du denn erwartet Clark Gabel?«, fragte ich. Sie ließ sich völlig erschlagen in einen meiner großen Sessel fallen und legte ihre verwirrend langen Beine übereinander. Es gibt Mädchen die sind für Tennisshorts gemacht und Bettina Freitag gehörte zweifellos dazu. Dort saß sie mit ineinander gefalteten Händen und starrte mich an wie ein seltenes Insekt. Ich schrieb gerade Gerda auf dem Traktor tsching tsching. Dieses tsching kommt im deutschen Schlager recht vieldeutig daher. Ein Tsching strich ich wieder durch.

      Heimat meine süße Heimat wie vermisse ich dich in der Ferne. (Akkordeon und Trompeten) wie vermisse ich deine goldenen Sterne deine Felder deine, Flüsse deinen (nicht den Rhein Chemieverklappung Fischsterben) und die süßen Küsse. Von der Gerda auf ihrem Traktor tsching (Trompeten und Drums und Kinderchor) Heimat oh du ferne Heimat. Dein Werner aus Herne (irgendeine andere Krötenstadt die sich auf Gerda reimt) vermisst seine Gerda.

      »Ist Peter hier irgendwo?«, fragte sie endlich. Ich hatte schon angenommen sie habe vergessen, wohin sie wollte, und beehre mich bis zum Abend. Lange Beine mit einer glatten seidig schimmernden Haut können einen Mann schon auf andere Gedanken als Liedertexte bringen. »Ich habe ihn seit dem Frühstück nicht gesehen. Ich glaube, er wollte zu ihnen und ihnen angeblich Nachhilfestunden in Englisch geben.« Sie sah mich tadelnd an und murmelte etwas von meiner schmutzigen Einbildung. »Oh!«, sagte Bettina. »Ich glaube ich habe das total vergessen.« Zum Glück schien ihr das nicht viel auszumachen, was nicht gerade für Hochzeitsglocken Geläut an unserer Kirche spricht, jedenfalls nicht für den armen Peter meinen kleinen Bruder und Bettina, in die er verschossen ist. Er hat eben kein Glück mit den Mädchen. Die die er haben will sehen ihn nicht einmal an und die Frauen, die ihn eventuell nehmen würden, passen ihm nicht. »Ist Agatha irgendwo in der Nähe?«

      »Tantchen ist im Garten – sie sitzt Modell. Kaspermann malt erst sie und dann alle nacheinander wen er gerade erwischt und voilà fertig ist das Familienporträt.« Meine Tante besteht auf ein Familienporträt, koste es was es wolle und Kaspermann der junge Maler aus München, der sich bei uns seit drei Jahren zur Inspirationssuche befindet, hat die Angewohnheit exakt die Leute so zu malen, wie sie aussehen. Innerlich und äußerlich, erstaunlicherweise hat er trotzdem Kundschaft. Bettina seufzte schwer,