Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 2


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für einige Zeit das Interesse an Körbchengrößen verloren hätte.»

      «Gewalt ist keine Lösung, Trish.»

      «Stimmt, befriedigt aber ungemein.»

      «Da hast du natürlich auch wieder Recht.»

      Damit stockt die Unterhaltung, während Valerie ihren trüben Gedanken nachhängt.

      «Mir ist natürlich nichts Besseres eingefallen, als den Typ anzuschreien und die Flucht zu ergreifen. Ich habe dann eine halbe Stunde in einer Bar abgehangen, aber dann hatte ich keine Lust mehr, in der Öffentlichkeit Trübsal zu blasen und bin nach Hause gegangen. Ich dachte, dass ich einfach ganz leise bin und du dann gar nicht merkst, dass ich da bin. Das war aber ein Fehler. Ich musste gar nicht leise sein, weil du so geschrien hast und ich wurde dadurch nur neidisch auf dich.»

      Wieder wird mir ganz warm um die Ohren, Mann ist das peinlich.

      «Ich hab gar nicht geschrien.»

      «Ha, wenn ich das aufgenommen hätte, könnte ich jetzt ein Vermögen mit einer Sex Hotline verdienen. Aber natürlich habe ich nicht rechtzeitig daran gedacht.»

      Jetzt platzt mir doch der Kragen. Ich packe Valerie an den Schultern und funkle sie böse an.

      «Ich habe nicht geschrien.»

      Valerie schaut nachdenklich zurück.

      «Na gut, nicht geschrien. Aber ziemlich laut warst du schon.»

      So langsam ist mir das zu dumm. Wenn Valerie nichts weiter will, als mir mein Liebesleben unter die Nase reiben, kann sie mit ihren Problemen bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich will gerade aufstehen, da hält mich Valerie zurück.

      «Entschuldige, Trish. Ich gönn dir dein Glück ja. Ich wünschte nur, ich hätte auch jemanden wie Pierre.»

      Sie sagt das so kleinlaut, dass sich mein Zorn im Nu verflüchtigt. Ich umarme sie wieder.

      «Du wirst den Richtigen schon noch finden, Val. Denk nicht weiter an den Eisdielen Typen. Solche Kerle gibt es wie Sand am Meer. Pass auf, wir machen uns heute Abend einen Mädels Abend. Ich muss mir eine Abendgarderobe kaufen und du hilfst mir dabei, ok?»

      «Eine Abendgarderobe?»

      «Ja, Pierre und ich müssen zu einem vornehmen Treffen irgendwelcher Honoratioren gehen, irgendetwas wegen dem Weinhandel. Und ich habe nichts anzuziehen. Also muss ich mir vor dem Wochenende noch etwas besorgen.»

      Valeries Miene hellt sich angesichts dieser Aussichten auf.

      «Klar helfe ich dir. Und ich weiß auch schon genau, wo wir hingehen.»

      Valerie kommt zwar aus einer sehr ländlichen Gegend, wohnt aber schon länger in Montpellier als ich. Sie kennt die Stadt auch besser, zumal ich bisher nur wenige Gelegenheiten hatte, die Einkaufsmeile hier zu erforschen. Deshalb bin ich auch froh, dass Valerie mir hilft und das nicht nur, weil ich sie damit von ihrem geplatzten Date ablenken kann.

      Durch die aktive Krisendiplomatie ist es recht spät geworden, also muss ich mich sputen, um noch rechtzeitig zu meiner Vorlesung zu kommen. Valeries Wohnung liegt in den Außenbezirken von Montpellier, weswegen ich mein Auto nehme, um zur Uni zu fahren. Kurz nach meinem Schulabschluss habe ich den Führerschein gemacht und zu meinen bestandenen Prüfungen hat mir Großvater einen netten, kleinen Wagen geschenkt, einen knallroten C1, schon ein paar Jahre alt, aber noch gut in Schuss.

      In Montpellier brauche ich den Wagen eigentlich kaum, denn man kommt ganz gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln herum und ich habe ja auch noch mein Fahrrad, aber für die Fahrt nach Hause ist das Auto unumgänglich. Die Bahn nach Lorgues braucht Ewigkeiten, nicht zu reden von der unbequemen Verbindung. Ich müsste in Marseilles und Toulon umsteigen und wäre die dreifache Zeit unterwegs, die ich mit dem Auto benötige. So kann ich am Freitag direkt nach der letzten Veranstaltung an der Uni nach Hause aufbrechen und bei Pierre vorbeischauen, bevor ich zu Großvater auf unser Weingut fahre.

      Ich erreiche die Uni gerade rechtzeitig, um zusammen mit dem Professor den Vorlesungssaal zu betreten. Dabei habe ich auch noch Glück gehabt, denn der Verkehr war nur mäßig und ich habe sofort einen Parkplatz gefunden. Daher habe ich zwar keine Zeit, meine Freunde aus dem Kurs zu begrüßen, aber ich bekomme einen Platz direkt neben Kala, der ich ein kurzes „Hallo“ zuwerfe, bevor ich hastig meine Unterlagen auspacke. Kala grinst mir zu.

      «Na verschlafen?»

      «Nee, Valerie hatte Probleme mit ihrem Date, die musste ich erst mit ihr ausdiskutieren.»

      «Ich dachte, man müsste mit ihr erst diskutieren, wenn ein Date mal klappt.»

      «Hey, der Typ hatte sich echt fies verhalten. Das kann einen schon ziemlich mitnehmen.»

      «Ein Mann und verhält sich fies? Das musst du mir nachher näher erklären, so was kenne ich gar nicht.»

      Jetzt müssen wir aber den Mund halten, denn der Professor schaut schon grimmig in unsere Richtung. Kala hat ja gut reden. Sie stammt aus Afrika, aus einer der ehemaligen französischen Kolonien, heißt Kala Tsotsi, ist schwarz wie die Nacht, von einer aufregenden exotischen Schönheit und steht nur auf Frauen. Regelmäßig versuchen Männer sich ihr zu nähern und sie macht sich einen Spaß daraus, ihnen erst Hoffnung zu machen, um sie dann abblitzen zu lassen. Ich habe zwar schon einige Male versucht, ihr klar zu machen, dass das nicht nett ist, aber sie sieht das natürlich ganz anders.

      Sie stammt aus einer wohlhabenden, einflussreichen Familie und hatte eigentlich verheiratet werden sollen. Doch als sie sich standhaft weigerte, den über zwanzig Jahre älteren Mann zu heiraten und in ihrer Heimat einen mittleren Skandal verursachte, hat ihre Familie sie nach Frankreich geschickt, um sie aus dem Weg zu haben. Hier hat sie dann ihre Freiheit und ihre Vorliebe für Frauen entdeckt. Sie ist fest mit Francine Roux zusammen, die ebenfalls zu meinem Freundeskreis zählt. Madelaine Cazardieu und Emile Dupont komplettieren die Gruppe von Leuten, mit denen ich außer mit Valerie die meiste Zeit verbringe. Sie sind alle in meinem Semester, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten und wir gehen gewöhnlich miteinander Mittagessen. Valerie ist ab und zu dabei, aber sie ist mir ja einige Semester voraus und hat ihren eigenen Freundeskreis.

      Krampfhaft bemühe ich mich, den anstehenden Empfang mit Louis oder die ungewollte Anwesenheit von Valerie gestern Abend aus meinen Gedanken zu verdrängen. Der Professor stellt in seiner Vorlesung ziemlich hohe Ansprüche an unsere Aufmerksamkeit, denn er ist zwar sehr kompetent, nimmt aber auch immer wieder an, dass wir ebenfalls solche Genies sind, wie er. Also verpackt er öfter wesentliche Informationen in unscheinbaren Nebensätzen, so dass man, wenn man nicht aufpasst, diese verpasst und den Stoff nicht mehr zusammenbekommt. Was sich ziemlich negativ auf Prüfungen auswirken kann, wie ich im ersten Semester feststellen musste.

      Nach der Vorlesung habe ich noch ein Proseminar, während Kala zu einer Übung eilt, so dass ich ihr nichts Näheres über Valeries Date erzählen kann. Eigentlich bin ich darüber froh, denn es gehört sich nicht, über Valerie zu klatschen, wenn sie nicht dabei ist. Auch so etwas, wie eine Warnung vor dem Eisdielen Typen auszusprechen, ist ziemlich überflüssig, denn Kala und Francine sind fest miteinander liiert, Madelaine ist genauso wie ich in einer andauernden Beziehung und Emile steht als Mann eher auf Frauen und ist nicht in Gefahr durch irgendwelche Eisdielen Schönlinge verführt zu werden.

      Nach dem Proseminar schlendere ich gemütlich zum parkähnlichen Innenhof der SupAgro. Das Hauptgebäude ist ein wunderschöner Altbau, ein ehemaliger Adelssitz, und wurde vom Departement vor einigen Jahren als Fachhochschule für Landwirtschaft ausgebaut. Ich finde es gut, eine solche auf Landwirtschaft spezialisierte Hochschule zu haben, denn die klassischen Universitäten vernachlässigen zu oft die Praxis und für die meisten Menschen im ländlichen Mittelfrankreich ist Praxisnähe viel wichtiger als weitreichende wissenschaftliche Kenntnisse.

      Auch für mich ist diese Hochschule ideal. Alles, was ich will, ist, mir so viele Kenntnisse über Weinbau anzueignen, dass ich unser Weingut mit Aussicht auf Erfolg weiterführen kann, wenn Großvater nicht mehr ist. Auf der anderen Seite wollte ich nicht zu weit von Lorgues weg, sowohl wegen Pierre als auch