Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 2


Скачать книгу

Tonfall als du dich angekündigt hattest, war aber nicht sehnsuchtsvoll, sondern nachdenklich und besorgt. Du kannst mir nichts vormachen, Pierre. Etwas Unangenehmes ist vorgefallen, nicht wahr?»

      Pierre seufzt und stellt mich wieder auf meine Füße.

      «Wie soll ich denn etwas vor dir verheimlichen, wenn du mich immer durchschaust? Können wir nicht erst ins Bett gehen?»

      Ich gebe Pierre einen keuschen Kuss auf die Wange.

      «Wenn wir jetzt ins Bett gehen, dann werden wir uns die ganzen vier Stunden lang lieben und ich bekomme weder etwas zum Abendessen, noch erfahre ich, worum es geht.»

      Pierre schaut mich mit großen Augen an.

      «Und? Wo ist das Problem?»

      Ich blicke resigniert nach oben und ziehe Pierre hinter mir her in die Küche.

      «Ich muss schließlich zwei Leute ernähren? Also mache ich mir jetzt Abendessen und du erzählst mir, was dich herführt. Kaffee?»

      «Ja, gerne.»

      Die Küche ist winzig, aber effektiv eingerichtet. Alles Wesentliche ist erreichbar, ohne sich von der Stelle zu rühren und trotzdem können sich zwei Leute dort hinsetzen und frühstücken. Vorausgesetzt sie brauchen nicht zu viel Platz zum Essen. Mit einem Handgriff stelle ich eine Tasse für Pierre in die Kaffeemaschine und mit einem Zweiten hole ich einen Beutel tiefgefrorenes Fleisch und Gemüse aus dem Eisfach. Die Pfanne steht schon auf dem Herd, also fange ich an, mir mein Abendessen zuzubereiten.

      Als der Kaffee durch ist, langt sich Pierre seine Tasse und stellt eine andere Tasse hin, in die er vorher Milch getan hat. Das ist der Kaffee für mich, ich bedanke mich dafür mit einem Lächeln. Zuhause macht uns Charles unseren Kaffee und er macht das besser als jede Kaffeemaschine. Aber wenn wir unter uns sind, dann bereiten wir uns den Kaffee immer gegenseitig zu, ein kleines Ritual unter Liebenden.

      Charles ist der Butler von Pierre und er kann hervorragend Kaffee kochen, genau genommen, kann er alles hervorragend kochen und backen. Aber nur ich weiß das wirklich zu würdigen, denn Pierre kann ja nur Getränke zu sich nehmen. Das hat zur Folge, dass Charles mich an den Wochenenden immer vollstopft als wäre ich eine Weihnachtsgans und ich muss tatsächlich unter der Woche aufpassen, dass ich nicht zunehme, obwohl ich zwei Leute ernähren muss. Mein Abendessen rührend schaue ich Pierre auffordernd an.

      «Also?»

      Pierre zieht ein Gesicht und langt in seine Tasche. Von dort zieht er einen Briefumschlag hervor.

      «Das ist gestern gekommen, ich muss bis morgen geantwortet haben.»

      Ein kalter Hauch zieht meinen Rücken herunter, meine gute Laune verabschiedet sich ins Nichts. Diese Art von Briefumschlag kommt mir bekannt vor. Vor etwa eineinhalb Jahren hat so ein Briefumschlag fast dazu geführt, dass Pierre getötet und ich vergewaltigt worden wäre. Ich atme tief ein, wische mir die Hände an einem Tuch ab und nehme den Briefumschlag in die Hand.

      Er ist adressiert an Pierre, geschrieben mit einer eleganten, geschwungenen Handschrift in schwarzer Tinte. Als ich die Karte aus dem Umschlag nehme, sehe ich alle meine Befürchtungen bewahrheitet. Es ist die Einladung zu einem Empfang, den Louis, der Führer der französischen Vampire, veranstaltet. Genau ein solches Treffen hatte vor eineinhalb Jahren stattgefunden, nur zu der Zeit von Gregori Sokolov organisiert, der damals der Führer der französischen Vampire gewesen war. Ich hatte Pierre und seine Art gerade erst kennen gelernt und hatte gemeint, ich müsse an so einem Treffen unbedingt dabei sein. Meine Unkenntnis der vampirischen Welt hat dann Pierre und mich in höchste Gefahr gebracht.

      Doch in einem Detail unterscheidet sich diese Einladung von der Einladung vor eineinhalb Jahren. Gregori hatte selbstverständlich nur Pierre eingeladen, denn Menschen hatten für ihn nicht gezählt. Zu dieser Zeit war Pierre auch noch clanlos gewesen. Doch auf dieser Einladung sind zwei Namen genannt. Pierre Polignac und Trish Strong, Angehörige des Clans der Auserwählten.

      Streng genommen gehöre ich nicht zum Clan der Auserwählten, der Königin aller nicht-europäischen Vampire, denn ich bin nur ein Mensch. Als Blutgefährtin von Pierre bin ich für die meisten Vampire lediglich Beiwerk. Aber die Auserwählte ist meine Tante Anna und als Nichte der Vampirkönigin habe ich schon einen besonderen Status. Zwar erkennen die europäischen Vampire Tante Anna nicht als ihre Herrscherin an, aber dass die Einladung mich explizit erwähnt, macht mir sofort klar, dass ich einen richtig guten Grund haben muss, wenn ich da nicht hingehen will.

      Mit steinernem Gesicht stecke ich die Karte wieder in den Umschlag, gebe ihn an Pierre zurück und rühre mein Essen weiter, das jetzt fast fertig gegart ist.

      «Müssen wir da hin?»

      Pierre steckt den Umschlag wieder in seine Tasche.

      «Das genau ist die Frage, weswegen ich hierhergekommen bin. Die Sache steckt leider voller politischer Falltüren.»

      Mein Essen ist fertig und ich schnappe mir zwei Teller. Dann fülle ich den Inhalt der Pfanne auf den einen Teller, von dort wiederum auf den zweiten Teller, schließlich stelle ich den ersten in die Spüle. Valerie weiß nichts von Pierres Art und es wäre komisch, wenn ich meinen Freund zum Abendessen da habe und nur ein Teller schmutzig ist. Ich hole mir eine Gabel, setze mich zu Pierre und fange an zu essen.

      «Erklär!»

      «Eigentlich sollten wir nicht zu so einem Empfang eingeladen werden. Die Auserwählte gehört nicht zu den europäischen Vampiren, also wir auch nicht. Solange die Versammlung eine europäische Angelegenheit ist, haben wir dort nichts zu suchen.»

      Pierre seufzt.

      «Dass wir trotzdem eingeladen sind, bedeutet, dass es eine internationale Angelegenheit ist. Wir sind die Vertreter der Auserwählten und da Anna die Führerin aller Vampire außerhalb von Europa ist, sind wir damit die Vertreter aller außereuropäischen Vampire. Eine Ablehnung würde einen Affront bedeuten.»

      Ich verziehe das Gesicht.

      «Hat Tante Anna nicht einen offiziellen Botschafter für so etwas?»

      «Leider nein. Ich habe mit Anna gesprochen und sie hat gemeint, dass sie bisher nicht daran gedacht hat, so etwas einzurichten. Sie hatte mehr als genug damit zu tun, ihre eigene Führerschaft zu festigen.»

      Tante Anna ist eine ziemlich junge Vampirin. Sie wurde erst vor etwa acht Jahren verwandelt und normalerweise ist man als junger Vampir sehr schwach, zumindest im Vergleich zu den alten Vampiren. Doch Tante Anna ist etwas Besonderes. Sie ist die Auserwählte. Bereits seit dem Tag ihrer Verwandlung verfügte sie über Kräfte und Macht, die eigentlich nur einem alten Vampir zusteht. Doch sie musste kämpfen, um als Auserwählte anerkannt zu werden. Zuerst vor dem Rat der dreizehn Stämme, die nicht alle gewillt waren, sie zu akzeptieren. Und danach mit zahlreichen heimlichen oder direkten Versuchen, sie zu beeinflussen, zu beseitigen oder sonst wie ihre Macht zu mindern. Von all dem habe ich erst vor eineinhalb Jahren erfahren, als ich über Pierre die Welt der Vampire kennengelernt habe. Eigentlich will ich mich aus der vampirischen Politik heraushalten, mir genügt Pierre und seine Liebe. Aber offensichtlich gelingt das nicht immer.

      «Was sagt Tante Anna zu der Einladung?»

      «Sie wollte zuerst mit dir sprechen. Wir sollen sie anrufen, wenn ich dir die Situation erklärt habe.»

      «Na gut. Lass mich zuerst zu Ende essen.»

      Pierre streichelt mir mit einer Hand über das Gesicht und lächelt mir aufmunternd zu. Er kennt mich eben sehr gut. Diese Einladung hat mir meine Laune verdorben. Die Geschehnisse vor eineinhalb Jahren liegen mir immer noch auf der Seele, es hätte damals nicht viel gefehlt und alles hätte in einer Katastrophe geendet. Nur dem Eingreifen von Tante Anna war es zu verdanken gewesen, dass Gregori besiegt wurde und Pierre und ich nach Hause zurückkehren konnten. Langsam beende ich mein Essen, Pierre sieht mir schweigend zu und nippt währenddessen an seinem Kaffee. Als ich fertig bin, stelle ich den Teller in die Spüle und atme einmal tief durch.

      «Also los.»

      Ich