Ann Bexhill

Mord im Dorf


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hat er Bettina nackt malen wollen.«

      »Ha ich wusste es immer, dass sie etwas miteinander haben«, sagte Frau Arnold triumphierend und sah sich mit gestrecktem Hals um. Sie sah aus wie ein riesiger Vogel, ein Huhn genauer gesagt. »Dieser Künstler ... lungert doch immer um die jungen Frauenzimmer herum direkt schmierig der Mensch.«

      »Mädchen sind so raffiniert«, beklagte Frau Stein die modernen Zeiten in unserem Dorf. »Er ist ein sehr gut aussehender junger Mann. Aber ein Kunstmaler! München Paris die ganzen Modelle auch nackte. Da wird Sekt getrunken und Kaviar gegessen und Striptease getanzt das ganze Drumherum!« Es fehlte nicht viel und sie hätte die Schilderung en détail fortgeführt. Aber die Anwesenheit eines Mannes bremste ihr Mundwerk. Frau von Leysten nahm den losen Faden der Unterhaltung wie Zügel fest in ihre Hände. »Aus Felix Kaspermann währe ein sehr guter Betrüger geworden, er hat diese Gabe, ein offenes unschuldiges Gesicht. Aber er ist ja Maler. In der Elberfelder Kunst Galerie fand eine Ausstellung seiner Bilder statt.« Frau von Leysten hatte wenig Interesse an der Kunst, wenn es nicht mit einem Handwerk davor geschrieben wurde, die gute Möbelkunst die Gartenbaukunst waren ihre Steckenpferde. Sie betrachtete Maler bis auf wenige Ausnahmen, die sie gelten, ließ das heißt ihre Werke waren teuer und hingen gut gesichert in einem Museum, als Kleckser aber sie ließ jedem nach seiner Fasson glücklich werden. »Er malt privat so modernen französischen Kram nehme ich an«, sagte sie, während ihre blauen Augen im Zimmer umherwanderten. Sie besaß den Blick, einen ganz besonderen Blick an denen sie alles erkannte, auch wenn sie es nur einmal sah. Es war der gelangweilte Blick eines satten Tigers nach der Beute. Bei ihr war die Augen Mund Koordination perfekt an einem Leben in einem überalterten Dorf angepasst. »Frau Gerstein war wohl wieder beim Friseur uns hat sich Kunsthaar rein flechten lassen, jedenfalls ist, ihr blondes Haar erstaunlich schnell gewachsen. Vor einer Woche war es noch so kurz wie bei einem preußischen Gardeleutnant.«

      »Ich fürchte, die liebe Gertrude ist tatsächlich ziemlich modern im Umgang mit Frisuren sie ist ja nicht eine Studentin aus der Künstlerkolonie vom Montmartre.«

      »So aufgedonnert sollte keine 60 Jährige herumlaufen, finde ich«, sagte Frau Stein. »Uns malt Felix auch«, sagte Agatha eine Spur frivol. »Aber nicht nur in einer Toga?«, entgegnete Frau von Leyster lächelnd. »Es könnte schlimmer sein er könnte mich runzliges Weib nackt malen wollen«, antwortete Agatha ernst. Alle anderen mich eingeschlossen sahen leicht schockiert aus. »Hat Bettina Ihnen von dem Ärger erzählt?«, fragte mich Frau von Leyster. »Mir?«

      »Ja. Ich habe gesehen, wie sie durch Ihren Garten zu Ihrem Arbeitszimmer ging.« Frau von Leyster sieht alles hört alles und bekommt alles mir. Ihre Tarnung ist, sie arbeitet an einem Buch über die einheimische Sternenwelt und der einheimischen Vogelwelt und hat die Angewohnheit ein schweres Teleskop auf dem Gemeindeanger aufzubauen, sobald es eine wolkenlose Nacht gab, oder mit dem Feldstecher in der Hand zu wandern. Allerdings befürchte ich sie ist kein Hans guck in die Luft, sondern Hans guckt in die Fenster. Niemand hat auch nur eine Seite dieses Manuskriptes je zu Gesicht bekommen. Sie kannte jeden einzelnen Kometen, Planeten, Stern und jeden Bewohner und deren Gäste und vergaß niemals ein Gesicht. Professoren aus Freiburg beneideten die Frau um ihr Gehirn. Sie hatte Angebote aus Heidelberg und einer namhaften Klinik ihren Kopf nach ihrem Tod zum Zwecke der Forschung zu stiften. Ihr Gehirn mochte eine Sensation sein aber das drum herum sah wie eine Vogelscheuche aus. Klein gewachsen knöchern, gekräuseltes gelblich graues Haar, schwarzes Kleid, flacher Busen, auf dem ein großes goldenes Medaillon mit einem obskuren Pommern Heilligen ruhte. Ich fand der Märtyrer, der von Speeren durchbohrt wurde, sah aus als hätte er es verdient, so als hätte er Dreck am Stecken. Zerlumpte Kleidung und verfilztes Haar. So sollte kein anständiger Heiliger herumlaufen, fand ich. Und außerdem sollte man der Kirche verbieten, heilige Wenzelsmänner, oder so ähnlich auf die Gläubigen loszulassen, allein dieser Name würdigte die Märtyrer Sache in meinen Augen herunter. »Ja sie sagte, dass Heribert Freitag den Maler das Haus verboten hat«, gab ich zu. »Ich frage mich, ob der Maler und Bettina Freitag wirklich etwas miteinander haben«, fragte Frau Stein flüsternd. »Es sieht jedenfalls so aus. Was meinen Sie, Frau von Leyster?« Frau von Leyster schien nachzudenken. »Ich würde das nicht behaupten. Nicht Bettina sie ist ein flatternder Spatz ganz niedlich aber wenig fesselnd. Der Maler ist mehr der Eichelhäher Typ exotisch und selten, würde ich sagen.« Frau von Leyster verglich gerne Menschen mit Tieren, in ihren Augen war ich ein ungeselliger einzelgängerischer Fischreiher. »Aber Herr Freitag…«

      »Er ist dumm! Er macht nicht nur einen dummen Eindruck, sondern er ist ein Dummkopf! Er hat jedes Buch nur zur Hälfte gelesen und das, was er in seinem kleinen Hirn behalten hat, auch noch zu einem Mischmasch verwoben, der Mann ist ein Idiot«, sagte Frau von Leyster und schnitt jeden Einwand ab. Tante Agatha erhob sich und brachte zur Feier des Tages, wie sie sagte, eine Flasche Riesling. Die Damen stellten bei ihrem Glas herben Wein fest, dass erstaunlich viele störende junge Menschen in West Bernburg versammelt waren. »Die sollten bloß nicht auf die Idee kommen und abends Tanzbälle geben oder dieses grässliche Kartenspiel Poker spielen. Ich kenne es aus den Zeitungen, kaum spielen sie Poker miteinander, schon gibt es Mord und Totschlag und davon gibt es draußen ja bereits genug«, erklärte Frau Spiegel kategorisch. Ich nickte ihr, Zustimmung heuchelnd zu. Frau Spiegel fuhr ungeachtete des mangelnden Interesses ihrer Sitznachbarn fort zu schnattern: »Als ich im letzten Jahr in Frankreich war, hatten sie dort keinen Saarriesling. Davon haben diese Barbaren noch nie etwas gehört.« Sie Trank den letzten Rest ihres Glases und rollte die saure Flüssigkeit genießerisch im Mund hin und her und blickte sich um. »Die arme Frau vom Teufel kann einem leidtun, so ein rosiges freundliches Geschöpf in der Hand dieses Fieslings«, seufzte sie dann. »Sie hat Geld wie Heu«, sagte Frau Stein ein wenig unsicher und fügte im Tonfall einer Lüge hinzu, »Natürlich bedeutet Geld nicht alles.«

      »Ganz gewiss nicht«, bestätigte Tante und die Damen kicherten. Seufzend erhob sich Tante langsam unter einem Ächzen. »Rheuma! Zeit für eine neue Flasche auf einem Bein kann man ja nicht stehen«, erklärte sie.

      3

      Ich betrachtete mich lange im Flurspiegel. Dabei warf ich immer wieder einen kurzen Blick auf die protzige Golduhr an meinem Handgelenk. Ein Ding, das Wohlstand und Erfolg ergo Plattenverkäufe versinnbildlichte, in Wahrheit aber nur feinmechanischen schlechten Geschmack verkörperte. Dann beäugte ich wieder prüfend mein Spiegelbild. Die Schwierigkeit bei meiner Neigung zum buschigen Bartwuchs, dass meine Schnurrbartenden abknickten oder, auseinander sprangen und mein rotbrauner Schnurrbart mir das Aussehen von einem in Schlaghosen steckenden Walross verlieh. Ich hatte schon fast alle Möglichkeiten ausprobiert, mal einen strengen Backenbart getragen, mal einen Ziegenbart. Egal was ich machte ich war nicht für einen Bart gemacht. Leider gab es das ungeschriebene Gesetz als Schlagersänger, dass ein Erfolg vorgauckelnder abgehalfterter Schlagerinterpret einen respektablen Oberlippen Bartwuchs sein eigen nennen musste. Er musste Lesen und etwas Schreiben können, keine Musiknoten das war egal, ein Gefühl für Stimmungen haben und mindestens 177 Zentimeter Körpergröße haben das stand zwar nicht in einer Vorschrift aber war selbstverständlich. Im obersten Fach der Flurgarderobe ruhten vier Hüte. Einer passte nur für Vorführungen vor Frauen. Denn bei einem Auftritt war ein Hut ein absolutes Muss. Ich hielt inne betrachtete skeptisch den Oberlippenbart und rief nach Beistand. »Tantchen«, rief ich, dann so laut das es durch das Haus schallte: »Tantchen! Kommst du bitte eine Minute es, ist lebenswichtig!« Agatha kam nicht mit der gebotenen Eile, was wenn es mal wirklich um eine lebenswichtige Angelegenheit ginge? Tantchen war es gewohnt, dass ich sie um Rat fragte, was ich anziehen soll, obwohl es sie nicht die Bohne interessierte. Agatha betrachtete aus verschiedenen Blickwinkeln das Problem und sagte: »Da hilft alles nichts, der Bart muss weg und setze einen Hut auf, wenn du zum Friseur gehst, es gab Orkanwarnung vom Wetteramt im Radio.«

      »Ja«, antwortete ich deprimiert. »Ich sollte es wissen müssen, also ab? Einfach so?« Tantchen trat zurück und betrachtete Roger Starck die Schunkelkanone des deutschen Schlagers kritisch. »Hilf nichts so siehst du aus wie ein entflohener Sträfling. Du leidest unter dem runden Melonen Gesicht. Dasselbe Problem hatte dein Opa Karl auch.«

      »Ja und was hat er gemacht?«, fragte ich. »Das ist eine traurige Geschichte hat uns alle arm wie die Kirchenmäuse gemacht. Aber er dachte,